Prof. Dr. Christoph Thole
Rn 2
Die Vorschrift unterscheidet drei Ausgangssituationen, namentlich eine Mehrheit von Streitgegenständen im Falle der objektiven oder subjektiven Klagenhäufung (Abs 1 S 1 Var 1), den Fall von Klage und Widerklage (Abs 1 S 1 Var 3) sowie das Teilurteil über einen Teil eines einzigen Streitgegenstands (Abs 1 S 1 Var 2). Diese Varianten sind sauber auseinanderzuhalten. (Nur) im letzteren Fall eines einheitlichen Anspruchs kann der Erlass eines eigentlich unzulässigen Teilurteils gleichwohl gestattet sein, wenn es bei einem Streit über Grund und Höhe des Anspruchs mit einem Grundurteil verbunden wird (Abs 1 S 2, vgl BGH NJW 04, 1662, 1664 f [BGH 28.11.2003 - V ZR 123/03]), näher Rn 17. Abs 1 S 2 ist erst durch Gesetz vom 30.3.00 (BGBl I 330) eingeführt worden; das ist bei der Interpretation früherer Rspr zu beachten. ›Anspruch‹ in § 301 meint wie auch sonst nicht die materiell-rechtliche Anspruchsgrundlage, sondern den Streitgegenstand (Rn 5). Im Fall des § 300 II scheidet ein Teilurteil aus (§ 300 Rn 6).
Rn 3
Ob es eine ungeschriebene eigenständige Voraussetzung der Unabhängigkeit des Teilurteils von der Schlussentscheidung bzw der Widerspruchsfreiheit von Teil- und Schlussurteil gibt, ist umstr (dafür Hamm NJW-RR 89, 827, 828; Prütting/Weth ZZP 98, 131, 145; R/S/G § 59 Rz 19; dagegen Musielak FS Lüke 97, 561, 568 ff). Der BGH äußert sich nicht eindeutig (vgl zB BGH NJW-RR 92, 1053 [BGH 27.05.1992 - IV ZR 42/91]: Entscheidungsreife; NJW 97, 1709, 1710 [BGH 04.02.1997 - VI ZR 69/96]: Gefahr widersprechender Entscheidungen; NJW 00, 1405, 1406 [BGH 28.01.2000 - V ZR 402/98]; NJW-RR 20, 956, 957 [BGH 01.07.2020 - VIII ZR 323/18] Rz 18). Tatsächlich kann die mit diesem Merkmal verbundene sachliche Vorgabe in der Mehrzahl der Fälle über die weiteren Voraussetzungen der Entscheidungsreife und der Teilbarkeit aufgefangen werden. Wenn das weitere Verfahren über den Rest nach Maßgabe einer prognostischen Einschätzung noch auf die Entscheidung über den zu erledigenden Teil Einfluss nehmen könnte, fehlt es bereits an einer Voraussetzung für den Erlass einer abschließenden Endentscheidung über diesen Teil. Dass die Widersprüchlichkeit von einem nach mündlicher Verhandlung eintretenden künftigen Ereignis (Schlussurteil) droht (so Prütting/Weth ZZP 98, 131, 145 f), besagt für ein eigenständiges Gebot der Widerspruchsfreiheit argumentativ wenig, da die Prognose über den Eintritt des späteren Ereignisses im Erlasszeitpunkt anzustellen ist. Gleichwohl ist an der Widerspruchsfreiheit als einer ungeschriebenen Voraussetzung festzuhalten, um es für besondere Prozesslagen vorzuhalten, in denen das Merkmal der Entscheidungsreife nicht ausreicht (dazu Prütting ZZP 94, 103, 105 f). Insbesondere wird durch ein eigenständiges Merkmal die vom Gericht vorzunehmende Prüfung eindringlicher herausgestellt.