Prof. Dr. Christoph Thole
Rn 17
Bei objektiver Klagenhäufung ist der Erlass des Grundurteils unproblematisch, wenn das Gericht alle streitgegenständlichen Ansprüche für gerechtfertigt erachtet; ohne diese Feststellung kann kein Grundurteil über den gesamten, geltend gemachten Anspruch ergehen (BGH NJW-RR 04, 1034 [BGH 29.01.2004 - I ZR 162/01]). Möglich ist auch ein Teil-Grundurteil bzgl einzelner Streitgegenstände, auch wenn die übrigen Streitgegenstände noch nicht entscheidungsreif sind, denn die Zusammenfassung mehrerer Anträge und Lebenssachverhalte in einer Klage ändert an ihrer Eigenständigkeit untereinander nichts (offen BGH NJW-RR 92, 1053 [BGH 27.05.1992 - IV ZR 42/91] mwN zum Streitstand). Allerdings sind für das Teil-Grundurteil die Voraussetzungen des § 301 zu beachten, also die Unabhängigkeit des entschiedenen Teils von den verbleibenden Streitgegenständen zu verlangen. Sind einzelne Anträge abweisungsreif, können sie durch ein mit dem Grundurteil verbundenes (Teil-)Endurteil abgewiesen werden. Auch bei einer Teilklage ist eine Vorabentscheidung über den Grund (§ 304) möglich, weil der Streitgegenstand quantitativ umgrenzt ist (BGH NJW 93, 1779, 1782). Setzt sich der Gesamtanspruch aus mehreren selbstständigen Forderungen zusammen, die in einer bestimmten Reihenfolge der Teilklage zugrunde gelegt werden, und sind einzelne Forderungen schlechthin – auch dem Grunde nach – unbegründet, so kann ein Grundurteil ergehen, sofern zu erwarten ist, dass dem Kl jedenfalls auf die anderen Forderungen im Nachverfahren ein Betrag zuzusprechen sein wird (BGH aaO mN). Bei einer kumulativ auf mehrere gleichartige, aber rechtlich selbstständige Verträge gestützten, zusammengesetzten Forderung ist der Erlass eines Grundurteils zulässig, das lediglich Einwendungen abschließend klärt, die alle Verträge betreffen, wie etwa den Einwand der Arglist oder die Verjährungseinrede (BGHZ 108, 256, 259 = NJW 89, 2745). Über Hilfsanträge darf durch Grundurteil erst entschieden werden, wenn der Hauptantrag durch zulässiges Teilurteil abgewiesen ist (vgl BGH NJW 98, 1140). Nicht zulässig ist es, alternativ Haupt- und Hilfsantrag durch Grundurteil dem Grunde nach für gerechtfertigt zu erklären (BGH NJW-RR 92, 290 [BGH 07.11.1991 - IX ZR 3/91]). Verbindet der Kl eine Leistungsklage auf bezifferten Schadensersatz mit einer Feststellungsklage, kann ein Grundurteil bzgl des Feststellungsantrags nicht erlassen werden, so dass ein Grund- und Teilurteil zu erlassen ist; das Teilurteil wiederum ist aber unzulässig, wenn hiermit die Gefahr einander widersprechender Entscheidungen verbunden ist (Jena BeckRS 15, 12646 Rz 14).
Rn 18
Materiell-rechtliche Anspruchskonkurrenz: Führt der Kl zur Begründung der Klage über einen einzigen Streitgegenstand mehrere materiell-rechtliche Anspruchsgrundlagen an (zB Vertrag und § 812 BGB), soll das Gericht nach verbreiteter Auffassung verpflichtet sein, im Grundurteil sämtliche Anspruchsgrundlagen zu prüfen (BGHZ 72, 34, 36; 77, 307, 309; diff MüKoZPO/Musielak Rz 29 mwN). Verschiedene Konstellationen sind indes zu unterscheiden: In einem Grundurteil darf wie in einem Endurteil die einschlägige materiell-rechtliche Anspruchsbegründung offenbleiben, wenn die in Betracht kommenden Anspruchsgrundlagen (auch hinsichtlich des Betrags) zum selben Ergebnis führen. Ist der Klageanspruch bereits nach einer Anspruchsgrundlage voll gerechtfertigt, muss auf die anderen Anspruchsgrundlagen nicht mehr eingegangen werden (zB bei Bejahung von § 826 BGB keine insoweit redundante Prüfung von § 823 BGB) (BGHZ 72, 34, 36). Kann die Klage jedoch nur auf einer materiell-rechtlichen Anspruchsgrundlage zu einem vollen Erfolg führen (zB § 823 BGB bei einer Produkthaftungsklage wegen Haftungsbegrenzungen in §§ 10 f ProdHG), dann ist das Grundurteil jedenfalls zulässig, wenn das Gericht die weitergehende Anspruchsgrundlage prüft und für einschlägig erachtet. Ist der weitergehende Anspruch nicht begründet, soll ein Grundurteil über den weniger weitreichenden Anspruch ebenfalls zulässig sein, wenn gleichzeitig der nicht begründete Anspruch eindeutig zurückgewiesen wird. Das muss aber nicht im Tenor geschehen, da dieser grds vom materiellen Recht freizuhalten ist; es genügt Bescheidung in den Urteilsgründen (R/S/G § 59 IV 2 Rz 58; grds für Urteilstenor Zö/Feskorn Rz 23 mwN). Nach aA soll das Grundurteil in diesem Fall mit einem abweisenden Teilurteil über die weiterreichenden Ansprüche verbunden werden (St/J/Althammer Rz 47 f). Dieser Lösungsweg über § 301 I 2 ist jedoch nur bei ziffernmäßiger Bestimmbarkeit gangbar (›… abgewiesen, soweit es den Betrag von 500.000 EUR übersteigt.‹), nicht hinsichtlich einzelner Tatbestandsvoraussetzungen (also zB keine Abweisung von materiell-rechtlichen Ansprüchen, die Verschulden voraussetzen). Das Grundurteil darf nicht offenlassen, ob ein Ersatzanspruch aus § 989 BGB wegen Untergangs der Sache oder aus § 286 BGB (Verzug) folgt, da der Untergang den Verzug beendet und daher die Rechtsfolgen andere sind (Objektschaden vs Verzugsscha...