I. Grobes Prüfungsschema.
Rn 5
Zurückzuweisen (s IX.) ist ein streitiges Angriffs-/Verteidigungsmittel (s II.), das erst nach Ablauf einer bestimmten richterlichen Frist (s III.) ohne Entschuldigung der Verspätung vorgebracht wurde (s V.) und dessen Zulassung die Entscheidung des gesamten Rechtsstreits verzögern würde (s IV.).
II. Angriffs-/oder Verteidigungsmittel.
Rn 6
(S § 282 Rn 5 f). Erfasst ist jedes neue Vorbringen, welches der Durchsetzung bzw Abwehr des geltend gemachten prozessualen Anspruchs – dieser wird bestimmt durch den Klageantrag und den Lebenssachverhalt, aus dem der Kl die begehrte Rechtsfolge herleitet – dient, zB Behauptungen, Bestreiten, Einwendungen, Einreden (einschließlich der ausfüllenden Tatsachenbehauptungen), Beweismittel, Beweiseinreden (vgl § 146, § 282 I) und Beweisanträge (BGH NJW 04, 2828, 2830 [BGH 08.06.2004 - VI ZR 230/03]). Zu den Verteidigungsmitteln zählt auch die Geltendmachung einer Aufrechnung (BGH NJW 84, 1684, 1687 [BGH 29.02.1984 - VIII ZR 310/82]), und zwar sowohl die einer Prozessaufrechnung als auch die einer vorprozessual erklärten (Rn 52 f; Wieczorek/Schütze/Weth Rz 44 f). Nach dem BGH greift § 296 nicht bei erst im Laufe des Verfahrens geschaffenen materiell-rechtlichen Anspruchsvoraussetzungen, wenn bei einer Zurückweisung als verspätet der Streit ansonsten in einem weiteren Rechtsstreit mit demselben Gegenstand erneut ausgetragen werden müsste (so BGH NJW-RR 05, 1687, 1688 [BGH 06.10.2005 - VII ZR 229/03]; dazu Rn 7 und 20).
Rn 7
Keine Angriffs- und Verteidigungsmittel sind der Angriff und die Verteidigung selbst nebst des tragenden Sachvortrags, mithin verfahrensbestimmende Anträge wie Klage (und Widerklage; vgl BGH NJW 81, 1217 [BGH 12.02.1981 - VII ZR 112/80]; 95, 1223 [BGH 15.12.1994 - VII ZR 13/94]; 00, 2513 [BGH 19.04.2000 - XII ZR 334/97]), Partei- (vgl BGH NJW 97, 870) bzw Klageänderung (BGH 20.9.16 – VIII ZR 247/15, NJW 17, 491 Rz 18) samt nachträglicher objektiver Klagehäufung (vgl BGH NJW 01, 1210, 1211 [BGH 15.01.2001 - II ZR 48/99]), Klageerweiterung samt dem Vorbringen zur Begründung (vgl BGH NJW 85, 3079 [BGH 24.10.1984 - VIII ZR 140/83]). Auch Bewirkungshandlungen (zB Klage- oder Einspruchsrücknahme) sowie Prozessanträge, zB auf Vertagung (§ 227) oder Fristverlängerung (§ 224 II) oder durch Vertrag (zB § 398 BGB; vgl St/J/Thole Rz 37) oder durch neue Tatsachen geschaffene materiell-rechtliche Anspruchsvoraussetzungen (BGH NJW-RR 04, 167 [BGH 09.10.2003 - VII ZR 335/02]: zu einer erstmals fälligkeitsbegründenden Schlussrechnung; aA MüKoZPO/Prütting Rz 57; Schenkel NZBau 07, 6 ff) sind durch § 296 nicht erfasst. Die prozessrechtlichen Präklusionsvorschriften sollen die Partei anhalten, bereits vorliegenden Tatsachenstoff rechtzeitig vorzutragen, nicht aber sollen sie auf eine beschleunigte Schaffung der materiell-rechtlichen Anspruchsvoraussetzungen hinwirken (BGH NJW-RR 07, 494, 495 [BGH 21.12.2006 - III ZR 117/06]). Und tatsächliche oder materiell-rechtliche Vorgänge, die beim Ablauf einer gesetzten Frist noch nicht geschaffen waren, können grds nicht präkludiert sein. Insoweit ist nach hM bei Gestaltungsrechten generell zwischen der Ausübung und ihrer Geltendmachung im Prozess zu unterscheiden und nur die Tatsachenbehauptung, dass das Recht ausgeübt worden ist, als Verteidigungsmittel iSd prozessualen Verspätungsvorschriften anzusehen (Musielak/Voit/Huber Rz 37). Teils wird vertreten, dass darüber hinaus nicht nur der prozessuale Vortrag, sondern auch die Herbeiführung der materiell-rechtlichen Tatsachen verspätet erfolgt, wenn die Voraussetzungen wie zB bei der Anfechtung (s § 143 I BGB) rückwirkend alleine durch eine einseitige rechtsgeschäftliche Erklärung der Partei geschaffen wird (vgl 12. Aufl; St/J/Thole Rz 36). Hier könnte der Beschleunigungsgrundsatz dagegen sprechen, die Rechtzeitigkeit eines auf den Eintritt der Rechtsfolge gestützten Angriffs- oder Verteidigungsmittels danach zu bestimmen, wann die Partei von ihrem Gestaltungsrecht Gebrauch gemacht hat (so erwägend BGH 17.5.11 – X ZR 77/10 Rz 13; auch 10.3.11 – IX ZR 82/10 Rz 18). Dem steht entgegen, dass es gerade Ausdruck der Gestaltungsfreiheit ist, dass die Ausübung des Gestaltungsrechts in vom materiellen Recht gesetzten zeitlichen Grenzen allein vom Willen des Berechtigten abhängt. Diese dem Recht immanente Befugnis darf durch das Prozessrecht, dass dazu dient, das materielle Recht zu verwirklichen, nicht in seiner Durchsetzung vermeidbar behindert werden (BGH NJW 19, 80 [BGH 17.10.2018 - VIII ZR 212/17] Rz 27). Die Partei hat demnach nur zu bereits vorliegenden Tatsachenstoff rechtzeitig vorzutragen, nicht aber auf eine (beschleunigte) Veränderung der materiellen Rechtslage hinzuwirken. Zusätzlich scheidet § 296 aus, wenn eine zeitliche Beschränkung dem Zweck des Gestaltungsrechts, dem Berechtigten einen zeitlichen Spielraum zu eröffnen (wie zB beim vertraglichen Rücktrittsrecht und beim Recht zur ordentlichen Kündigung), widerspräche (Wieczorek/Schütze/Weth Rz 78). So wird das Ziel der Norm (Rn 1) angemessen berücksichtigt, dass über d...