a) Gefährdungshaftung.
Rn 6
Sämtliche Ansprüche aus gesetzlicher Gefährdungshaftung des materiellen Rechts (Bsp: §§ 1 ff, 14 HaftpflG; §§ 7 ff StVG iVm § 115 VVG) werden vom weiten Begriff der unerlaubten Handlung iSd § 32 erfasst (BGHZ 80, 1, 3; Zö/Schultzky Rz 6; Musielak/Voit/Heinrich Rz 3; ThoPu/Hüßtege Rz 2; zur Gefährdungshaftung nach StVG vgl BGH NJW 83, 1755; zur Gefährdungshaftung nach AMG vgl BGH NJW 90, 2316), ebenso der Direktanspruch nach § 115 VVG, da dieser überwiegend deliktsrechtlicher Natur ist (BGH NJW 83, 1799 zu § 3 PflVG aF; Zö/Schultzky Rz 17; ThoPu/Hüßtege Rz 2). Unter § 32 fallen auch die Schadensersatzansprüche des Prozessrechts wegen unberechtigter Zwangsvollstreckung (§§ 302 IV, 600 II, 717 II, 945, 1041 IV, 1065 II 2; § 248 V FamFG; Zö/Schultzky Rz 9; Musielak/Voit/Heinrich Rz 3; MüKoZPO/Patzina Rz 6), da es sich insoweit um eine prozessuale Gefährdungshaftung handelt (BGHZ 85, 10, 13 ff; vgl auch BGHZ 69, 373, 375 f; 85, 110, 113; 189, 320 zu § 717 II; Zö/Herget § 717 Rz 3; Musielak/Voit/Lackmann § 717 Rz 4). Dasselbe gilt für § 717 III, da es sich um einen nach den Grundsätzen der Gefährdungshaftung begründeten Erstattungsanspruch handelt, der nur im Hinblick auf die Rechtsfolgen auf das Recht der ungerechtfertigten Bereicherung verweist (BGHZ 189, 320 mwN zur Gegenmeinung). Zur Konkurrenz der besonderen Gerichtsstände der Gefährdungshaftung mit § 32 vgl Rn 2.
b) Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht.
Rn 7
In den Anwendungsbereich des § 32 fallen die aus der Verletzung gewerblicher Schutzrechte u Urheberrecht resultierenden Ansprüche (Zö/Schultzky Rz 8; ThoPu/Hüßtege Rz 3), zB nach MarkenG (vgl BGH GRUR 07, 1200, 1202 zu § 15 MarkenG; Hambg Magazindienst 04, 594 ff zu § 14 MarkenG; zur Löschungsklage nach §§ 51, 55 MarkenG s aber Frankf OLGR 07, 632 f; vgl auch BGH NJW 05, 1435 [BGH 13.10.2004 - I ZR 163/02] zu Art 5 EuGVÜ) und UrhG (vgl München GRUR 90, 677 [OLG München 15.02.1990 - 29 U 5500/89]; KG GRUR-RR 06, 252; Jena GRUR-RR 08, 223). Beachte aber die vorrangigen ausschließlichen Gerichtsstandsregelungen in § 131 VGG (Verwertungsgesellschaftengesetz; früher: § 17 WahrnG; vgl BGHZ 52, 108, 110; Zö/Schultzky Rz 2) und § 15 GeschGehG (Schutz von Geschäftsgeheimnissen; vgl dazu Ddorf 25.11.21 – I-15 Sa 1/21; Karlsr GRUR 22, 1004 [OLG Karlsruhe 31.03.2022 - 6 W 15/22]). Auch die durch Abmahnungen entstandenen außergerichtlichen Kosten können im Gerichtsstand des § 32 geltend gemacht werden (vgl Hambg 22.1.04, 3 U 115/02; Schlesw K&R 13, 748).
c) Insolvenzrecht, Gläubigeranfechtung.
