Rn 13
Die örtliche Zuständigkeit nach § 29 I ist an dem Ort gegeben, an dem die str Verpflichtung zu erfüllen ist (Erfüllungsort). Diese muss nicht identisch sein mit der klageweise geltend gemachten Verpflichtung. Maßgeblich für die Erfüllungsortzuständigkeit ist vielmehr die dem erhobenen Anspruch zugrundeliegende (originäre) Vertragspflicht, deren Verletzung gerügt wird (BGHZ 188, 85 Tz 29; BGHZ 195, 243 Tz 14; BayObLG NJW-RR 22, 274; BayObLG ZIP 23, 2272: Erfüllungsort der verletzten Primärpflicht). Hierfür ist auf den Zeitpunkt der Entstehung des Schuldverhältnisses abzustellen (KG KGR 00, 232; Braunschw ZInsO 19, 1389). § 29 I trifft keine Aussage dazu, wo sich der Erfüllungsort befindet. Der Erfüllungsort iSd § 29 I richtet sich deshalb nach materiellem Recht (hM; BGHZ 195, 243 Tz 14; BGH NJW-RR 07, 777, 778; Zö/Schultzky Rz 24; Musielak/Voit/Heinrich Rz 15). Sofern keine gesetzlichen Sonderregelungen eingreifen (zB §§ 261 I, 374 I, 697, 811, 1194 BGB, § 36 VVG, Art 2 II, III, 8 ScheckG, Art 2 III, 75, 76 III WG), ist die Vorschrift des § 269 I, II BGB maßgeblich zu berücksichtigen (vgl BGHZ 157, 20, 23; NJW-RR 07, 777, 778). Der Begriff des Leistungsortes wird dabei als Synonym zum Erfüllungsort gebraucht, obwohl es sich bei dem Leistungsort um den Ort handelt, an dem die Leistung vorzunehmen ist (s nur jurisPK/Kerwer § 269 Rz 10; MüKoBGB/Krüger § 269 Rz 2). Aus § 269 I BGB ergibt sich, dass für die Bestimmung des Leistungsortes vorrangig auf die Parteivereinbarung abzustellen ist, die sowohl ausdr als auch in konkludenter Form erfolgen kann (s dazu nur Grüneberg/Grüneberg § 269 Rz 8; PWW/Zöchling-Jud § 269 Rz 6; MüKoBGB/Krüger § 269 Rz 12, 14). Str ist die prozessuale Wirkung solcher materiell-rechtlichen Vereinbarungen. Denn § 29 II lässt Vereinbarungen über den Erfüllungsort nur unter engen Voraussetzungen zu. Ein Teil der Lit will deshalb materiell-rechtliche Erfüllungsortvereinbarungen vom Anwendungsbereich des § 29 II ausnehmen, wenn sie ernstlich gewollt sind (St/J/Roth Rz 33 ff, 58; diff Fehrenbach ZZP 129, 295, 321 f). Nach der Gegenauffassung sollen Erfüllungsortvereinbarungen zwar materiell-rechtlich uneingeschränkt gelten, ihre prozessuale, also zuständigkeitsbegründende Wirkung aber nur unter den Voraussetzungen des § 29 II entfalten können. Das wird vornehmlich mit dem Normzweck des § 29 II und mit dem Bedürfnis nach Rechtsklarheit und Rechtssicherheit begründet (vgl nur Musielak/Voit/Heinrich Rz 42). Die letztgenannte Auffassung überzeugt. § 29 II spricht generell von Vereinbarungen. Die Regelung soll den uneingeschränkten Schutz unkundiger bzw geschäftlich ungewandter Schuldner gewährleisten, denen kein Gerichtsstand aufgedrängt werden soll (vgl Rn 2). Damit wäre nur schwer vereinbar, wenn für jeden Einzelfall entschieden werden müsste, ob sich die Erfüllungsortvereinbarung tatsächlich als ernstlich gewollte materiell-rechtliche Bestimmung des Leistungsortes darstellt. Es ist deshalb davon auszugehen, dass eine Vereinbarung über den Erfüllungsort die örtliche Zuständigkeit des Gerichts nicht nach § 29 I, sondern nur nach § 29 II begründen kann (vgl BGHZ 195, 243 Tz 27; BayObLG NJW-RR 22, 274 Tz 40; München NJW-RR 10, 139; Musielak/Voit/Heinrich Rz 42; ThoPu/Hüßtege Rz 5; MüKoZPO/Patzina Rz 102; Grüneberg/Grüneberg § 269 Rz 3; PWW/Zöchling-Jud § 269 Rz 13; jurisPK/Kerwer § 269 Rz 4; jetzt auch Zö/Schultzky Rz 26a; vgl auch BayObLG NJW-RR 90, 1020). Im Rahmen des § 29 I kann deshalb nur auf den Leistungsort des materiellen Rechts abgestellt werden, der sich unmittelbar aus gesetzlichen Sonderregelungen, aus den Umständen, insb aus der Natur des Schuldverhältnisses, und im Zweifel aus § 269 I, II BGB ergibt. Der so bestimmte Leistungsort wird als gesetzlicher Leistungsort bezeichnet (vgl nur Musielak/Voit/Heinrich vor Rz 14; Grüneberg/Grüneberg Rz 3; PWW/Zöchling-Jud § 269 Rz 13). Der gesetzliche Leistungsort ist für jede einzelne Verpflichtung gesondert zu bestimmen. Auch bei gegenseitigen Vertragsverhältnissen ist er nicht notwendig einheitlich (BGHZ 195, 243 Tz 13 mwN; Zö/Schultzky Rz 24a; Musielak/Voit/Heinrich Rz 14; aA Fehrenbach ZZP 129, 295 f). Im Einzelfall kann sich aus den Umständen allerdings ein gemeinsamer Erfüllungsort (einheitlicher Erfüllungsort) ergeben. Nach heutiger, differenzierter Auffassung des BGH kann ein einheitlicher Erfüllungsort aber nicht allein deshalb bejaht werden, weil am Ort der zu erbringenden Leistung der Schwerpunkt des Vertrages liegt. Das hätte nämlich zur Folge, dass nahezu bei jedem Vertragstyp ein einheitlicher Erfüllungsort für Leistung und Gegenleistung vorläge, was mit der Regelung des § 269 I BGB nicht zu vereinbaren ist (BGH NJW-RR 07, 777, 778; BGHZ 157, 20, 25). Es müssen deshalb weitere Umstände hinzutreten, die für die Annahme eines gemeinsamen Erfüllungsortes sprechen (BGHZ 157, 20, 25; NJW-RR 07, 777, 778; Musielak/Voit/Heinrich Rz 17). Der BGH will das in den Fällen bejahen, in denen es der Natur des Schuldverhältnisses entspricht, dass ...