I. Reduzierung des Beweismaßes.
Rn 2
In Abweichung vom Regelbeweismaß des Vollbeweises (§ 286 Rn 24) reicht bei der Glaubhaftmachung ein geringerer Grad an richterlicher Überzeugung aus. Glaubhaft gemacht ist eine behauptete Tatsache bereits dann, wenn ihr Vorliegen überwiegend wahrscheinlich ist (BVerfGE 38, 35, 39; BGHZ 156, 139, 141 = NJW 03, 3558, 3559; BGH NJW-RR 11, 136, 137; BAG NJW 13, 1467, 1469). Erforderlich und ausreichend ist es also, wenn etwas mehr für das Vorliegen der behaupteten Tatsache spricht als gegen sie (BGH aaO; einschränkend Zö/Greger Rz 6). Wann dies der Fall ist, unterliegt der freien Beweiswürdigung. Dies gilt auch in den Fällen, in denen das Gesetz die Glaubhaftmachung nicht erfordert, sondern – wie etwa in den §§ 104 II, 118 II 1, 227 III – nur genügen lässt (MüKoZPO/Prütting Rz 24). Die Absenkung des Beweismaßes greift ferner auch ein bei der Führung des Indizienbeweises, indem es ausreicht, dass die Gesamtheit der Indizien lediglich mit überwiegender Wahrscheinlichkeit den Schluss auf das Vorliegen der Haupttatsache zulässt (BGH NJW 98, 1870). Die Absenkung des Beweismaßes gilt auch für den Gegenbeweis gegen die glaubhaft gemachte Tatsache des Antragstellers (Gegenglaubhaftmachung vgl Köln ZIP 88, 664, 665; Dresd FamRZ 19, 553, 554). Hat die beweisbelastete Partei dagegen statt der Glaubhaftmachung den Vollbeweis erbracht, gilt auch für den Gegenbeweis das Regelbeweismaß (HK-ZPO/Saenger Rz 3).
II. Mittel der Glaubhaftmachung.
Rn 3
Bei der Glaubhaftmachung kommen nicht nur die in §§ 371 ff geregelten Beweismittel des Strengbeweises in Betracht, sondern va die Versicherung an Eides statt, die von Dritten, aber auch von den Parteien selbst stammen kann (vgl Celle NJW-RR 87, 447, 448). Ausgeschlossen ist sie nur in den Fällen der §§ 44 II, 406 III und 511 III. Erforderlich ist dabei stets eine eigene Sachdarstellung der betreffenden Partei (BGH NJW 96, 1682 [BGH 20.03.1996 - VIII ZB 7/96]; Kobl MDR 05, 827, 828). Wertlos ist deshalb eine eidesstattliche Versicherung, in der eine Partei nur auf die Schriftsätze ihres Anwalts Bezug nimmt und deren Richtigkeit bestätigt (Karlsr OLGR 98, 95; großzügiger Kobl MDR 05, 827). Schenkt das Gericht einer eidesstattlichen Versicherung keinen Glauben, muss es der betreffenden Partei Gelegenheit geben, Beweis durch ein Beweismittel des Strengbeweises anzutreten (BGH MDR 10, 648 – ReNo-Fachangestellte als Zeugin anstelle ihrer eidesstattlichen Versicherung; BGH MDR 20, 431, 432 [BGH 28.01.2020 - VIII ZB 39/19] Rz 18; NJW 20, 1225, 1227 [BGH 28.01.2020 - VI ZB 38/17] Rz 10 – Vernehmung des Anwalts anstelle seiner eidesstattlichen Versicherung). Außerdem ist zu prüfen, ob nicht bereits in der Vorlage der eidesstattlichen Versicherung zugleich ein Beweisangebot zur Vernehmung des Erklärenden als Zeugen zu sehen ist (BGH MDR 21, 443). Der eidesstattlichen Versicherung steht die sog anwaltliche Versicherung jedenfalls dann gleich, wenn sie sich auf Umstände bezieht, die der Anwalt in seiner Eigenschaft als Prozessbevollmächtigter der betreffenden Partei wahrgenommen hat (Köln MDR 86, 152). Erforderlich ist aber stets, dass der Anwalt die Richtigkeit seiner Angaben unter Bezugnahme auf seine Standespflichten anwaltlich versichert (BGH NJW-RR 17, 1266, 1267 [BGH 05.07.2017 - XII ZB 463/16] = Bespr Greger, MDR 17, 1169). Schenkt das Gericht einer anwaltlichen Versicherung im Verfahren der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand keinen Glauben, muss es den die Wiedereinsetzung Begehrenden darauf hinweisen und ihm Gelegenheit geben, entsprechenden Zeugenbeweis anzutreten. Zudem ist dann die Prüfung veranlasst, ob nicht bereits in der Vorlage der anwaltlichen Versicherung zugleich ein Beweisangebot auf Vernehmung des Verfahrensbevollmächtigten als Zeugen zu den darin genannten Tatsachen liegt (BGH NJW-RR 20, 501, 502 Rz 13; MDR 22, 517, 518 Rz 13). Zulässig als Beweismittel sind ferner privat eingeholte Sachverständigengutachten (KG Rpfleger 87, 262), Lichtbilder (Jena OLGR 97, 94), unbeglaubigte Fotokopien (BGHZ 156, 139, 143 = NJW 03, 3558, 3559), schriftliche Zeugenaussagen (§ 377 III) oder telefonische Auskünfte und Bestätigungen.
III. Präsente Beweismittel.
Rn 4
Eine erhebliche Einschränkung besteht ggü dem normalen Beweisverfahren darin, dass eine Beweisaufnahme nur sofort erfolgen kann, dh sämtliche Beweismittel präsent sein müssen (§ 294 II). Damit ist verbunden, dass eine Beweiserhebung vAw nicht stattfindet, die Parteien also alle Beweismittel selbst beibringen müssen (BGHZ 156, 139, 141 = NJW 03, 3558). Die betreffende Partei muss deshalb eine amtliche Auskunft selbst beschaffen (BGH NJW 58, 712), eine Urkunde in der mündlichen Verhandlung vorlegen und Zeugen oder Sachverständige zum Verhandlungstermin stellen. Die bloße Benennung von Zeugen zur Glaubhaftmachung reicht in diesen Fällen selbst dann nicht aus, wenn das Verfahren – wie etwa in Gewaltschutzsachen – vom Untersuchungsgrundsatz beherrscht wird (Bremen NJW-RR 11, 1511, 1512 [OLG Bremen 17.08.2011 - 4 UF 109/11] mwN). Eine Vertagung zum Zwecke der Beweisaufnahme ist nicht zulässig...