Prof. Dr. Christoph Thole
Rn 8
Abs 1 verbietet nicht die Zuerkennung eines Weniger (Minus) ggü dem Antrag, wenn und soweit die zuerkannte Rechtsfolge in dem gestellten Sachantrag enthalten ist (umfassend Musielak FS Schwab, 349, 352 f). Die Klage ist dann ›im Übrigen‹ abzuweisen. Über einen Hilfsantrag darf erst entschieden werden, wenn der Hauptantrag erfolglos bleibt. Scheitert eine Stufenklage auf der ersten Stufe, so ist die gesamte Klage abzuweisen, ungeachtet dessen, dass die Anträge der Parteien auf zweiter oder dritter Stufe noch nicht gestellt sind – mit Abs 1 hat das nichts zu tun. Ist eine erhobene Leistungsklage unbegründet, entspricht aber der Erlass eines Feststellungsurteils dem Interesse der klagenden Partei, so kann das Gericht die Feststellung auch ohne ausdrückliche hilfsweise Geltendmachung eines Feststellungsantrags aussprechen (BGH NJW 84, 2295, 2296 [BGH 31.01.1984 - VI ZR 150/82]). Der Hinweis des BGH auf ein objektives Interesse am Feststellungsurteil ist indes unter Abs 1 missverständlich, denn entscheidend ist allein der nach außen erkennbare Wille des Antragstellers (Rn 3). Das Hineinlesen des Feststellungsbegehrens in den Leistungsantrag kann in der Berufungsinstanz stets nur in dem Umfang erfolgen, der noch im Streit ist (Dunz NJW 84, 2296 [BGH 06.10.1983 - III ZR 109/82]). Bei aktienrechtlichen Beschlussmängelklagen erfasst der Antrag auf Feststellung der Nichtigkeit die Nichtigerklärung, umgekehrt der Antrag auf Nichtigerklärung die Nichtigkeitsfeststellung (BGH DNotZ 21, 456 [BGH 26.01.2021 - II ZR 391/18] Rz 21).
Rn 9
Ist dem Kl bei der Berechnung seines Klageanspruchs ein Fehler zu seinem Nachteil unterlaufen mit der Folge, dass er weniger beantragt, als ihm bei Zugrundelegung seiner Rechtsauffassung bei zutreffender Berechnung zustehen würde, sind ggf alle Klagepositionen anteilsmäßig zu kürzen, wenn der Fehler nicht deutlich wird (BGH NJW-RR 02, 255, 257 [BGH 21.06.2001 - I ZR 245/98]; Zö/Feskorn Rz 2). Außerdem kommt eine Verurteilung auf künftige Leistung unter den Voraussetzungen der §§ 257 ff BGB in Betracht (Zö/Feskorn Rz 4); fehlt es an diesen Voraussetzungen, ist die Klage ggf als ›derzeit unbegründet‹ abzuweisen. Zulässig ist die Verurteilung auf Freistellung statt auf Zahlung (zuletzt Schlesw NJW-RR 15, 636, 637 [OLG Schleswig 28.08.2014 - 5 U 4/14]) sowie zur Zug-um-Zug-Leistung (BGH V ZR 111/14 – juris) oder unter Vorbehalt nach §§ 305, 305a statt uneingeschränkter Verurteilung (Frankf FamRZ 90, 49, 50). Die Hinterlegung oder Duldung der Zwangsvollstreckung ist kein aliud ggü einem Herausgabe- oder Beseitigungsverlangen (so RGZ 79, 275, 276; BGH NJW 95, 2848, 2849). Zulässig ist bei Klagen auf Erhöhung von Leistungen aufgrund dynamischer Anpassung ein Zuspruch in einer geringeren als der beantragten Zinshöhe (BGHZ 94, 257, 260 = NJW 85, 2524, 2525: Erbbauzinsen). Vergütungsansprüche für Erfindungen als Alleinerfinder schließen Ansprüche als Miterfinder als Minus ein (BGH NJW-RR 01, 477 [BGH 17.10.2000 - X ZR 223/98]). Zulässig ist bei KfZ-Schäden die Versagung eines Schadensersatzes auf Neuwagenbasis und Gewährung von Ersatz auf Reparaturkostenbasis (KG BeckRS 10, 18955). Gleiches gilt für das Verhältnis von den gegen den Patentinhaber gerichteten Anspruch des Alleinerfinders auf Übertragung ggü dem Anspruch auf Einräumung einer Mitberechtigung (BGHZ 167, 166, 168 f Rz 10 f = MDR 06, 1421; Ddorf BeckRS 14, 21714 Rz 31). Bei Unterlassungsanträgen darf das Gericht den Antrag nicht inhaltlich verändern, erweitern, ersetzen (BGH NJW 01, 157, 158 f [BGH 26.09.2000 - VI ZR 279/99]; Zö/Feskorn Rz 4a); da der Antrag naturgemäß häufig weit und unpräzise gefasst ist, kann im Einzelfall aber eine nach Abs 1 zulässige Einschränkung in Betracht kommen (Anders/Gehle/Hunke ZPO Rz 11). Generell darf der Klagegrund nicht ausgetauscht werden (Bsp: bei Klagen auf Widerruf einer konkreten Äußerung oder bei Schutzrechten, BGH MDR 01, 949, 950 [BGH 07.12.2000 - I ZR 146/98]). Wird die Unterlassung wesentlicher Lärmbeeinträchtigung und hilfsweise die Einrichtung entsprechender Lärmschutzmaßnahmen begehrt, darf das Gericht im Urt bestimmte Grenzwerte festsetzen (BGH WM 93, 1478, 1479: Auslegung des Hilfsantrags), nicht aber zeitliche Einschränkungen des Betriebs der Immissionsquelle aussprechen, wenn die Abwehr der Immissionen über einen bestimmten Grenzwert hinaus beantragt war (BGHZ 69, 118 = NJW 77, 1920). Zulässig ist eine anders vorgenommene Aufteilung von Elementar- und Altersvorsorgeunterhalt (Hamm FamRZ 99, 443, LS). Statt einer Androhung von Zwangsgeld kann sofort Zwangsgeld festgesetzt werden (Köln NJW-RR 95, 1405, 1406), da der Antrag als Anregung zu verstehen ist. Im Einzelfall muss die Auslegung entscheiden, ob der zugesprochene Teil noch als Minus zum Antrag gelten kann. Das gilt besonders für Feststellungsklagen hinsichtlich von Dauerschuldverhältnissen. Bei Gestaltungsklagen wird der Ausspruch einer anderen Rechtsfolge regelmäßig ein aliud zum Antrag darstellen. Ein Anspruch auf Zinsen iHv 5 % üb...