Prof. Dr. Christoph Thole
Rn 22
Das Grundurteil spaltet den Rechtsstreit. Das Grundurteil entfaltet ebenso wie sonstige Zwischenurteile Bindungswirkung für das erlassende Gericht in den Grenzen des § 318 (Celle MDR 18, 273 [BGH 24.10.2017 - VI ZR 61/17]). Hinsichtlich des Betrags bleibt das Verfahren anhängig. Meist empfiehlt es sich, mit der weiteren Verhandlung über den Betrag bis zur formellen Rechtskraft des Grundurteils abzuwarten, da sich sonst das Verfahren über den Betrag als nutzlos erweisen könnte. Nach formeller Rechtskraft des Grundurteils soll ein Termin vAw zu bestimmen sein (BGH NJW 79, 2307 [BGH 10.07.1979 - VI ZR 81/78]: bei Nichtbeachtung dieser Amtspflicht kein Nichtbetreiben der Parteien; zw). Schon vor formeller Rechtskraft kann auf Antrag (Abs 2 S 2 Hs 2) das Gericht nach seinem Ermessen die Verhandlung über den Betrag anordnen (Anders/Gehle/Hunke ZPO Rz 26; aA Celle NJW-RR 03, 788).
Die Bindungswirkung erfasst insb das Bestehen des Anspruchs und dessen Inhalt (BGH NJW-RR 14, 1118 [BGH 20.05.2014 - VI ZR 187/13] Rz 17), sodass weiteres Vorbringen dazu grds unbeachtlich ist. Zu Ausnahmen sogleich. Die Bindung erstreckt sich naturgemäß nicht auf die dem Betragsverfahren vorbehaltenen Punkte (BGH NJW 08, 436, 437 [BGH 16.11.2007 - V ZR 45/07] Rz 8; Celle NZBau 22, 596 [OLG Celle 18.05.2022 - 14 U 180/21]; zur Abgrenzung Rn 11 ff). Die Bindung hängt davon ab, dass das Gericht überhaupt bindende Feststellungen treffen will (BGH NZM 03, 372; FamRZ 09, 2075, 2076; NJW-RR 14, 1118 Rz 17). Sie soll sich auf die rechtliche Einordnung des Anspruchs erstrecken (Hamm NJW-RR 93, 693 [OLG Hamm 18.12.1992 - 26 U 141/92]). Außerdem müssen die Feststellungen im Grundurteil zulässigerweise zum Inhalt des Urteils gemacht worden sein. Ausführungen, die nur die Höhe und Berechnung des Anspruchs betreffen, binden für das Betragsverfahren nicht (BGH NJW-RR 07, 138, 139 [BGH 20.12.2005 - XI ZR 66/05]; Celle NZBau 22, 596, 597 [OLG Celle 18.05.2022 - 14 U 180/21]). Zeitlich ist die Bindung auf die letzte mündliche Verhandlung beschränkt, sodass nachträglich entstandenen Einwendungen nachzugehen ist. Vorher entstandene, der Partei aber erst nach diesem Zeitpunkt bekannt gewordene Tatsachen sind dagegen von dem Ausschluss weiteren Vorbringens zum Grund nicht ausgenommen, vgl § 767 Rn 37. Gestaltungsrechte sind nach entsprechend den zu § 767 Abs 2 geltenden Maßstäben bei zuvoriger objektiver Ausübungsmöglichkeit nach Erlass des Grundurteils gesperrt (so Frankf 30.5.12, 13 U 81/07, BeckRS 2012, 15339). Eine nachträgliche Klageerweiterung ist möglich; sie lässt aber die Bindung hinsichtlich des bereits vorher anhängigen Antrags unberührt. Bei Klageänderung mit vollständiger Auswechselung des Klagegrundes entfällt die Bindung.
Die Bindungswirkung hindert das Gericht nicht festzustellen, dass der Anspruch der Höhe nach überhaupt nicht besteht, also zB der Schaden entgegen der prognostischen Einschätzung bei Erlass des Grundurteils (Rn 14 f) gleich Null ist oder eine Einwendung die Klageforderung der Höhe nach vollständig verbraucht (RGZ 132, 16, 19 f; BGH NJW 86, 2508). Der Schaden darf aber nicht mit der Begründung verneint werden, in Wahrheit fehle es an einer (für den Schaden ursächlichen) Pflichtverletzung, denn insoweit bleibt es bei der Bindung (BGH NJW 11, 3242, 3243 Rz 21 f). Wenn die Auslegung des Urteils ergibt, dass einzelne Sachfragen zugunsten des Betragsverfahrens offenbleiben sollen, ist die Bindung insoweit eingeschränkt (BGHZ 110, 196, 204). Das gilt erst recht, wenn im Tenor des Grundurteils oder in den Entscheidungsgründen ausdrückliche Vorbehalte gemacht werden (Rn 21). Hat das Gericht eine bestimmte zum Anspruchsgrund gehörende Sachfrage übersehen bzw nicht geprüft, so kann aber allein aus diesem Umstand noch nicht der Wegfall der Bindung bzw eine eingeschränkte Bindung gefolgert werden, da die Parteien sonst ständig neue Einwendungen vorbringen könnten (in diese Richtung auch BGHZ 141, 129, 136; großzügiger aber BGH NJW 61, 1465, 1466; wie hier wohl auch St/J/Althammer Rz 64). Ebenfalls keine Bindung besteht hinsichtlich der Zulässigkeit der Klage: Also kann die Klage abgewiesen werden, wenn sich erst im Betragsverfahren das Fehlen von Sachurteilsvoraussetzungen ergibt oder herausstellt, zB Wegfall der Prozessfähigkeit (RGZ 89, 114, 119).