Rn 3
In der Praxis hat sich mit der sog Relationstechnik eine Methode entwickelt, die eine möglichst effektive und für die Beteiligten kostengünstigste Ermittlung des entscheidungserheblichen Sachverhalts gewährleistet (s dazu Anders/Gehle AssEx Rz A 2 ff; Oberheim ZPR Rz 428 ff). Unter der Geltung des Beibringungsgrundsatzes ist es Sache der Parteien, den entscheidungserheblichen Sachverhalt in den Prozess einzuführen. In aller Regel werden dabei bestimmte Umstände und Tatsachen zwischen den Parteien streitig sein, so dass unterschiedliche Sachverhaltsdarstellungen vorliegen, nämlich diejenige des Klägers und diejenige des Beklagten. Die Relationstechnik beruht auf dem Gedanken, dass dementsprechend auch verschiedene Denkschritte (›Stationen‹) notwendig sind, um den entscheidungserheblichen Sachverhalt herauszuarbeiten und zu klären, ob eine Beweisaufnahme notwendig ist.
Rn 4
Zunächst muss in der sog Klägerstation geprüft werden, ob das Vorbringen des Klägers, dh der unstreitige Sachverhalt und die von ihm behaupteten (nämlich vom Beklagten bestrittenen) Tatsachen seinen Klageantrag rechtfertigen. Es handelt sich um eine rein rechtliche Schlüssigkeitsprüfung, bei der die Wahrheit der vom Kl behaupteten Tatsachen unterstellt wird. Das abweichende Vorbringen des Beklagten bleibt also unberücksichtigt. Ist bereits das – isolierte – Vorbringen des Klägers – ggf nach Hinweisen des Gerichts gem § 139 auf die mangelnde Schlüssigkeit – nicht geeignet, seinen Klageantrag zu rechtfertigen, wird die Klage ohne weitere Prüfung und ohne Ansehung des Beklagtenvorbringens abgewiesen. Ist das Vorbringen des Klägers schlüssig, muss in einem zweiten Schritt iRd sog Beklagtenstation geprüft werden, ob das tatsächliche Vorbringen des Beklagten, seine Richtigkeit unterstellt, ggü dem Klägervorbringen erheblich ist. Eine Beklagtenstation ist also nur erforderlich, wenn die Sachverhaltsdarstellung des Beklagten von derjenigen des Klägers abweicht. Ist dies nicht der Fall, etwa wenn der Beklagte bei unstreitigem Sachverhalt nur eine abweichende Rechtsauffassung vertritt, muss der Klage auf der Grundlage der Schlüssigkeitsprüfung stattgegeben werden.
Rn 5
Erst wenn das Vorbringen des Klägers schlüssig und das des Beklagten erheblich ist, muss der Richter iRd sog Beweisstation feststellen, welchen Sachverhalt er seiner Entscheidung zugrunde zu legen hat und ob er vor dieser Entscheidung eine Beweisaufnahme durchführen muss. Dazu ist zunächst zu klären, welche Tatsachen beweiserheblich, dh zwischen den Parteien streitig und für die Entscheidung erheblich sind. Beweiserhebliche Tatsachen bedürfen ausnahmsweise keines Beweises mehr, wenn sie nicht beweisbedürftig sind. Eine Beweisaufnahme kann zB entfallen bei zugestandenen Tatsachen (§ 288), bei offenkundigen Tatsachen (§ 291), bei Tatsachen, deren Vorliegen gesetzlich vermutet wird (§ 292), bei Tatsachen, die auf Grund eines Anscheinsbeweises (§ 286 Rn 28 ff) oder von unstreitigen oder bewiesenen Indizien (§ 286 Rn 51 ff) feststehen, bei Tatsachen, deren Beweis der Gegner vereitelt hat (§ 286 Rn 99 ff), bei Tatsachen, die einer Schadensschätzung gem § 287 zugänglich sind oder bei Tatsachen, an die das Gericht aufgrund der Interventionswirkung des § 68 gebunden ist (§ 68 Rn 5 ff). Nicht beweisbedürftig sind ferner streitige Tatsachen bei einem gleichwertigen (äquipollenten) Parteivorbringen (s dazu Baumgärtel/Laumen Bd 1 Kap 3 Rz 33). Trägt der Beklagte unter Bestreiten der klagebegründenden Behauptungen Tatsachen vor, die ebenfalls den Klageanspruch rechtfertigen, so ist sein Bestreiten unerheblich, weil der Klage dann ohne Beweisaufnahme durch eine alternative Sachverhaltsfeststellung stattzugeben ist (Prütting S 143 f). Entgegen der Auffassung des BGH (NJW 89, 2756 = ZZP 103, 218 mit Anm Musielak) ist es nicht erforderlich, dass sich der Kl das Vorbringen des Beklagten ausdrücklich hilfsweise zu Eigen macht, was allerdings im Zweifel ohnehin anzunehmen ist (vgl BGH NJW-RR 16, 1361, 1362 [BGH 16.08.2016 - VI ZR 634/15] Rz 12; MDR 17, 1420 [BGH 26.09.2017 - VI ZR 529/16] Rz 9). Übergeht das Gericht ein Beweisergebnis, von dem anzunehmen ist, dass es sich eine Partei als für sie günstig zu Eigen gemacht hat, liegt darin eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör (BGH NJW-RR 18, 1287, 1288 [BGH 29.08.2018 - VII ZR 195/14] Rz 13). Schließlich bedürfen zuständigkeitsbegründende Tatsachen dann keines Beweises, wenn sie gleichzeitig notwendige Tatbestandsmerkmale des schlüssig dargelegten Anspruchs selbst sind (sog doppelrelevante Tatsachen, vgl BGHZ 183, 49, 55 Rz 14 = NJW 10, 873 – Rechtswegzuständigkeit nach § 17a GVG).
Rn 6
Soweit Tatsachen danach beweisbedürftig sind, prüft das Gericht, ob die richtige, nämlich beweisführungsbelastete Partei für sie Beweis angeboten hat. Ist dies nicht der Fall, muss es die betreffende Partei auffordern, für ihre Behauptungen Beweis anzutreten (§ 139 Rn 11). Sodann führt es ggf die Beweisaufnahme durch und würdigt anschließend die erhobenen Bew...