Prof. Dr. Christoph Thole
I. Gegenstand und Rechtsnatur des Anerkenntnisse.
Rn 2
Das Anerkenntnis bezieht sich auf den prozessualen Anspruch, wobei es keinen Unterschied macht, ob dieser auf Leistung, Gestaltung oder Feststellung (auch bei einseitiger Erledigungserklärung, Hamm NJW-RR 95, 1073 [OLG Hamm 03.11.1994 - 4 U 6/91]) gerichtet ist. Präjudizielle Rechtsverhältnisse können uU Gegenstand eines privatrechtlichen Anerkenntnisvertrags sein (vgl PWW/Buck-Heeb § 781 Rz 9 ff); um als prozessuales Anerkenntnis iSd § 307 zu qualifizieren, müssen sie iRe Zwischenfeststellungsklage zum eigenen Streitgegenstand erhoben worden sein. Die hM hält auch ein Prozessanerkenntnis über den Grund des Klageanspruchs oder unter Vorbehalt etwa einer Zug-um-Zug zu gewährenden Gegenleistung für denkbar (näher unten Rn 6); nicht aber ein Anerkenntnis einzelner materieller Ansprüche bzw Klagegründe (Baumgärtel ZZP 87, 121, 132). Außerhalb des § 307 können die Parteien das Gericht bei der Beurteilung eines präjudiziellen Rechtsverhältnisses in einem streitigen Urt binden (s.u. Rn 6 f; Wagner 610 ff; ThoPu/Reichold § 307 Rz 2; Schilken ZZP 90, 157, 177; vgl LG Leipzig NJW-RR 97, 571 [LG Leipzig 19.12.1996 - 12 S 5051/96]: vorbehaltlose Zahlung als Einwendungsverzicht bei einseitiger Erledigung); außerprozessuale Feststellungsverträge mit dem Inhalt, ein Recht anzuerkennen bzw nicht zu bestreiten, sind ungeachtet des § 307 prozessual beachtlich (BGH NJW 86, 2948, 2949 [BGH 09.07.1986 - VIII ZR 232/85]; St/J/Althammer § 307 Rz 16).
Rn 3
Bei dem Anerkenntnis iSd § 307 handelt es sich um eine einseitige prozessrechtliche Erklärung ggü dem Gericht (zuletzt BSG NZS 15, 594 RzRz 11; LG Frankf BeckRS 2014, 04822 = WuM 14, 366 = ZMR 14, 476). Eine prozessuale und materiell-rechtliche Doppelnatur kommt der Erklärung nicht zu. Das gilt selbst dann, wenn sie realiter mit einem Angebot zum Abschluss eines Schuldanerkenntnisvertrags zusammenfallen mag (BGHZ 80, 389, 391). Materiell-rechtliche Willenserklärung und Prozesserklärung sind unabhängig voneinander zu beurteilen. Die Wirksamkeit des Anerkenntnisses iSd § 307 setzt das Vorliegen der Prozesshandlungsvoraussetzungen, nicht aber die für ein materielles Rechtsgeschäft geltenden Gültigkeitserfordernisse voraus (krit und bedenkenswert Stamm ZZP 127[14], 125, 127).
II. Anforderungen im Einzelnen.
1. Einseitige Erklärung.
Rn 4
Die Erklärung kann vom Beklagten und/oder Widerbeklagten ausgehen; ›anerkennt‹ der Berufungsbeklagte den Rechtsmittelantrag, so kann es sich je nach Parteistellung und nach dem Ergebnis der Auslegung um einen Verzicht iSd § 306 oder um eine entsprechend § 307 zu beurteilende Situation handeln (Stuttg NZG 04, 766, 767 [OLG Stuttgart 05.05.2004 - 14 U 54/03]; dazu § 306 Rn 2; aA Zö/Feskorn Rz 12: kein Anerkenntnis). Als einseitige Erklärung ist das Anerkenntnis auch bei Säumnis des Gegners gültig. Das Anerkenntnis muss ggü dem Gericht nicht ausdrücklich erfolgen, es genügt, wenn sich der Wille des Beklagten ableiten lässt, sich dem Klageanspruch zu unterwerfen und die Rechtsfolgebehauptung des Klägers als begründet anzuerkennen. Das Gericht hat ggf nachzuforschen (§ 139). Schweigen oder außerprozessuales Verhalten genügen für ein Anerkenntnis nicht (BGH NJW 81, 686). Hat der Beklagte außerprozessual erfüllt und der Kl einseitig für erledigt erklärt, so muss Feststellungsurteil und kein Anerkenntnisurteil entsprechend § 307 ergehen (BGH aaO; LG Leipzig NJW-RR 97, 571 [LG Leipzig 19.12.1996 - 12 S 5051/96]; gegen Anerkenntnis durch vorbehaltlose Zahlung LG Wiesbaden ZfS 16, 446). Ebenso wenig reicht es aus, wenn der Beklagte sein Einverständnis mit einem prozessualen Verhalten des Klägers zum Ausdruck bringt (zB Zustimmung zur Erledigungserklärung). Die Erklärung muss den Willen erkennen lassen, das Gericht von der weiteren Sachprüfung zu entbinden; zum eingeschränkten Anerkenntnis sogleich unten Rn 6. Im Anwaltsprozess hat der Prozessbevollmächtigte die Erklärung abzugeben (zur Vollmacht §§ 81, 83, s dort § 81 Rn 5). Ein Anerkenntnis eines Prozessbevollmächtigten beim BGH ist trotz dessen fehlender Zulassung wirksam, wenn es vor Eingang der Revisionsbegründung erfolgt (BGH NJW-RR 14, 831, 832 [BGH 06.05.2014 - X ZR 11/14]). Nach Eingang der Revisionsbegründung kann das Anerkenntnis hingegen nur noch durch einen beim BGH zugelassenen Rechtsanwalt wirksam erklärt werden (BGH NJW 15, 2193, 2194 [BGH 12.05.2015 - XI ZR 397/14]). Im amtsgerichtlichen Verfahren ist der Beklagte über die Folgen eines schriftlichen Anerkenntnisses zu belehren (§ 499 II).
2. Zeitpunkt und Adressat der Erklärung.
Rn 5
Das Anerkenntnis kann vor dem Erlass der Entscheidung in jeder Lage des Verfahrens erfolgen, auch in der Revisionsinstanz (BGHZ 10, 333, 334; NJW-RR 14, 831 Rz 6 ff). Zwischen den Instanzen verhindert die Bindung des erlassenden Gerichts an das streitige Urt eine neue Entscheidung, daher kann das Anerkenntnis erst in der höheren Instanz bei (Teil-)Aufhebung des Ausgangsurteils Wirkungen entfalten. Die Abgabe in der mündlichen Verhandlung ist nicht mehr erforderlich (S 2). Demnach kann das Anerkenntnis in der Güteverhandlung (§ 278), in der mündlichen Verhandlu...