Prof. Dr. Christoph Thole
Rn 15
Abs 4 S 3 gehört zu den materiell-rechtlichen Vorschriften in der ZPO. Die Schadensersatzpflicht ähnelt §§ 717 II, III, 945 und gehört zur ›Haftung für schädigende Rechtsverfolgung‹. Es handelt sich um eine Gefährdungs-/Risikohaftung ohne das Erfordernis eines Verschuldens (RGZ 91, 195, 203; zu § 945 BGH NJW 90, 2689 f [BGH 22.03.1990 - IX ZR 23/89]). Aktivlegitimiert ist der Beklagte, ggf auch ein Prozessbürge, wenn er zur Abwendung der Vollstreckung gezahlt hat (BGH NJW 97, 2601, 2602 [BGH 03.07.1997 - IX ZR 122/96]); passivlegitimiert ist der Kl. Abs 4 S 3 meint nur die Aufhebung des Vorbehaltsurteils im Nachverfahren. Bei einer Aufhebung im Instanzenzug gilt § 717 II. Der Anspruch nach Abs 4 S 3 entsteht aufschiebend bedingt mit der Verkündung des Schlussurteils (St/J/Althammer Rz 42), nicht erst mit dem Vollstreckungsantrag, Pfändung oder Versteigerung/Einziehung (Anders/Gehle/Hunke ZPO Rz 17: ›Beitreibung‹). Der Anspruch setzt voraus: 1. die (Teil-)Aufhebung des Vorbehaltsurteils und die Abweisung der Klage im Nachverfahren. Abs 4 S 3 gilt anders als bei § 717 III auch für das von einem OLG erlassene Vorbehaltsurteil, da der Kl auch in diesem Fall mit der Aufhebung rechnen muss (R/S/G § 59 Rz 86). 2. Vollstreckung des Klägers aus dem Vorbehaltsurteil bzw eine Leistung des Beklagten zur Abwendung der Beitreibung. 3. Kausal verursachter Schaden. Die Ersatzpflicht umfasst nicht nur den eigentlichen Gegenstand der Vollstreckung (zB Wert der versteigerten Sache), sondern auch Folgeschäden (zB Produktionsausfall infolge Verlust der Sache) sowie immateriellen Schaden bei nach § 901 erlittener Haft (§ 253 II BGB). Eine entsprechende Anwendung des § 302 IV bei einstweiligen Anordnungen wird diskutiert (näher § 717 Rn 6).
Rn 16
Der Anspruch kann durch einen neuen Prozess oder Widerklage geltend gemacht werden. Die Rechtshängigkeit ergibt sich dann nach den allgemeinen Regeln, nicht nach Abs 4 S 4 aE (vgl RGZ 63, 367, 369). Abs 4 S 4 lässt die Geltendmachung durch Inzidentantrag im anhängigen Rechtsstreit zu. Das macht nur Sinn, weil das aufhebende Urt nicht rechtskräftig geworden sein muss (St/J/Münzberg § 717 Rz 28), die Anhängigkeit des Nachverfahrens also trotz Aufhebung des Vorbehaltsurteils noch fortdauern kann. Die Rechtshängigkeit des Inzidentantrags wirkt auf die Zeit der Zahlung oder Leistung zurück, Abs 4 S 4. Bei Aufrechnung mit rechtswegfremder Forderung wird der Inzidentantrag nicht vor den Gerichten gestellt, die über die rechtswegfremde Forderung entscheiden, denn das ›Nachverfahren‹ ist hier allein das ausgesetzte Ausgangsverfahren. Solange die Aussetzung fortdauert, ist über den Antrag nicht zu entscheiden. Im Anwendungsbereich der EuGVO gehen Art 4 und Art 7 Nr 2 EuGVO – anders als für die Aufrechnung selbst – vor; Art 24 Nr 5 EuGVO greift aber für den Anspruch aus § 302 IV nicht (vgl Hamm NJW-RR 01, 1575).