Rn 39
Unter Geltung des Verhandlungsgrundsatzes ist es grds Sache der beweisbelasteten Partei, Beweis anzutreten (vgl BVerfG NJW 94, 1210, 1211 [BVerfG 29.12.1993 - 2 BvR 65/93]), dh dem Gericht anzubieten, eine bestimmte Behauptung durch ein bestimmtes Beweismittel festzustellen (Laumen MDR 20, 145 ff). Außer dem Zeugenbeweis kann das Gericht allerdings alle anderen Beweismittel der ZPO auch vAw heranziehen (§§ 142, 144, 293, 448), wovon in der Praxis nur wenig Gebrauch gemacht wird. Relevanter ist die aus § 139 I 2 folgende Verpflichtung des Gerichts, Beweisanträge der Parteien anzuregen und auf die genaue Bezeichnung von Beweisthema und Beweismittel hinzuwirken (s § 139 Rn 11). Sieht die beweisbelastete Partei trotz eines entsprechenden Hinweises davon ab, einen entspr Beweisantrag zu stellen, ist es regelmäßig nicht ermessensfehlerhaft, wenn das Gericht dann von einer Beweiserhebung absieht (BGH MDR 19, 563 Rz 19 = Bespr Dörr MDR 19, 1173 f [BGH 27.02.2019 - VIII ZR 255/17]). Der Beweisantrag erfolgt in der mündlichen Verhandlung (§ 137 I). Im Anwaltsprozess geschieht dies regelmäßig bereits im vorbereitenden Schriftsatz (§ 130 Nr 5), üblicherweise durch Hervorhebung im Text unter der zu beweisenden Tatsachenbehauptung (Beweis: Zeugnis des …). In der mündlichen Verhandlung kann dann gem § 137 III auf den vorbereitenden Schriftsatz Bezug genommen werden (BGH NJW-RR 96, 1459, 1460). Die Wiederholung eines Beweisantrages ist deshalb grds nicht erforderlich, es sei denn, das Gericht hat erkennen lassen, dass es eine Beweisaufnahme als erschöpfend ansieht (BGH MDR 69, 746). In der Berufungsinstanz genügt jedoch die pauschale Bezugnahme auf die erstinstanzlichen Beweisantritte nicht. Stützt er sich für die Zulässigkeit der Berufung auf das Übergehen von Beweisanträgen, muss er angeben, dass und welche Beweisangebote zu Unrecht nicht erhoben worden sind und deutlich machen, auf welche er weiterhin Wert legt (BGHZ 183, 197, 203 Rz 20 = NJW 10, 367). Ist dagegen eine Berufungsrüge in zulässiger Weise erfolgt, steht damit die Zulässigkeit der Berufung fest mit der Folge, dass der gesamte aus den Akten ersichtliche Prozessstoff dann ohne Weiteres in die Berufungsinstanz gelangt (BGH NJW-RR 20, 60 Rz 8; MDR 21, 1213 Rz 9). Eines erneuten Vorbringens der Beweisangebote bedarf es dann nicht (BGH MDR 20, 945 = Bespr Laumen MDR 20, 970 ff [BGH 28.04.2020 - VI ZR 347/19]). Zulässig bleibt ein Beweisantritt bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung, soweit nicht die Voraussetzungen für eine Zurückweisung wegen Verspätung (§§ 296, 530, 531 II) vorliegen. Der Beweisführer kann seinen Beweisantrag jederzeit bis zur Beweisaufnahme zurücknehmen. Besonderheiten bestehen lediglich dann, wenn ein Zeuge bereits zur Vernehmung vor dem Richter erschienen bzw die Vernehmung schon begonnen hat (§ 399) oder eine Urkunde in der mündlichen Verhandlung bereits vorgelegt worden ist (§ 436).
Rn 40
Notwendiger Inhalt des Beweisantritts ist die genaue Angabe des Beweisthemas und die Bezeichnung des Beweismittels. Das Beweisthema betrifft die bestimmte Bezeichnung der Tatsache, die bewiesen werden soll. Im Falle des mittelbaren Beweises (Rn 17) bezieht sich das Beweisthema auf die Indiztatsachen, die den Schluss auf das Vorliegen der Haupttatsache zulassen sollen. Wie konkret das Beweisthema bezeichnet werden muss, richtet sich unter Berücksichtigung der Wahrheits- und Vollständigkeitspflicht gem § 138 I nach den Umständen des Einzelfalles, insb nach der jeweiligen Einlassung des Gegners (BGH NJW-RR 04, 1362, 1363 [BGH 15.01.2004 - I ZR 196/01]; MDR 18, 1334, 1335 Rz 19). Für das Vorliegen eines hinreichend bestimmten Beweisantrages ist es allerdings nicht erforderlich, dass die Partei das Beweisergebnis im Sinne einer vorweggenommenen Beweiswürdigung wahrscheinlich macht (BGH NJW-RR 15, 829, 830 Rz 14 = DStR 15, 1646 [BGH 16.04.2015 - IX ZR 195/14] m AnmLaumen; Anders/Gehle/Anders ZPO Vor § 284 Rz 51). Dies ist vielmehr eine reine Frage der Beweiswürdigung. Eine Partei braucht deshalb auch nicht anzugeben, welche Anhaltspunkte sie für die Richtigkeit der in das Wissen eines Zeugen gestellten Behauptungen hat (BGH NJW-RR 18, 1150, 1152 Rz 19). Eine Ausnahme von diesem Grundsatz macht die Rspr lediglich dann, wenn ein Zeuge über innere Vorgänge bei einer anderen Person vernommen werden soll, die der direkten Wahrnehmung durch den Zeugen naturgemäß entzogen sind (BGHZ 193, 159, 174 Rz 44 = NJW 12, 2427, 2431; BGH MDR 15, 1191 Rz 17).
Rn 41
Wird das Beweisthema nicht bestimmt genug bezeichnet, kann der Beweisantritt als unzulässiger Ausforschungsbeweis (Rn 24) zurückgewiesen werden (vgl BVerfG NJW 09, 1585, 1586 [BVerfG 10.02.2009 - 1 BvR 1232/07]; BGH NJW-RR 94, 377, 378 [BGH 01.12.1993 - VIII ZR 243/92]). Auch das Beweismittel muss genau bezeichnet werden (zum Beweisantritt Zeugnis ›NN‹ s § 356 Rn 6 sowie Gottschalk NJW 04, 2939 ff; zum Beweisantritt ›Mitarbeiter des …‹ Kobl MDR 15, 975). Nur beim Sachverständigenbeweis genügt die bloße Angabe der...