Rn 49

Davon kann nur die Rede sein, wenn das Beweismittel nicht nur vorübergehend, sondern auf unabsehbare Zeit nicht verfügbar ist. An diese Annahme sind strenge Anforderungen zu stellen (BGHZ 168, 79, 85 Rz 25 = NJW 06, 3416, 3418; NJW-RR 15, 1151, 1152 Rz 12; Köln MDR 01, 109). Dies gilt vor allem für die angebliche Unerreichbarkeit eines Zeugen. Die Vernehmung eines Zeugen kann nicht deshalb abgelehnt werden, weil dieser wiederholt nicht vor Gericht erschienen ist und eine wahrheitsgemäße Aussage von ihm nicht zu erwarten ist. Erforderlich ist zumindest die Verhängung von Ordnungsmitteln gegen den Zeugen (BGH NJW 15, 1511, 1512 [BGH 19.12.2014 - V ZR 194/13] Rz 12). Ist lediglich die ladungsfähige Anschrift eines Zeugen nicht bekannt, muss zunächst gem § 356 eine Frist gesetzt werden. Ein im Ausland lebender Zeuge soll bereits dann nicht verfügbar sein, wenn endgültig feststeht, dass er vor dem Prozessgericht nicht erscheinen wird (vgl BGH NJW 92, 1768, 1769 [BGH 29.01.1992 - VIII ZR 202/90] = ZZP 105, 500 mit Anm Leipold) und auch eine Vernehmung im Wege der Rechtshilfe nicht geboten ist, weil es für die Glaubwürdigkeit des Zeugen entscheidend auf den persönlichen Eindruck des erkennenden Gerichts ankommt (Saarbr NJW-RR 98, 1685 [OLG Saarbrücken 11.02.1998 - 1 U 293/97-67]; Kobl OLGR 08, 362 = NJOZ 07, 4656; Jäckel Rz 280). Dagegen spricht allerdings, dass auch einer Vernehmung im Wege der Rechtshilfe Beweiswert zukommt (St/J/Thole Rz 60). Außerdem ist stets zu prüfen, ob nicht die Teilnahme an der Beweisaufnahme des ersuchten Gerichts möglich ist, um sich ein eigenes Bild von der Glaubwürdigkeit des Zeugen zu machen (vgl Stuttg BeckRS 10, 13002), oder ob nicht zumindest eine Videovernehmung des Zeugen (§ 128a II) in Betracht kommt (BGH MDR 21, 1409, 1410 [BGH 22.07.2021 - I ZR 180/20] Rz 23; vgl dazu ausf Dötsch MDR 11, 269 ff). Eine auf § 384 Nr 2 gestützte Aussageverweigerung zum gleichen Tatsachenkomplex in einem anderen Verfahren reicht nicht aus, um den Zeugen von vornherein als unerreichbar anzusehen (BGH NJW 12, 296, 297; NJW-RR 15, 1151, 1152 [BGH 19.05.2015 - XI ZR 168/14] Rz 13; aA Dresd NJW-RR 18, 871, 872 [OLG Dresden 27.03.2018 - 4 U 1611/17] Rz 13 für Zeugen, die in einem Strafverfahren von einem Aussageverweigerungsrecht nach § 55 StPO Gebrauch gemacht haben). Nicht verfügbar ist aber zB ein Zeuge, von dem nicht einmal der Name bekannt ist, oder eine Urkunde, die in Verlust geraten ist. Muss davon ausgegangen werden, dass ein Zeuge auf Grund gesundheitlicher Beeinträchtigungen endgültig nicht mehr vor dem Prozessgericht erscheinen wird, so ist – bevor seine Unerreichbarkeit angenommen werden kann – noch an die Möglichkeit zu denken, den Zeugen im Wege der Bild- und Tonübertragung (§ 128a II) oder nach § 375 I 2 durch ein Mitglied des Prozessgerichts zu vernehmen (BGH VRR 10, 322).

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