Rn 105
Die Parteien können in vielfältiger Weise auf die Verteilung der Beweislast und die Beweisführung Einfluss nehmen (s dazu näher Baumgärtel/Laumen Bd 1 Kap 26 Rz 1 ff). Als Oberbegriff für die unterschiedlichen Vertragsgestaltungen kann der Begriff ›Beweisvereinbarungen‹ verwendet werden (im Anschluss an Jäckel, Beweisvereinbarungen, S 4). Zu unterscheiden sind Beweisverträge und Beweislastverträge. Während Beweisverträge dazu dienen, auf die Feststellung und Würdigung der entscheidungserheblichen Tatsachen durch das Gericht Einfluss zu nehmen, beziehen sich Beweislastverträge auf die Frage der Rechtsanwendung im Falle eines non liquet, indem sie den Nachteil der Ungewissheit über das Vorliegen einer Tatsache der einen oder anderen Partei auferlegen. Sowohl Beweisverträge als auch Beweislastverträge sind nur möglich in Verfahren mit Verhandlungsmaxime.
I. Beweislastverträge.
Rn 106
Unter den Begriff ›Beweislastverträge‹ fallen ausschließlich solche Vereinbarungen, die sich unmittelbar und ausdrücklich auf die Verteilung der Beweislast zwischen den Parteien beziehen, dh die Rechtsanwendung im Falle eines non liquets bzgl eines bestimmten Tatbestandsmerkmals zum Gegenstand haben. Nicht hierher gehören Verträge, in denen eine Änderung der Beweislastverteilung nur mittelbare Folge eines anderen Vertragsgegenstandes – zB einer Tatsachenbestätigung – ist. Die Zulässigkeit von Beweislastverträgen ergibt sich ohne weiteres aus der Privatautonomie, soweit sie sich auf Tatbestandsmerkmale beziehen, die der Disposition der Parteien unterliegen (BGH NJW 98, 2967, 2968 [BGH 30.04.1998 - VII ZR 47/97]). Betrifft dagegen der Beweislastvertrag Normen des Öffentlichen Rechts oder des Prozessrechts, so hängt die Wirksamkeit der Vereinbarung davon ab, ob die jeweilige Rechtsvorschrift, für die die Beweislastverteilung geändert werden soll, der Disposition der Parteien unterliegt (Wagner S. 699). Soweit Beweislastklauseln in AGB enthalten sind und die gesetzlich festgelegte oder auf Richterrecht beruhende Beweislastverteilung zum Nachteil des Kunden ändern, sind sie gem § 309 Nr 12 BGB unzulässig. Nicht erfasst werden von dieser Vorschrift dagegen Änderungen der Beweislastverteilung, die lediglich auf zulässigen Abweichungen vom materiellen Recht beruhen. Dies gilt etwa für die formularmäßige Vereinbarung von abstrakten oder deklaratorischen Schuldanerkenntnissen (BGH NJW 03, 2386, 2387; BAG MDR 05, 918, 919) und von vorformulierten Vollstreckungsunterwerfungsklauseln (BGHZ 99, 274, 285 = NJW 87, 904, 906). Letztere verstoßen aber gegen die Generalklausel des § 307 BGB, wenn der Notar ermächtigt wird, die Klausel ohne den Nachweis der Fälligkeit zu erteilen (BGH NJW 02, 138, 139; München NJW-RR 01, 130, 131 [OLG München 04.07.2000 - 28 U 2485/98]).
II. Beweismittelverträge.
Rn 107
Beweismittelverträge sind Vereinbarungen der Parteien über den Ausschluss oder die Beschränkung von vorhandenen Beweismitteln oder die Erweiterung der Beweisaufnahme auf üblicherweise nicht vorgesehene Beweismittel. Der Ausschluss kann sich auf ein konkretes Beweismittel beziehen, etwa die Übereinkunft, eine bestimmte Urkunde nicht in den Prozess einzuführen (vgl den Fall Köln OLGR 97, 66). Ferner wird in Schlichtungs- und Mediationsverfahren häufig vereinbart, dass der Schlichter oder Mediator in einem späteren Prozess nicht als Zeuge für Tatsachen benannt werden darf, die Gegenstand des Schlichtungs- oder Mediationsverfahrens gewesen sind (vgl dazu Eckardt/Dendorfer MDR 01, 786 ff; Wagner NJW 01, 1398 ff [BVerfG 20.02.2001 - 2 BvR 1444/00]; Jäckel, Beweisvereinbarungen, S 106). Der Ausschluss kann auch die Art des Beweismittels betreffen, zB die Vereinbarung, aus Kostengründen auf die Beantragung eines Sachverständigengutachtens zu verzichten. Die Beschränkung kann sich ebenfalls auf ein bestimmtes Beweismittel beziehen. So haben die Parteien nach § 404 IV die Möglichkeit, sich auf die Benennung eines bestimmten Sachverständigen zu einigen, woran das Gericht grds gebunden ist (s dazu näher § 404 Rn 14). Eine Beschränkung auf eine bestimmte Art von Beweismitteln kann darin bestehen, dass die Parteien eine Beweisführung ausschließlich mit öffentlichen Urkunden vereinbaren. Eine Erweiterung der verfügbaren Beweismittel ist schließlich heute in § 284 S 2 ausdrücklich vorgesehen, indem die Parteien die Vereinbarung des Freibeweises für einzelne Beweismittel oder generell vereinbaren können (§ 284 Rn 55 ff). Beweismittelverträge sind zulässig, soweit den Parteien eine entsprechende Dispositionsbefugnis zusteht (BGHZ 109, 19, 29 = NJW 90, 441). Ist sein Abschluss unstr oder bewiesen, muss der Beweismittelvertrag vom Gericht vAw berücksichtigt werden (Wagner S 685). Entgegen der wohl noch hM (vgl ua Zö/Greger vor § 284 Rz 2b; Jäckel, Beweisvereinbarungen, S 110 ff mwN) ist das Gericht auch dann an den Inhalt eines die Verwendung von Beweismitteln beschränkenden Vertrages gebunden, wenn es an sich zu einer Beweiserhebung vAw berechtigt wäre (St/J/Thole Rz 287; Baumgärtel/Laumen Bd 1 Kap 26 Rz 26 mwN). ...