Rn 1
Das Gericht entscheidet über die Anträge anhand des in der Prozessakte befindlichen Prozessstoffs. Die Parteien müssen, uU auch um zu erkennen, inwieweit weiterer Vortrag geboten ist, diese Entscheidungsgrundlage kennen können (s.a. § 357 I). Ihr Informationsrecht ist Ausdruck ihres Rechts auf rechtliches Gehör (Art 103 I GG; BVerfG NVwZ 10, 954, 955 [BVerfG 13.04.2010 - 1 BvR 3515/08]) und des Grds der Parteiöffentlichkeit. Es kann ihnen auch nicht in Hinblick auf zu wahrende Geschäfts- oder Betriebsgeheimnisse verwehrt werden (BGH 9.12.15 – IV ZR 272/15 Rz 18; Ddorf 15.4.18 – I 2 W 8/18; München NJW 05, 1130, 1131; GRUR-RR 09, 191, 192); einem berechtigten Geheimhaltungsinteresse kann im Einzelfall durch den Ausschluss der Öffentlichkeit gem § 172 Nr. 2 GVG und die Verpflichtung zur Verschwiegenheit gem § 174 III GVG Rechnung getragen werden (BGH 9.12.15 – IV ZR 272/15 Rz 18). Eine Partei kann jedoch bei der Einreichung von Unterlagen ausdrücklich den Vorbehalt erklären, dass diese der Gegenseite nur unter bestimmten Voraussetzungen zugänglich gemacht werden sollen; diese Unterlagen werden dann nicht zum Bestandteil der Prozessakten, wenn das Gericht mit Rücksicht auf den Vorbehalt von einer Weitergabe an den Gegner absieht (BGH GRUR 20, 327 [BGH 14.01.2020 - X ZR 33/19] Rz. 18). Bei beigezogenen Akten (Rn 4) ist nach dem ›Doppeltürmodell‹ jedoch abzuwägen, ob Informationen aus den beigezogenen Akten verwertet werden können, wobei die jeweiligen Vor- und Nachteile bei der Verwirklichung der verschiedenen betroffenen Rechtsgüter in ihrer Gesamtheit einzubeziehen sind (BVerfG NJW 14, 1581 Rz 25 ff). Akteninhalt, den die Parteien nicht einsehen dürfen, kann grds auch nicht für die Entscheidung verwertet werden. Daher erlaubt ihnen Abs 1 S 1 die Einsicht in die Prozessakten. Dieses wird ergänzt durch ihr Recht auf Abschriften etc (Abs 1 S 2). Vom Recht auf Einsicht nicht erfasst sind Entwürfe und Vorentwürfe zu gerichtlichen Entscheidungen (Abs 4). Bezüglich der anonymisierten Entscheidung (zB Urt; Beschl nach § 522 II), deren Überlassung keine Akteneinsicht iSv § 299 ist (BGH NZI 21, 598 Rz 13), selbst besteht aber unabhängig von der Veröffentlichungswürdigkeit eine grds Pflicht (BGH NZI 21, 598 Rz 15) zur Kenntnisgabe zum Zwecke der Veröffentlichung (BVerfG NJW 15, 3708 [BVerfG 14.09.2015 - 1 BvR 857/15] Rz 16 mit Rz 22) und unabhängig von § 299 (Rn 9) noch darüber hinaus (BGH NJW 17, 1819 Rz 16: Teil der öffentlichen Aufgabe der Gerichte; Karlsr 22.12.20 – 6 VA 24/20 Rz 28; 30.1.19 – 6 VA 89/18 Rz 24; zum wissenschaftlichen Interesse BayObLG 6.12.21 – 101 VA 106/21 Rz 40 ff; zur Kontrollfunktion Stackmann NJW 10, 1409, 1411 f), idR aber auch in sonstigen Fällen (St/J/Thole Rz 67 ff). Das Recht der informellen Selbstbestimmung (Art 1 I iVm 2 I GG; BGH GRUR 07, 628, 629 [BGH 10.04.2007 - I ZB 15/06]) und der gebotene Datenschutz beinhalten auch, dass nicht jedwede Dritte ohne Einwilligung der Parteien die Akten einsehen und Kenntnis von ihrem Inhalt nehmen dürfen. Ihr Einsichtsrecht ist von einem rechtlichen Interesse und einer Abwägung abhängig (Abs 2). Soweit Behörden iRd Amtshilfe Akteneinsicht verlangen, kann eine vom Vorstand des Gerichts zu treffende, nach §§ 23 ff EGGVG anfechtbare (Rn 14) Entscheidung nicht allein auf Art. 35 I GG gestützt werden (so aber Zö/Greger Rz 8), sondern muss sie einfachgesetzlich geregelt sein (BVerfG NJW 15, 610 [BVerfG 02.12.2014 - 1 BvR 3106/09] Rz 31; s.a. Ddorf 6.10.15 – I-3 VA 2/09), was gerade durch Abs 2 umgesetzt ist (BeckOKZPO/Bacher Rz 37; StJ/Thole Rz 22, 38 f). Der Eingriff in das informelle Selbstbestimmungsgesetz muss verhältnismäßig iwS sein. Jedenfalls wenn in den Bereich der innersten Privatsphäre (beachte Art 2 I, 1 I GG) eingegriffen wird und die aktenkundigen Informationen auf eine dem Amtsermittlungsgrundsatz folgende Aufklärungstätigkeit zurückgehen, muss die Wahrung des Verhältnismäßigkeitsgebotes sorgsam geprüft werden (BVerfG NJW 70, 555 f [BVerfG 15.01.1970 - 1 BvR 13/68]; Hamm NJW-RR 09, 420, 421). Stets muss im Hinblick auf § 299 I ein nach § 273 II Nr 2 um Akteneinsicht ersuchendes Gericht die jeweiligen Vor- und Nachteile bei der Verwirklichung der verschiedenen betroffenen Rechtsgüter in ihrer Gesamtheit abwägen (vgl BVerfG NJW 14, 1581 Rz 22 ff: zum Schutz der Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse aus Art 12 I GG). Die Übertragung personenbezogener Daten vAw richtet sich nach §§ 12 ff EGGVG sowie nach der AO über Mitteilungen in Zivilsachen (MiZi). Abs 3 nimmt auf § 298 Bezug und regelt die Einsicht in elektronische Akten. Für weggelegte Akten s § 299a.
Rn 2
Neben § 299 regeln in der ZPO als Spezialvorschriften die Akteneinsicht § 760 (Einsicht der am Vollstreckungsverfahren Beteiligten in die Akten des Gerichtsvollziehers), §§ 915b ff (Einsicht ins Schuldnerverzeichnis), §§ 996 II, 1001, 1016, 1022 II, 1023 (Aufgebotsverfahren). Ansonsten verweist § 46 II ArbGG (vgl VG Frankfurt 11.1.11 – 8 K 2602/10) auf § 299, der auch über § 173 VwGO (VGH ...