Prof. Dr. Christoph Thole
Gesetzestext
(1) Schreibfehler, Rechnungsfehler und ähnliche offenbare Unrichtigkeiten, die in dem Urteil vorkommen, sind jederzeit von dem Gericht auch von Amts wegen zu berichtigen.
(2) 1Der Beschluss, der eine Berichtigung ausspricht, wird auf dem Urteil und den Ausfertigungen vermerkt. 2Erfolgt der Berichtigungsbeschluss in der Form des § 130b, ist er in einem gesonderten elektronischen Dokument festzuhalten. 3Das Dokument ist mit dem Urteil untrennbar zu verbinden.
(3) Gegen den Beschluss, durch den der Antrag auf Berichtigung zurückgewiesen wird, findet kein Rechtsmittel, gegen den Beschluss, der eine Berichtigung ausspricht, findet sofortige Beschwerde statt.
A. Normzweck.
Rn 1
Zur Thematik vgl Proske. Mit Hilfe des durch § 319 ermöglichten Berichtigungsbeschlusses soll es ermöglicht werden, eine Verfälschung des Richterspruchs, dh des vom Gericht in Wahrheit gewollten Entscheidung, durch ›technische Fehlleistungen‹ und ›banale Irrtümer‹ zu verhindern (BVerfG NJW 92, 1496; BGHZ 127, 74, 79 = NJW 94, 2832; BGH FamRZ 03, 1270). Das Berichtigungsverfahren stellt eine Ausnahme von der Bindung des Gerichts gem § 318 dar. Es ist nicht dazu da, die Entscheidung über übergangene Anträge und Ansprüche nachzuholen (dafür § 321) und Fehlentscheidungen oder gedankliche Fehler vAw inhaltlich zu korrigieren. Letzteres ist allein Aufgabe des Rechtsmittelverfahrens. Vielmehr soll dem vom Gericht erkennbar Gewollten (Hamm MDR 77, 760) zur Geltung verholfen werden, indem (lediglich) offenkundige Unrichtigkeiten beseitigt werden. Das dient im Ergebnis der Klarheit hinsichtlich des Urteilsinhalts und damit der Rechtssicherheit. Erhält das Gericht Kenntnis, ist es zur Berichtigung verpflichtet (Hamm NJW-RR 86, 187, 188 [BVerwG 23.04.1985 - BVerwG 1 A 11.81]). Tatbestandsberichtigungen erfolgen nach Maßgabe des § 320 und sind von § 319 zu unterscheiden. Mängel des nicht anfechtbaren Urteils, die auf der Verletzung rechtlichen Gehörs beruhen, sind mit der Gehörsrüge anzugreifen, § 321a.
B. Voraussetzungen.
I. Urteil.
Rn 2
Abs 1 meint Urteile jeglicher Art (End-, Teil, Zwischen-, Vorbehaltsurteil); zur entsprechenden Anwendung auf Beschlüsse s.u. Rn 16.
II. Unrichtigkeit.
Rn 3
Abs 1 setzt zunächst eine Unrichtigkeit des Urteils voraus. Die in Abs 1 genannten Schreibfehler und Rechnungsfehler sind nur Beispiele für eine solche Unrichtigkeit. Das Urt ist unrichtig, wenn es nicht das zum Ausdruck bringt, was das Gericht im Zeitpunkt der Urteilsfällung und -abfassung gewollt hat. Es ist also der wahre Wille des Gerichts zu ermitteln, lässt er sich nicht feststellen, so kann keine Berichtigung erfolgen (Zweibr FamRZ 82, 1030, 1031; LAG Hamm BB 81, 795 LS). Dabei kommt es nicht darauf an, ob die Unrichtigkeit auf einem Fehler des Gerichts oder der Parteien oder eines Dritten beruht (Ddorf OLGZ 70, 126, 128; Hamm JurBüro 89, 693; LAG München MDR 85, 170, 171; aA KG OLGZ 13, 152, 153; Bull Rpfleger 57, 401), denn das Interesse an Berichtigung und Selbstkorrektur besteht in allen Fällen. Unerheblich ist, ob das Gericht etwas anderes gewollt hätte, wenn es einen weiteren Umstand (zB eine bestimmte höchstrichterliche Rspr) bedacht hätte. Abs 1 meint also nur reine Verlautbarungsmängel, nicht aber Fehler in der Willensbildung (BGHZ 106, 370, 373 = NJW 89, 1281; 85, 742; BGHZ 127, 74, 79 = NJW 94, 2832, 2833; FamRZ 03, 1270; NJW 15, 952, 953). Der Verlautbarungsmangel kann zB auch darin liegen, dass die Klage im Tenor abgewiesen wird, obwohl das (offensichtlich) nach den Entscheidungsgründen nicht gemeint war und umgekehrt. Dies deckt sich mit der Abgrenzung zwischen § 119 I BGB und § 119 II BGB (PWW/Ahrens § 119 Rz 23 ff). Auch und gerade Abweichungen zwischen Urteilsausfertigung und Original sind erfasst, unabhängig davon, ob man der Ausfertigung die Unrichtigkeit ansieht (Köln 20.12.11, 23 WLw 12/10 – juris). Die Unterscheidung zwischen Verlautbarungsmangel und Fehler in der Willensbildung ist theoretisch sauber, wird aber in der Praxis nicht immer scharf gezogen. Die Rspr schließt zunehmend auch Fehler im Willensbildungsprozess ein; das trifft va auf Berechnungsfehler zu (Hamm MDR 86, 594; LAG München MDR 85, 170, 171 [LAG München 10.02.1984 - 8 Ta 252/83]; Köln MDR 80, 761, 762; s aber unten Rn 7). Bei den Rechenfehlern ist das im Ansatz unbedenklich, da sie (wie Kalkulationsirrtümer bei § 119 I BGB) einen Widerspruch zwischen Gewolltem und Verlauteten begründen, auch wenn sie schon im Willensbildungsprozess entstanden sind (Musielak/Musielak Rz 4; vgl auch Hamm OLGR 08, 230). Bsp: Will das Gericht wegen 10 Schadensfällen je 100 zusprechen und spricht es die Verurteilung von 10.000 aus, so ist das Urt unrichtig iSd § 319. Insoweit liegt schon ein Verstoß gegen die Grundrechenarten vor (Hamm NJW-RR 87, 187, 188; Zweibr FamRZ 85, 614 [OLG Zweibrücken 11.10.1984 - 6 UF 34/84]); gleichfalls kann Berichtigung erfolgen, wenn der Tenor auf 1.000 lautet, aber die vom Gericht aufgestellte Berechnung dies, ersichtlich gewollte, Ergebnis nicht unterstützt. Eine Berichtigung kommt insoweit auch in Betracht, wenn kein eigentl...