Prof. Dr. Christoph Thole
a) Haupt- und Hilfsantrag.
Rn 15
Nach hM kann der Hauptantrag durch Teilurteil abgewiesen werden und das Verfahren über den Hilfsantrag mit weiterem Teilurteil beendet werden (BGHZ 56, 79, 80; BGH NJW 95, 2361; NJW-RR 14, 979 Rz 12); die Entscheidung über den Hilfsantrag kann auch zurückgestellt werden (BGH NJW-RR 14, 979 [BGH 08.05.2014 - VII ZR 199/13] Rz 12; BeckRS 22, 11646 Rz 8). Anders soll es nur sein, wenn zwei selbstständig nebeneinander stehende Klagegründe zugleich wechselseitig im Eventualverhältnis geltend gemacht werden (BGH NJW 95, 2361). Tatsächlich steht die Entscheidung über den Hilfsantrag unter der innerprozessualen aufschiebenden Bedingung der rechtskräftigen Abweisung des Hauptantrags. Wird das erste abweisende Urt im Instanzenzug aufgehoben, besteht prozessuale Widersprüchlichkeit zu dem (stattgebenden) Urt über den Hilfsantrag, je nach Fallgestaltung auch inhaltliche Divergenz. Retten lässt sich die Widerspruchsfreiheit nur durch die Annahme, das über den Hilfsantrag entscheidende Urt sei in seiner Wirksamkeit von dem Eintritt der Rechtskraft des Teilurteils über den Hauptantrag abhängig (BGH NJW 95, 2361 [BGH 12.05.1995 - V ZR 34/94]). Aber ein bedingtes Endurteil über den Hilfsantrag ist schon ein Widerspruch in sich und birgt vollstreckungsrechtliche Unklarheiten. Umgekehrt darf vor Erledigung des Hauptantrags kein Teilurteil über den Hilfsantrag ergehen. Bei einem einheitlichen Antrag mit verschiedenen selbstständigen Lebenssachverhalten, die zugleich wechselseitig im Eventualverhältnis geltend gemacht werden (denkbar zB bei Zahlungsklage aus Kauf und/oder Wechsel), darf ebenfalls nicht durch Teilurteil entschieden werden (BGH NJW 92, 2080, 2081 [BGH 13.02.1992 - III ZR 28/90]).
b) Widerklage (Abs 1 S 1 Var 3).
Rn 16
Im Fall eines Rechtsstreits mit Klage und Widerklage ist der Erlass des Teilurteils nur über die Klage oder nur über die (Zwischenfeststellungs-)Widerklage oder jeweils über einen Teil des zugehörigen Streitgegenstands grds zulässig (BGH NJW 87, 441 [BGH 29.10.1986 - IVb ZR 88/85]). Unzulässig ist das Teilurteil, wenn Klage und Widerklage denselben Sachverhalt betreffen und sich die jeweilige rechtliche Beurteilung gegenseitig ausschließen bzw die zu lösenden Fragen sich gleichen. Daher darf im Rechtsstreit über den Werklohnanspruch kein Teilurteil über die Widerklage auf Schadensersatz ergehen, wenn sowohl für die Klage als auch für die Widerklage über die streitige Frage der Abnahme zu entscheiden ist (BGH NJW 97, 453, 455; generell BGHZ 173, 328, 333 Rz 18 mwN); entsprechend bei Schadensersatzklage des Mieters und Widerklage auf Zahlung restlicher Miete (BGH NJW 09, 1824 Rz 7 f; Anders/Gehle/Hunke ZPO § 301 Rz 31). Bei einer Klage auf Feststellung der Wirksamkeit einer Mieterkündigung und Widerklage des Vermieters auf Mietzahlung ist ein Teilurteil unzulässig (BGH NJW 09, 1824 [BGH 21.01.2009 - XII ZR 21/07]). Das Gleiche gilt generell, wenn beide Klagen von derselben Vorfrage abhängen, sodass über die Widerklage kein Teilgrundurteil ergehen kann, wenn es hinsichtlich der Klage nicht erlassen werden kann (BGH NJW-RR 05, 22 [BGH 22.07.2004 - VII ZR 232/01]). Hängt die Entscheidung über eine Räumungs- und Zahlungsklage und eine Hilfswiderklage auf Rückzahlung der wegen vorhandener Mängel zuviel gezahlten Miete von der Vorfrage ab, ob die Minderung ausgeschlossen ist, besteht iSd § 301 die Gefahr widersprechender Entscheidungen, wenn das Erstgericht über die Räumungs- und Zahlungsklage durch Teilurteil entscheidet und zur Widerklage wegen der behaupteten Mängel Beweis erhebt (Ddorf NJOZ 09, 2002, 2003). Die Entscheidung über eine inzidente Feststellungswiderklage ist vor Erlass eines Teilurteils zu treffen (München MDR 57, 425). Ergeht ein Zwischenfeststellungsurteil über Vorfragen, kann dadurch die Gefahr eines Widerspruchs beseitigt werden (BGH NZBau 12, 440 Rz 11; NJW-RR 12, 849, 850 [BGH 26.04.2012 - VII ZR 25/11] Rz 13; 03, 303). Über Klage und Hilfswiderklage muss einheitlich entschieden werden, wenn für beide Klagen die Frage der Wirksamkeit eines Vertragsverhältnisses von anspruchsbegründender Relevanz ist (München OLGR München 04, 67, 68). Erst recht kann kein Teilurteil ergehen, wenn Klage und Widerklage gegenläufig auf Einwilligung in die Auszahlung eines hinterlegten Betrags gerichtet sind (BGH NJW-RR 92, 1339, 1340). Das gilt wegen der Divergenzgefahr im Rechtsmittelzug auch bei einem Teilurteil, das eines der beiden Begehren abweist. Ferner lässt es die Gefahr der Widersprüchlichkeit nicht zu, über eine Widerklage durch Teilurteil zu entscheiden, wenn vom Widerbeklagten ggü der Widerklageforderung mit einem Teil der Klageforderung die Aufrechnung erklärt ist und wenn die Entscheidung über die Widerklage von dieser Aufrechnung abhängt (BGH NJW-RR 94, 379, 380; Frankf OLGR Frankf 05, 509; vgl auch BGHZ 173, 328, 333 Rz 20). Wird dagegen umgekehrt vom Widerkläger hilfsweise gegen die Klageforderung aufgerechnet, soll es der Zulässigkeit eines Teilurteils über die Widerklage nicht schaden, wenn mit der Widerklage diese...