Rn 16

Im Fall eines Rechtsstreits mit Klage und Widerklage ist der Erlass des Teilurteils nur über die Klage oder nur über die (Zwischenfeststellungs-)Widerklage oder jeweils über einen Teil des zugehörigen Streitgegenstands grds zulässig (BGH NJW 87, 441 [BGH 29.10.1986 - IVb ZR 88/85]). Unzulässig ist das Teilurteil, wenn Klage und Widerklage denselben Sachverhalt betreffen und sich die jeweilige rechtliche Beurteilung gegenseitig ausschließen bzw die zu lösenden Fragen sich gleichen. Daher darf im Rechtsstreit über den Werklohnanspruch kein Teilurteil über die Widerklage auf Schadensersatz ergehen, wenn sowohl für die Klage als auch für die Widerklage über die streitige Frage der Abnahme zu entscheiden ist (BGH NJW 97, 453, 455; generell BGHZ 173, 328, 333 Rz 18 mwN); entsprechend bei Schadensersatzklage des Mieters und Widerklage auf Zahlung restlicher Miete (BGH NJW 09, 1824 Rz 7 f; Anders/Gehle/Hunke ZPO § 301 Rz 31). Bei einer Klage auf Feststellung der Wirksamkeit einer Mieterkündigung und Widerklage des Vermieters auf Mietzahlung ist ein Teilurteil unzulässig (BGH NJW 09, 1824 [BGH 21.01.2009 - XII ZR 21/07]). Das Gleiche gilt generell, wenn beide Klagen von derselben Vorfrage abhängen, sodass über die Widerklage kein Teilgrundurteil ergehen kann, wenn es hinsichtlich der Klage nicht erlassen werden kann (BGH NJW-RR 05, 22 [BGH 22.07.2004 - VII ZR 232/01]). Hängt die Entscheidung über eine Räumungs- und Zahlungsklage und eine Hilfswiderklage auf Rückzahlung der wegen vorhandener Mängel zuviel gezahlten Miete von der Vorfrage ab, ob die Minderung ausgeschlossen ist, besteht iSd § 301 die Gefahr widersprechender Entscheidungen, wenn das Erstgericht über die Räumungs- und Zahlungsklage durch Teilurteil entscheidet und zur Widerklage wegen der behaupteten Mängel Beweis erhebt (Ddorf NJOZ 09, 2002, 2003). Die Entscheidung über eine inzidente Feststellungswiderklage ist vor Erlass eines Teilurteils zu treffen (München MDR 57, 425). Ergeht ein Zwischenfeststellungsurteil über Vorfragen, kann dadurch die Gefahr eines Widerspruchs beseitigt werden (BGH NZBau 12, 440 [BGH 26.04.2012 - VII ZR 25/11] Rz 11; NJW-RR 03, 303 [BGH 28.11.2002 - VII ZR 270/01]). Über Klage und Hilfswiderklage muss einheitlich entschieden werden, wenn für beide Klagen die Frage der Wirksamkeit eines Vertragsverhältnisses von anspruchsbegründender Relevanz ist (München OLGR München 04, 67, 68). Erst recht kann kein Teilurteil ergehen, wenn Klage und Widerklage gegenläufig auf Einwilligung in die Auszahlung eines hinterlegten Betrags gerichtet sind (BGH NJW-RR 92, 1339, 1340). Das gilt wegen der Divergenzgefahr im Rechtsmittelzug auch bei einem Teilurteil, das eines der beiden Begehren abweist. Ferner lässt es die Gefahr der Widersprüchlichkeit nicht zu, über eine Widerklage durch Teilurteil zu entscheiden, wenn vom Widerbeklagten ggü der Widerklageforderung mit einem Teil der Klageforderung die Aufrechnung erklärt ist und wenn die Entscheidung über die Widerklage von dieser Aufrechnung abhängt (BGH NJW-RR 94, 379, 380; Frankf OLGR Frankf 05, 509; vgl auch BGHZ 173, 328, 333 Rz 20). Wird dagegen umgekehrt vom Widerkläger hilfsweise gegen die Klageforderung aufgerechnet, soll es der Zulässigkeit eines Teilurteils über die Widerklage nicht schaden, wenn mit der Widerklage dieselbe Gegenforderung geltend gemacht wird; nur Klageforderung und Hilfsaufrechnung stehen sich in einem Eventualverhältnis ggü (BGH WM 71, 1366, 1367). Bei Klage und Drittwiderklage auf Schadensersatz wegen Vermögensdelikten ist ein Teilurteil unzulässig, da andernfalls im Berufungsverfahren ein unterschiedliches Beweisergebnis bzgl derselben Tatsachenfragen möglich ist (Hamm BeckRS 15, 15084 Rz 40). Ein Teilurteil über eine Anfechtungsklage nach AnfG darf ergehen, wenn der Anfechtungsbeklagte Ansprüche sowohl zum Gegenstand einer Hilfsaufrechnung als auch einer Widerklage macht, die Hilfsaufrechnung aber prozessual unbeachtlich ist (BGHZ 173, 328, 335 Rz 26). Zur Stufenwiderklage oben Rn 5.

Bei possessorischer Besitzklage (zB §§ 861 f BGB) mit petitorischer Widerklage (zB §§ 985, 1007 BGB) kann bei gleichzeitiger Endentscheidungsreife durch Endurteil iSd § 300 die Klage abgewiesen und auf Widerklage zugesprochen werden (Analogie zu § 864 II BGB; krit PWW/Prütting § 861 Rz 7). Andernfalls ist der meist früher entscheidungsreifen possessorischen Klage durch Teilurteil Rechnung zu tragen (BGHZ 53, 166, 169f); das stattgebende Schlussurteil über die petitorische Widerklage hebt das Teilurteil aber nicht auf. Vollstreckungsrechtliche Probleme stellen sich idR nicht, da die Widerklage auf bloße Feststellung, nicht auf Herausgabe gerichtet ist.

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