Rn 9

Das Teilurteil ist unzulässig, wenn es davon abhängig ist, wie über den restlichen Streitgegenstand entschieden wird (BGH NJW 04, 1452 [BGH 25.11.2003 - VI ZR 8/03]). Zu praktisch bedeutsamen Ausnahmen oben Rn 5. Zur Heilung durch Rechtskraft unten Rn 21. Im umgekehrten Fall ist das Teilurteil grds möglich; das Teilurteil darf also über eine für das Schlussurteil präjudizielle Frage entscheiden. Das tw mit Rn 4 deckungsgleiche Merkmal der Widerspruchsfreiheit verlangt, dass (ggf trotz grundsätzlicher Teilbarkeit des Streitgegenstands BGH NZBau 13, 565 Rz 12) der Ausgang des Rest-Verfahrens den durch Teilurteil zu erledigenden Teil unter keinen Umständen mehr beeinflussen darf; eine bloße Klärung einer abstrakten Rechtsfrage, die dem Teilurteil lediglich den Charakter einer Musterentscheidung gibt, schafft aber keine Abhängigkeit des Teil- vom Schlussurteil (BGH NJW 04, 1662, 1665 [BGH 28.11.2003 - V ZR 123/03] für subjektive Klagenhäufung). Im Übrigen ist aber die Gefahr der Widersprüchlichkeit im weitesten Sinne gemeint (BGH NJW 16, 2662 [BGH 12.04.2016 - XI ZR 305/14] Rz 28 f; NJW 12, 844 [BGH 11.01.2012 - XII ZR 40/10] Rz 19; NZBau 13, 565 [BGH 20.06.2013 - VII ZR 103/12] Rz 12: Mehrvergütungsanspruch wegen Leistungsänderung; grds auch BAG NZA 22, 1146 [BAG 23.02.2022 - 4 AZR 250/21] Rz 11). Die Widerspruchsfreiheit bezieht sich nicht allein auf Fragen der Rechtskraft (Frankf GRUR-RR 05, 69, LS; Zö/Feskorn Rz 12), denn Rechtskraftkonflikte ergeben sich wegen der Teilbarkeit des Streitgegenstands und der eigenständigen Wirkung des Teilurteils idR gerade nicht. Gleichheit von ›Urteilselementen‹ genügt (BGH NJW 11, 2736 [BGH 11.05.2011 - VIII ZR 42/10] Rz 13; GRUR 15, 1201 [BGH 23.09.2015 - I ZR 78/14] Rz 26). Die Entscheidung über den gebliebenen Streitgegenstand darf nicht präjudiziell für den erledigten Teil sein (BGH NJW 97, 453, 454 f [BGH 26.09.1996 - X ZR 48/95]; BAG NZA 06, 1062, 1063 [BAG 23.03.2005 - 4 AZR 243/04]: Anwendbarkeit eines Tarifvertrags). Die Gefahr der Widersprüchlichkeit kann auch bei Streitgenossenschaften bestehen, etwa wenn das Teilurteil im Arzthaftungsprozess nur einzelne der potenziell verantwortlichen Streitgenossen erfassen soll (Karlsr NJW-RR 05, 798 [OLG Karlsruhe 08.12.2004 - 7 U 163/03]); ebenso bei Beteiligung an einer Schlägerei (Kobl NJW-RR 11, 315f [OLG Koblenz 01.09.2010 - 2 U 1215/09]) oder gesamtschuldnerischer Haftung von Kraftfahrzeugführer und Halter (Celle BeckRS 20, 32642). Wenn Klagen eines Gesellschafters auf Feststellung der Nichtigkeit (entspr § 249 Abs 1 AktG) mit allgemeinen Feststellungsklagen von Nichtgesellschaftern (§ 256) verbunden sind, besteht die Gefahr von Widersprüchen, wenn in einem Teilurteil nur über die allgemeine Feststellungsklage von Nichtgesellschaftern entschieden wird (BGH ZIP 08, 2215 Rz 8). Ebenso kein Teilurteil über die Anfechtungsklage eines von mehreren Klägern gegen WEG-Beschlüsse (LG Frankfurt ZWE 19, 290).

 

Rn 10

Der BGH will auch den Fall der Widersprüchlichkeit infolge abweichender Beurteilung durch das Rechtsmittelgericht einbeziehen (stRspr BGH NJW 09, 2814, 2815 [BGH 22.07.2009 - XII ZR 77/06]; NJW 00, 958, 960 [BGH 27.10.1999 - VIII ZR 184/98]; NJW 16, 2662 [BGH 12.04.2016 - XI ZR 305/14] Rz 29 bestr). Es reicht also nicht, wenn das erstinstanzliche Gericht sich zum Zeitpunkt des Erlasses des Teilurteils darüber klar wird, welchen Inhalt das Schlussurteil gerade nach seiner Rechts- und Tatsachenauffassung haben wird. An diesem Grundsatz ist festzuhalten. Maßgebend ist die Widerspruchsfreiheit im Hinblick auf den gesamten Streitgegenstand und nicht bloß die Vereinbarkeit von denkbaren Entscheidungsinhalten in einer bestimmten Richtung. Daher zB auch kein Teilurteil über unstreitige Schlussrechnungspositionen einschließlich Umsatzsteuer, wenn die streitige Frage der Umsatzsteuerpflicht auch für den nicht entschiedenen Teil des Werklohnanspruchs relevant ist (Köln IBR 16, 673 [OLG Köln 06.07.2016 - 16 U 159/15]). Ein Teilurteil über ein Anschlussrechtsmittel ist auch bei Entscheidungsreife unzulässig, da das Rechtsmittel durch Zurücknahme oder Verwerfung des Hauptrechtsmittels seine Wirkung verlieren kann (BGHZ 20, 311, 312). Anders ist es nur, wenn über das Hauptrechtsmittel bereits entschieden wurde.

 

Rn 11

Die Gefahr der Widersprüchlichkeit besteht va bei einheitlichem Anspruch (Abs 1 S 1 Var 2). Durch ein gleichzeitiges Grundurteil nach Abs 1 S 2 (Rn 17) wird die Gefahr der Widersprüchlichkeit neutralisiert. Bei mehreren Streitgegenständen (Abs 1 S 1 Var 1) kann das Teilurteil trotz der prozessualen Selbstständigkeit der einzelnen Streitgegenstände vom Schlussurteil abhängig sein, wenn eine materiell-rechtliche Verzahnung besteht (BGH NJW 94, 932 [BGH 11.01.1994 - VI ZR 41/93]; 04, 1662, 1664f [BGH 28.11.2003 - V ZR 123/03]) oder die Ansprüche prozessual in ein Abhängigkeitsverhältnis gestellt sind (BGH NJW 00, 958, 960 [BGH 27.10.1999 - VIII ZR 184/98]; MDR 11, 935 Rz 14, Stuttg BeckRS 18, 35403); ebenso bei objektiver...

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