Prof. Dr. Christoph Thole
Rn 1
Zur Thematik vgl Weitzel. § 320 steht im Zusammenhang mit der Beweiskraft des Tatbestands für das Parteivorbringen (§ 314) und der Beurkundung des sonstigen Prozessstoffs. Nur über die Tatbestandsberichtigung (nicht über die Gehörsrüge [BGH NZI 10, 530 [BGH 15.04.2010 - IX ZB 175/09] Rz 7]) kann verhindert werden, dass unrichtig beurkundeter Prozessstoff und Parteivortrag zur Grundlage der Entscheidung des Rechtsmittelgerichts gemacht wird; außerdem kann dadurch eine Ergänzung des Urteils gem § 321 vorbereitet werden (vgl BAG NZA 08, 1028, 1030 [BAG 26.06.2008 - 6 AZN 1161/07]; BGH BeckRS 15, 2574; Stuttg BeckRS 19, 24327 Rz 25). Das unbewusste Übergehen eines Anspruchs ist durch § 321 zu korrigieren, die Nichtaufnahme in den Tatbestand über § 320 (Stuttg BeckRS 19, 24327 Rz 25). Mit einem Rechtsmittel kann demgegenüber nicht die Berichtigung des Tatbestands erzielt, sondern nur das Urt selbst angegriffen werden (Karlsr NJW-RR 03, 778, 779 [OLG Karlsruhe 20.02.2003 - 12 U 210/02]). Über seine Beweiskraft ist der Tatbestand für die tatsächlichen Grundlagen des Rechtsmittelverfahrens von Bedeutung (vgl BGH NJW-RR 07, 1434, 1435 [BGH 08.01.2007 - II ZR 334/04]). Seit der BGH die Bindung des Berufungsgerichts an den erstinstanzlichen Stoff wieder auflockert (§ 529 Rn 5, § 531 Rn 9 ff) und den § 314 im Wesentlichen nur noch auf die positive Beweiskraft für das Parteivorbringen beschränkt (§ 314 Rn 4), ist die Notwendigkeit für Tatbestandsberichtigungsanträge allerdings gesunken (Gehrlein MDR 03, 421, 427; anders Wach/Kern NJW 06, 1315, 1317), da das Berufungsgericht das schriftsätzliche erstinstanzliche Vorbringen auch ohne eine in den Tatbestand aufgenommene Verweisung auf die Schriftsätze würdigen muss. Ein Antrag nach § 320 kommt daher va in Betracht, wenn ein im Tatbestand übergangenes Vorbringen in den Schriftsätzen nicht enthalten war (Stöber MDR 06, 5 f; St/J/Althammer Rz 3) oder streitiges Vorbringen als unstr behandelt wurde (Karlsr NJW-RR 03, 891, 892 [OLG Karlsruhe 20.02.2003 - 12 U 211/02]) oder der Tatbestand den Anforderungen des § 313 II nicht genügt (vgl aber umgekehrt: Oldbg NJW 89, 1165; AG Frankfurt NJW 02, 2328 [AG Frankfurt am Main 31.05.2002 - 33 C 86/01 50]: keine Erweiterung des Tatbestands notwendig, wenn § 313 II gewahrt ist). Zur Einführung mit Hinweisen für die Praxis Nägele ArbRB 06, 378. Zur Änderung aufgrund Art 2 G v 12.12.19 mit Wirkung zum 1.1.20 BGBl I 19 S 2633 s.u. Rn 5.