Rn 4
Zur Prozessakte als der beim Gericht (nicht: beim Insolvenzverwalter oder Gerichtsvollzieher) selbst bzgl des konkreten Rechtsstreits angelegten gesamten Akte gehören insb die eingereichten Schriftsätze und die Protokolle, jeweils nebst Anlagen, Beiakten, die Urschriften der Urteile, Beschlüsse und Verfügungen (nicht aber deren Entwürfe, Abs 4), amtliche Schriftstücke wie dienstliche Äußerungen und Selbstanzeigen iRd Befangenheitsprüfung (§§ 44 III, 48), Zustellungsurkunden, Prozessvollmachten (§ 80), vom Insolvenzverwalter die über die Forderungsanmeldungen geführten Akten, wenn sich diese bei Gericht befinden (BayObLG NZI 21, 1078 [BayObLG 02.09.2021 - 101 VA 100/21] Rz 38; Ddorf NZI 21, 508 Rz 23). Erfasst ist – trotz der grds vorausgesetzten Vertraulichkeit (vgl Art. 7 EU-RL 08/52/EG v 21.5.08) – auch die Gerichtsakte bzgl eines von der anderen Partei eingeleiteten, gescheiterten Mediationsverfahrens (München 20.5.09 – 9 VA 5/09). Die Entscheidung des Rechtsmittelgerichts kann nach §§ 541 II, 565 in Form einer beglaubigten Abschrift den Prozessakten beigefügt sein. Das Einsichtsrecht bezieht sich dann nur auf diese Abschrift, nicht auf die Entscheidungsurschrift (BGH 17.9.09 – IX ZR 164/07). Die Einsicht darf nicht verweigert werden, weil Aktenteile nach Auffassung des Gerichts keine Bedeutung hätten (BVerfG NVwZ 10, 954, 956 [BVerfG 13.04.2010 - 1 BvR 3515/08]). Grds keine Einsicht wird in die Aktenteile gewährt, in denen im PKH-Verfahren (§§ 114 ff) der Antragsteller zu seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen Angaben macht (BGH NJW 15, 1827 [BGH 29.04.2015 - XII ZB 214/14] Rz 18; Frankf 13.11.15 – 4 WF 198/15; Schles 9.6.16 – 10 VA 3/16; vgl § 117 II 2), es sei denn, es besteht ein materiell-rechtlicher Auskunftsanspruch (Hamm NJW 20, 3181 [OLG Hamm 12.03.2020 - 15 VA 50/19] Rz 15 ff.; aA BayObLG 3.12.19 – 1 VA 101/19 Rz 2 f). Per Telefaxkopie eingereichte Schriftsätze gehören erst zu den Prozessakten, wenn sie gem § 3 AktO mit der Akte vereinigt worden sind (Schlesw 28.11.08 – 5 W 44/08). Nicht zur Prozessakte gehören Gegenstände des Augenscheins oder der Begutachtung (§ 144 I 2), von den Parteien vorgelegte Beweisurkunden (§ 142; vgl Hambg WE 08, 41), von Zeugen oder Sachverständigen vorgelegte Hilfsakten und Akten anderer Gerichte und Behörden, die beigezogen wurden. IdR liegt bei beigezogenen Akten in der Übersendung das Einverständnis der Behörde bzw des anderen Gerichts (BeckOKZPO/Bacher Rz 11; St/J/Thole Rz 48; s.a. Rn 1). Die übersendende Behörde kann die Einsicht der Prozessparteien in die übersandte Akte teilweise oder ganz beschränken (BGH NJW 52, 305, 306; (Frankf 21.9.21 – 20 VA 14/18). Diese Gegenstände dürfen aber wegen des Rechts auf rechtliches Gehör der Parteien nur zur Entscheidungsfindung herangezogen werden, wenn die Parteien sie zur Kenntnis nehmen konnten (BVerfG NJW 14, 1581 Rz 29; BGH aaO; Karlsr 19.9.12 – 13 W 90/12). Im Ergebnis besteht in der Praxis das Einsichtsrecht analog § 299 I in Originalurkunden, soweit diese im Prozess verwendet werden (Brandbg 29.6.21 – 12 W 20/21 Rz 11; Dresd 21.12.21 – 4 W 890/21 Rz 4; Schlesw SchlHA 08, 27). Entsprechendes gilt auch – auch wegen § 357 – für Augenscheinsobjekte, wie Licht- oder Röntgenbilder, soweit sie zur Entscheidungsgrundlage werden können, zB in Verbindung mit einem Sachverständigengutachten (Schlesw aaO).
Rn 5
Bloße Entwürfe gerichtlicher Entscheidungen und die sonst in Abs 4 genannten Schriftstücke sind nur innere Vorgänge des Gerichts. Entspr gilt für von Referendaren für das Gericht gefertigte Gutachten (Celle 2.2.12 – 4 W 17/12) oder sonstige Aufzeichnungen, die der Richter im Rahmen seiner Entscheidungsfindung für sich anfertigt (Frankf NJW 07, 928). Insoweit besteht auch kein Recht der Parteien zur Stellungnahme. Gerichtsinterne Aufzeichnungen, die versehentlich zu den Akten kommen, werden dadurch nicht Aktenbestandteil.