I. Begriff.
Rn 13
Der Ort, an dem die unerlaubte Handlung begangen ist, wird als Begehungs- oder Tatort bezeichnet (s nur BGHZ 124, 237, 245; 189, 320; Zö/Schultzky Rz 19; ThoPu/Hüßtege Rz 7; Musielak/Voit/Heinrich Rz 15). Nach allgM liegt der Begehungsort iSd § 32 überall, wo auch nur eines der wesentlichen Tatbestandsmerkmale verwirklicht worden ist (BGHZ 124, 237, 245; 189, 320; Zö/Schultzky Rz 16). Das kann sowohl der Ort sein, wo die Verletzungshandlung begangen wurde (Handlungsort), als auch der Ort, wo in ein geschütztes Rechtsgut eingegriffen wurde (Erfolgsort oder Ort des Verletzungserfolgs; allgM; BGHZ 217, 350 mwN). Diese Differenzierung spielt insb bei den sog Distanzdelikten eine Rolle, bei denen sich der Tatbestand der unerlaubten Handlung aus verschiedenen Handlungen und Vorgängen zusammensetzt, die sich an verschiedenen Orten vollziehen (Zö/Schultzky Rz 20 ›Distanzdelikt‹; zB bei Briefdelikten, vgl BGHZ 40, 391, 394). Die Verletzungshandlung muss nicht vollendet sein. Es genügt eine ernsthaft drohende Verletzungshandlung, nicht dagegen eine bloße Vorbereitungshandlung (vgl Hambg GRUR-RR 05, 31, 32; Zö/Schultzky Rz 19; Musielak/Voit/Heinrich Rz 16; vgl auch BGH MDR 95, 282 [BGH 17.03.1994 - I ZR 304/91] zu Art 5 EuGVÜ). Da § 32 auf den Begehungsort abstellt, ist es unerheblich, ob und wo ein über den Verletzungserfolg hinausreichender Schaden oder weitere Schadensfolgen eingetreten sind (BGH NJW 77, 1590). Auf den Ort des Schadenseintritts (Schadensort) kommt es deshalb grds nicht an (allgM; vgl nur BGHZ 40, 391, 395; 52, 108, 111; NJW 77, 1590; Zö/Schultzky Rz 19; Musielak/Voit/Heinrich Rz 15). Eine Ausnahme gilt in den Fällen, in denen der Schadenseintritt zum Tatbestand der Rechtsverletzung gehört (allgM; vgl BGHZ 40, 391, 395; 52, 108, 111; Zö/Schultzky Rz 19; Musielak/Voit/Heinrich Rz 15), so zB bei § 826 BGB (vgl BGH ZIP 89, 830; KG MDR 20, 1056; BayObLG JZ 21, 1174 mwN) und § 823 II BGB iVm § 263 StGB (vgl BayObLG NJW-RR 96, 508, 509; MDR 03, 893; Rpfleger 04, 365 f; Karlsr OLGR 06, 829, 831; Frankf OLGR 08, 4 f). In diesen Fällen wird der Erfolgsort durch den Ort des Schadenseintritts festgelegt. Begehungs- oder Tatort ist in diesen Fällen mithin (auch) der Ort des Schadenseintritts, dh der Belegenheitsort des Vermögens des Geschädigten (vgl BGH ZIP 89, 830; BayObLG Rpfleger 04, 365 f; Frankf v 3.7.17 – 13 SV 6/17, OLGR 08, 4 f; 3.7.17 – 13 SV 6/17), der regelmäßig dem (Wohn-)Sitz des Geschädigten entspricht (vgl BGH GRUR 19, 213 [BGH 27.11.2018 - X ARZ 321/18]; BayObLG 26.7.22 – 102 AR 65/22) und deshalb gerade für den Geschädigten im Einzelfall erhebliche Vorteile mit sich bringen kann, wie etwa in den Fällen des sog Dieselabgasskandals (vgl BayObLG MDR 19, 864; JZ 21, 1174 [BayObLG 10.02.2021 - 101 AR 161/20]; 18.11.21 – 102 AR 151/21; München MDR 22, 634 [OLG München 07.03.2022 - 34 AR 132/21] jew mwN; KG MDR 20, 1056 [KG Berlin 02.07.2020 - 2 AR 1013/20]; zu eng insoweit Hamm MDR 19, 287 [KG Berlin 01.11.2018 - 22 U 128/17]). Dasselbe gilt bei Amtspflichtverletzungen nach § 839 BGB iVm Art 34 GG, so dass iRd § 32 auch auf den Ort abgestellt werden kann, wo die Vermögensbeeinträchtigung eingetreten ist (Frankf OLGR 08, 4 ff; Celle MDR 10, 1485; ebenso für die Amtshaftung der Notare Hambg MDR 14, 1411 [OLG Zweibrücken 08.08.2014 - 2 U 5/14]). Das ist bei diesen Ansprüchen der Sitz des Gläubigers als ›Ort des Vermögens‹, unabhängig davon, wo Teile des Vermögens zufällig belegen sind (Frankf OLGR 08, 4 ff; Celle MDR 10, 1485 [OLG Celle 08.06.2010 - 16 W 43/10]; iE ebenso LG Mainz NJW-RR 00, 588 [LG Mainz 12.03.1999 - 7 O 200/98], aber mit widersprüchlicher Begründung). Bei einer Handlungseinheit liegt der Begehungsort überall dort, wo eine der Verletzungshandlungen begangen wurde (Hambg WRP 92, 805; Zö/Schultzky Rz 19; vgl auch BGHZ 124, 237, 244 f).
II. Einzelfälle (alphabetisch).
Rn 14
Arzthaftung. In Fällen der Arzthaftung ist für die Bestimmung des Erfolgsorts maßgeblich, wo der Gesundheitsschaden eingetreten ist. Das gilt bei Behandlungs- wie auch bei Aufklärungsfehlern (vgl BGHZ 176, 342, 346 f; Hamm GesR 15, 632). Tritt der Gesundheitsschaden aufgrund einer in mehreren Schritten und an verschiedenen Orten erfolgten Heilbehandlung erst nach der Krankenhausentlassung am Wohnort des Patienten zutage, kann dort für die Ansprüche gegen alle Haftungsschuldner (etwa Notarzt, Krankenhausarzt, Krankenhausträger) der Gerichtsstand des § 32 begründet sein (vgl Kobl MedR 11, 251 [OLG Koblenz 18.08.2010 - 5 W 450/10]; Saarbr 7.9.20 – 5 Sa 1/20). Bloße Folgeschäden begründen keinen neuen Gerichtsstand nach § 32, ebenso wie bloße Auswirkungen einer bereits an einem anderen Ort vollendeten Körperverletzung (BayObLG MDR 22, 1284; Köln NJW-RR 09, 569 [OLG Köln 16.06.2008 - 5 U 238/07]). Anderes gilt aber, wenn eine weitere Gesundheitsschädigung oder schwere Nebenwirkungen infolge einer fehlerhaften oder unzureichenden Behandlung auftreten, die als eigenständiger tatbestandlicher Erfolg iSd § 823 I BGB angesehen werden und vom Kl/ASt entspr...