Rn 8
Neben den Ansprüchen wegen Insolvenzstraftaten, die bereits von § 823 II BGB erfasst werden (Musielak/Voit/Heinrich Rz 8; vgl auch Hamm BB 00, 431 [OLG Hamm 25.11.1999 - 27 U 46/99] zu § 283 StGB; LG München BB 00, 428 zu §§ 64, 84 GmbHG aF) und den Ansprüchen aus Existenzvernichtungshaftung, die ihre Grundlage in § 826 BGB haben (vgl BGHZ 173, 246 f – TRIHOTEL), fallen unter § 32 die Ansprüche aus §§ 60, 71 InsO (Zö/Schultzky Rz 12; Musielak/Voit/Heinrich Rz 8; vgl auch Celle WM 88, 131, 133 zu § 82 KO aF), nicht aber Ansprüche aus Insolvenzanfechtung oder wegen Gläubigeranfechtung nach den §§ 3 ff AnfG, §§ 129 ff InsO (Zö/Schultzky Rz 12, 15; St/J/Roth Rz 21; Musielak/Voit/Heinrich Rz 9; jetzt auch Anders/Gehle/Bunnigmann ZPO Rz 7 ›Anfechtungsklage‹ vgl auch BGH NJW 90, 990, 991 zu §§ 29 f, 37 KO aF). Zum Rechtsweg bei Klagen aus Insolvenzanfechtung von Lohnzahlungen s GmS-OGB ZIP 10, 2418.
d) Konzernrechtliche Haftung.
Rn 9
Unter § 32 fällt auch die Haftung des beherrschenden Unternehmensgesellschafters bei missbräuchlicher Ausübung der Konzernleitungsmacht entsprechend §§ 302, 303 AktG (Köln VersR 98, 1305, 1306; Zö/Schultzky Rz 13; Musielak/Voit/Heinrich Rz 3; zur Haftung in diesen Fällen s BGHZ 122, 123, 126 ff).
e) Staatshaftung.
Rn 10
Neben dem Anspruch aus Amtspflichtverletzung, der bereits durch Art 34 GG iVm § 839 BGB erfasst ist (vgl Rn 4), fallen unter § 32 wegen der Weite des Anwendungsbereichs auch Ansprüche aus enteignungsgleichen und aufopferungsgleichen Ansprüchen, nicht dagegen Aufopferungsansprüche und Ansprüche aus enteignendem Eingriff, da Letztere auf rechtmäßigem staatlichen Handeln beruhen und insoweit mit einem deliktischen Handeln iSd § 32 nicht vergleichbar sind (vgl BGH NJW 17, 3384 [BGH 07.09.2017 - III ZR 71/17] Rz 17; Zö/Schultzky Rz 5; Musielak/Voit/Heinrich Rz 3; St/J/Roth Rz 20; offen Karlsr OLGR 04, 311, 312; zum enteignungsgleichen und enteignenden Eingriffs s nur BGHZ 117, 240, 252; Grüneberg/Herrler Überbl v § 903 Rz 8 f; zum aufopferungsgleichen Eingriff und der Aufopferung s nur BGHZ 9, 83, 85 ff; 36, 379, 390 f; Köln VersR 04, 1058, 1059; MüKoBGB/Papier § 839 Rz 56 ff; zum Verhältnis der Ansprüche zueinander s.a. BGHZ 122, 363 ff). § 32 erfasst auch den Regressanspruch des Dienstherrn wegen Amtspflichtverletzung, enteignungsgleicher und aufopferungsgleicher Eingriffe (Zö/Schultzky Rz 16) sowie den unmittelbar aus der EMRK ableitbaren Schadensersatz für rechtswidrige Untersuchungshaft bzw Sicherungsverwahrung (Krauße StraFo 17, 349, 351; vgl auch VG Schlesw SchlHA 12, 112). Auch bei dem datenschutzrechtlichen Ans...