Rn 35
Beim Mithören von Telefongesprächen mit Hilfe einer zusätzlichen Sprech- und Mithöreinrichtung oder einer Raummithöranlage ist zunächst danach zu unterscheiden, ob der jeweilige Gesprächspartner Kenntnis vom Mithören einer dritten Person hat. Ist er auf die Anwesenheit eines Dritten und das Einschalten eines Lautsprechers hingewiesen worden, so kann von seiner Zustimmung ausgegangen werden, falls er nicht ausdrücklich widersprochen hat (BVerfG NJW 03, 2375 [BVerfG 02.04.2003 - 1 BvR 215/03]; Hamm MDR 14, 743 f; weitergehend Jena MDR 06, 533 [OLG Jena 27.09.2005 - 8 U 861/04]: mutmaßliche Einwilligung, wenn der Gesprächspartner nach den Umständen mit einem Mithörer rechnen musste). Die mithörende Person kann dann ohne weiteres als Zeuge zum Inhalt des Telefongesprächs vernommen werden. Liegt nicht einmal eine stillschweigende Zustimmung vor, hat die frühere Rspr lange Zeit zwischen Gesprächen privater und geschäftlicher Natur unterschieden (BGH NJW 64, 165, 166 [BGH 21.10.1963 - AnwSt (R) 2/63]; 82, 1397, 1398; Ddorf NJW 00, 1578 [OLG Düsseldorf 21.01.2000 - 22 U 127/99]; Brandg NJW-RR 02, 1127, 1129). Nach der neueren Rspr des BVerfG (BVerfGE 106, 28, 44 ff = NJW 02, 3619, 3622 ff [BVerfG 09.10.2002 - 1 BvR 1611/96]) und des BGH (NJW 03, 1727 ff = JZ 03, 1109 ff mit abl Anm Foerste; BGH NJW-RR 10, 1289, 1292 Rz 28) folgt aus dem Persönlichkeitsrecht ein ›Recht am gesprochenen Wort‹, so dass unabhängig vom Gesprächsinhalt ein Beweisverwertungsverbot besteht, falls eine Zustimmung des Betroffenen nicht vorgelegen hat (zust Kiethe MDR 05, 965, 968 ff). Dem kann jedoch in dieser Strenge nicht gefolgt werden (zur Kritik an der neueren Rspr vgl ua Baumgärtel/Laumen/Prütting Bd 1 Kap 6 Rz 39; Foerste NJW 04, 262, 263; Greger BRAK-Mitt 05, 150, 153; Balthasar JuS 08, 35, 38 ff). Hat das mitgehörte Gespräch – wie zumeist im geschäftlichen Verkehr – keinen vertraulichen Charakter, wird das Interesse des Beweisführers an der Verwertung des Beweismittels regelmäßig höher zu bewerten sein (vgl LAG Bremen MDR 94, 597 [LAG Bremen 25.02.1994 - 4 Sa 13/93]). Bei einem vertraulichen Gespräch wird man auch insoweit eine Güter- und Interessenabwägung vornehmen müssen (vgl BAG NZA 09, 674 ff [BAG 27.11.2008 - 2 AZR 193/07] = NJW 10, 104, 107 [BAG 23.04.2009 - 6 AZR 189/08] für das zufällige Mithören eines Telefongesprächs). Befindet sich der Beweisführer in einer Notwehr- oder notwehrähnlichen Lage oder will er mit dem Beweismittel eine Straftat abwehren, so kann sein Interesse an der Beweisführung je nach Schwere des Eingriffs den Vorrang haben vor dem Persönlichkeitsrecht des Beweisgegners (vgl BGH NJW-RR 10, 1289, 1292 [BGH 17.02.2010 - VIII ZR 70/07]; Helle JR 00, 353, 360). Dazu gehört entgegen der Auffassung des BGH (NJW 03, 1727, 1728 f [BGH 18.02.2003 - XI ZR 165/02]) auch die Abwendung eines versuchten Prozessbetruges (Musielak/Voit/Foerste § 286 Rz 8; Balthasar JuS 08, 35, 36; offengelassen von BGH MDR 13, 1006, 1007 [BGH 15.05.2013 - XII ZB 107/08]), wobei die notwehrähnliche Lage auch schon vorprozessual gegeben sein kann (s.o. Rn 27). Ohne weiteres zulässig ist natürlich die Vernehmung des Lauschzeugen über die Tatsache, dass überhaupt ein Telefongespräch stattgefunden hat sowie über die Wortbeiträge des anwesenden Gesprächspartners (Oberheim Rz 1768).
Rn 36
Für das Mithören von anderen Gesprächen durch sog Lauschzeugen greifen diese Grundsätze entsprechend ein. Soweit eine Verletzung des Persönlichkeitsrechts vorliegt, reicht das bloße Interesse des Beweisführers, sich für einen zukünftigen Prozess einen Zeugen zu verschaffen, nicht aus, um eine Verwertung des so gewonnenen Beweismittels zu rechtfertigen (vgl BGH NJW 70, 1848 f = JZ 71, 387 [BGH 19.06.1970 - IV ZR 45/69] mit Anm Artz – Belauschen durch ein Loch in der Wand; BGH NJW 91, 1180 = JZ 91, 927 [BGH 04.12.1990 - XI ZR 310/89] mit Anm Helle – Mithören durch einen Türspalt zur Küche). Eine andere Beurteilung ist geboten, wenn die Aussage des Lauschzeugen das einzige Mittel darstellt, um einen kriminellen Angriff auf die berufliche Existenz des Beweisführers abzuwehren (BGH NJW 94, 2289, 2292 f = MDR 94, 766 [BGH 27.01.1994 - I ZR 326/91] mit Anm Baumgärtel – Mithören in einer öffentlichen Gaststätte).