I. Allgemeines.
Rn 53
Bei der Entwendung einer versicherten Sache kann der VN sehr leicht in eine große Beweisnot geraten, weil sich der Diebstahl regelmäßig im Verborgenen abspielt, so dass weder der VN noch der Versicherer Kenntnis von den näheren Umständen haben können. Auf der anderen Seite läuft der Versicherer nicht selten Gefahr, Opfer von vorgetäuschten Diebstählen zu werden. Der BGH trägt dieser besonderen Beweissituation durch eine 3-Stufen-Prüfung Rechnung (grdl BGH VersR 84, 29 ff; ausf Baumgärtel/Laumen Bd 1 Kap 23 Rz 1 ff). Der VN braucht zunächst nur Tatsachen vorzutragen und (voll) zu beweisen, aus denen sich das äußere Bild eines Diebstahls ergibt (1. Stufe). Gelingt dieser Beweis, ist es Sache des Versicherers, Umstände darzulegen und zu beweisen, die mit erheblicher Wahrscheinlichkeit für eine Vortäuschung des Versicherungsfalles sprechen (2. Stufe). Erbringt der Versicherer diesen Gegenbeweis, trägt der VN die volle Beweisführungslast für den Eintritt des Versicherungsfalles (3. Stufe). Es handelt sich dabei nicht um eine Erscheinungsform des Anscheinsbeweises, da es von vornherein an einem typischen Geschehensablauf fehlt (BGH NJW 91, 2493 [BGH 03.07.1991 - IV ZR 220/90]). Außerdem führt der Beweis für das äußere Bild – anders als der Anscheinsbeweis – zu einer Veränderung des Beweismaßes (BGHZ 123, 217, 220 = NJW 93, 2678). Während der VN iRd 1. Stufe statt des Vollbeweises nur zu beweisen braucht, dass eine hinreichende Wahrscheinlichkeit für die versicherte Entwendung besteht, wird das Beweismaß auf Seiten des Versicherers gesteigert (aA BGH VersR 84, 29, 30; wie hier Dresd VersR 22, 1089, 1090; Biller-Bomhardt VersR 22, 1224, 1225; Hansen ZVersWiss 91, 355, 360). Er muss nämlich nicht den bloßen Gegenbeweis erbringen, sondern Tatsachen beweisen, die mit erheblicher Wahrscheinlichkeit für die Vortäuschung des Versicherungsfalls sprechen. Die Rechtsgrundlage für die Veränderung des Beweismaßes sieht der BGH in stRspr in einer stillschweigenden vertraglichen Vereinbarung der Parteien des Versicherungsvertrages und damit in einer materiell-rechtlichen Risikozuweisung (BGHZ 130, 1, 3 f = NJW 95, 2169; zust ua St/J/Thole, Rz 225). Dagegen spricht jedoch, dass das Beweismaß im Hinblick auf seine normative Festlegung (s.o. Rn 23) jeglicher Parteivereinbarung entzogen ist (Musielak NZV 90, 467, 468 [OLG Köln 01.02.1990 - 5 U 153/89]; s.a. unten Rn 108). Die Rechtsgrundlage für die Veränderung des Beweismaßes ist vielmehr eine angesichts der besonderen Beweissituation dogmatisch gerechtfertigte und damit durchaus geglückte richterrechtliche Rechtsfortbildung (Hansen ZVersWiss 91, 355, 362 f; Kollhosser NJW 97, 969, 970; Baumgärtel/Laumen Bd 1 Kap 23 Rz 5 mwN).
II. Voraussetzungen.
Rn 54
Im Rahmen der 1. Stufe hat der VN lediglich darzulegen und ggf zu beweisen, dass er oder eine andere Person das Fahrzeug zu einer bestimmten Zeit an einem bestimmten Ort abgestellt und dort nach seiner Rückkehr nicht mehr vorgefunden hat (BGH NJW-RR 02, 671; KG NJW 11, 1975, 1976; Köln NJW 14, 345, 346). Dieser Beweis kann sich im Einzelfall auch durch die Verwertung eines Strafurteils als Urkundenbeweis ergeben (Dresd VersR 22, 1292). Bei einem bloßen Diebstahlversuch ist dagegen der Beweis für das äußere Bild nicht anwendbar (LG Frankfurt NJW-RR 18, 996, 997 [OLG Bremen 14.02.2018 - 1 U 37/17] Rz 17). Zu dem Minimum an Tatsachen, die das äußere Bild eines Einbruchsdiebstahls ausmachen, gehört neben der Unauffindbarkeit der zuvor am Tatort vorhandenen, als gestohlenen gemeldeten Sachen, dass – abgesehen von Fällen des Nachschlüsseldiebstahls – Einbruchspuren vorhanden sind (BGH NJW-RR 15, 1247, 1248 Rz 13; Hamm NJW-RR 17, 872, 873 [OLG Hamm 02.12.2016 - 20 U 16/15] Rz 91; zur Relay-Attack-Methode, bei der keine Einbruchspuren vorhanden sind, vgl AG Frankfurt/M. VersR 20, 1247 m Anm Biller-Bornhardt; AG/LG München VersR 21, 307 ff; ausf Lang/Wolf VersR 21, 280 ff). Die vorgefundenen Spuren brauchen jedoch nicht ›stimmig‹ in dem Sinne zu sein, dass sie zweifelsfrei auf einen Einbruch schließen lassen. Auch atypische Umstände können im Einzelfall den Schluss auf das Vorliegen eines Einbruchdiebstahls zulassen (BGH NJW-RR 15, 1247, 1248 Rz 13; Hamm VersR 17, 1071). Diese Tatsachen müssen aber zur vollen Überzeugung des Gerichts bewiesen werden (BGH VersR 93, 571, 572). Bei einem sog Einsteigediebstahl müssen Spuren bewiesen werden, die mit hinreichender Wahrscheinlichkeit dafürsprechen, dass sich der Dieb auf ungewöhnliche, nach den üblichen Gegebenheiten des Bauwerks nicht vorgesehenen Weise Zugang zu seiner Beute verschafft hat (BGH NJW-RR 94, 285 Rz 12; KG VersR 18, 1063, 1064). Umstände, die gegen die Glaubwürdigkeit des VN sprechen, bleiben dabei zunächst außer Betracht; sie werden erst iRd 2. Stufe berücksichtigt (BGH NJW-RR 00, 315 [BGH 22.09.1999 - IV ZR 172/98]). Stehen dem VN keine Beweismittel zum Nachweis der Mindesttatsachen zur Verfügung, kann das Gericht dem Vorbringen und den Angaben des VN bei seiner Anhörung gem § 141 nach stRspr auch ...