Prof. Dr. Christoph Thole
Rn 7
Der Tenor soll die Entscheidung so vollständig enthalten, wie es die Lage gestattet (R/S/G § 60 Rz 19). Der Tenor folgt regelmäßig der Dreiteilung nach Ausspruch zur Sache, zu den Kosten und zur Vollstreckbarkeit. Beim Vorbehaltsurteil sollte der Vorbehalt dem Sachausspruch folgen (§ 302 Rn 11). Die Berufungszulassung schließt die Urteilsformel ab; einer Nichtzulassung bedarf es nicht. Festsetzungen des Streitwertes im Urt werden üblicherweise nicht in den Tenor, sondern an das Ende des Urteils gesetzt. Haftungsbeschränkungen (§§ 780, 781, 785, 1629a) gehören in den Tenor, und zwar vor die Kosten; ebenso Abwendungs- und Ersetzungsbefugnisse (Wallisch/Spinner JuS 00, 377; Zö/Feskorn Rz 10). Vgl auch § 12 III 1 UWG für die öffentliche Bekanntmachung des Urteils.
Der Urteilsausspruch muss sämtliche in der letzten mündlichen Verhandlung gestellten Anträge, auch zu den Nebenforderungen, erledigen. Hat der Kl einen Teil der Forderung für erledigt erklärt, so liegt darin die Klageänderung zu einem Feststellungsbegehren, ohne Zustimmung des Beklagten ist also über den Antrag durch Feststellungsausspruch zu entscheiden (›Der Rechtsstreit ist [iHv …] erledigt.‹). Bei beiderseitiger Teil-Erledigungserklärung kann sich wegen der Kostenmischentscheidung (§ 91a II) eine deklaratorische Feststellung empfehlen (›Der Rechtsstreit ist hinsichtlich … für erledigt erklärt worden.‹).
Rn 8
Der Ausspruch muss hinreichend bestimmt sein (vgl auch § 253 Rn 18), um der Rechtsklarheit zu dienen sowie den Umfang der Rechtskraft und der sonstigen Entscheidungswirkungen zu konkretisieren. Daher ist darauf zu achten, dass der Ausspruch der Zwangsvollstreckung zugänglich ist (BGH NJW-RR 94, 1185, 1186 [BGH 16.05.1994 - II ZR 223/92], zur Verurteilung zur Abgabe einer Willenserklärung BAG 14.3.12, 7 AZR 147/11, NZA 12, 1183 LS = BeckRS 12, 72248 Rz 15). Ein widersprüchlicher und unbestimmter Urteilsausspruch erwächst nicht in Rechtskraft und ist nicht vollstreckbar, sodass eine neue Klage erhoben werden muss und kann (BGH NJW 72, 2268 f [BGH 25.09.1972 - VIII ZR 81/71]; 62, 109 [BGH 29.09.1961 - IV ZR 59/61]; vor §§ 300 ff Rn 12). Bei einem Widerspruch zu den Entscheidungsgründen hat die Urteilsformel Vorrang, wenn die Gründe in sich widersprüchlich sind oder nur tw mit dem Tenor übereinstimmen (BGH NJW 97, 3447, 3448 [BGH 13.05.1997 - VI ZR 181/96]; ThoPu/Reichold Rz 9); iÜ kommt ggf Berichtigung nach § 319 in Betracht. Überhaupt kann das Urt trotz Mängeln in der Urteilsformel auslegungsfähig sein (RGZ 15, 422, 423 f; BGH NJW 94, 1413, 1415; BAG NZA 10, 295, 296 [BAG 20.01.2009 - 9 AZR 677/07]; Frankf 12.4.07 – 25 W 89/06 – juris; Ddorf BeckRS 15, 18608 Rz 14). Für die Auslegung, welche im Tenor genannten, herauszugebenden Gegenstände gemeint sind, kann das Vollstreckungsorgan einen Sachverständigen hinzuziehen (BGH NJW 15, 2812, 2815 Rz 48). Bei Auslegungsstreitigkeiten über den Inhalt eines Urteils kommt neue Klage in Betracht (BGHZ 142, 388, 393). Der Ausspruch muss daher zumindest im Zusammenhang mit der Entscheidungsbegründung bestimmbar sein; der Urteilsinhalt muss sich daher grds aus einer einheitlichen Urkunde ergeben (BGH NJW 22, 3213 [BGH 14.07.2022 - I ZR 97/21] Rz 16; 00, 2207, 2208). Für das Verständnis des Tenors sind neben dem Wortlaut des Tenors der Inhalt der Gründe, die Anträge und der Vortrag des Klägers maßgeblich (BGH NJW-RR 17, 763 [BGH 17.01.2017 - XI ZR 490/15] Rz 2). Auch die Gerichtsakten können herangezogen werden (BGH NJW 20, 2543 [BGH 28.05.2020 - I ZR 7/16]). Bei einer auf Unterlassung gerichteten Verurteilung darf diese nicht derart undeutlich gefasst sein, dass der Umfang der Prüfungs- und Entscheidungsbefugnis des Gerichts nicht klar umrissen ist und damit letztlich dem Vollstreckungsgericht die Entscheidung verbleibt, was dem Beklagten verboten ist (Nürnbg 3 W 2178/14 BeckRS 15, 07982 Rz 13). In Sonderfällen kann in der gerichtlichen Entscheidung auch auf Anlagen, die zu den Akten gegeben sind, verwiesen werden, zB bzgl von Software oder Filmmaterial im UWG-Unterlassungsprozess, weil hier der Entscheidungsgegenstand nicht anders darstellbar ist und sonst § 890 II leer liefe. Die Bezugnahme muss aber den Gegenstand der Verurteilung bestimmt bezeichnen (BGH NJW 92, 1691, 1692 [BGH 02.04.1992 - I ZR 131/90]; ThoPu/Reichold Rz 8). Die Bestimmtheit ist dann nicht davon abhängig, dass die Anlage mit der Urschrift der Entscheidung körperlich verbunden ist (näher BGH NJW 00, 2207, 2208 [BGH 14.10.1999 - I ZR 117/97]). Im Verfahren nach dem UklaG verlangt § 9 Nr 1 UKlaG die Angabe der jeweiligen AGB im Wortlaut. Bei Nebenforderungen kann der Zinssatz nach Maßgabe eines amtlichen Leitzinses variabel sein, wenn das Vollstreckungsorgan den Vollstreckungsinhalt erkennen kann; das gilt nicht für den Liborsatz (Frankf NJW-RR 92, 684, 685 [OLG Frankfurt am Main 12.11.1991 - 5 U 207/90]); ein pauschaler Verweis auf ein anderes Gesetz ist zu unbestimmt (BGH RzW 57, 203 = LM Nr 2 zu § 31 BEG 56: Erwerbsminderungsrente nach BEG...