Rn 12

Das Gericht darf die Anwendung des fremden Rechts nicht auf den reinen Gesetzeswortlaut beschränken, sondern muss die tatsächliche Rechtslage unter Berücksichtigung der ausländischen Rechtslehre, Rspr und Rechtspraxis ermitteln (BGH NJW 03, 2685, 2686 [BGH 23.06.2003 - II ZR 305/01]; 14, 1244, 1245 Rz 15 = MDR 14, 362 f [BGH 14.01.2014 - II ZR 192/13]; NJW 17, 338 [OLG München 21.10.2016 - 10 U 2372/16], Rz 14 m Anm Bouwmann). Es ist deshalb als Verletzung des § 293 anzusehen, wenn die Rspr des obersten Gerichtshofes eines Landes außer Betracht gelassen wird (BGH NJW 76, 1588, 1589 [BGH 27.04.1976 - VI ZR 264/74]). Ist das ausländische Recht lückenhaft, kann sich im Einzelfall sogar die Notwendigkeit einer Rechtsfortbildung ergeben, die sich dann allerdings iRd Wertungen des ausländischen Rechts bewegen muss (Jansen/Michaels ZZP 116, 3, 39 ff). Lässt sich trotz Ausschöpfung aller Erkenntnisquellen der genaue Inhalt des ausländischen Rechts nicht ermitteln, so geht dies nicht zu Lasten der Partei, die aus der Anwendung des ausländischen Rechts Rechte für sich herleitet. Da es sich bei Rechtssätzen nicht um Tatsachen handelt, kann auch keine Partei beweisfällig bleiben (BGH NJW 61, 410 [BGH 24.11.1960 - II ZR 9/60]). Die Regeln über die Darlegungs- und Beweislast gelten also nicht (BGH MDR 22, 1429, 1430 Rz 24 = Bespr Schörnig MDR 23, 21 [BGH 24.08.2022 - XII ZB 268/19]). Für das Gericht besteht vielmehr ein Entscheidungszwang. Es muss dann zunächst versucht werden, auf das Recht zurückzugreifen, das dem eigentlich anzuwendenden Recht am nächsten verwandt ist (Köln NJW 80, 2646, 2648; St/J/Thole Rz 74 f; in diese Richtung tendiert auch BGH NJW 82, 1215, 1216 [BGH 23.12.1981 - IV b ZR 643/80]; ausf dazu MüKoZPO/Prütting Rz 59 ff). Erst wenn dies ebenfalls nicht zum Erfolg führt, ist auf das deutsche Recht als lex fori abzustellen (vgl BGHZ 69, 387, 394 = NJW 78, 496). Alternativ können die Parteien auch noch im laufenden Rechtsstreit die Geltung des deutschen Rechts vereinbaren.

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