Prof. Dr. Christoph Thole
I. Endentscheidung.
Rn 2
Der Anwendungsbereich erfasst Entscheidungen iwS (vor §§ 300 ff Rn 2), also Urteile und Beschlüsse in jeder Instanz. Verfügungen sind damit zwar eigentlich auch erfasst (St/J/Althammer Rz 11), fallen aber unter Abs 1 S 2, auch wenn sie kraft gesetzlicher Anordnung unanfechtbar sind (zB Terminsverlegung, § 227 IV 3).
Die Entscheidung muss im Grundsatz jeweils eine Endentscheidung sein, dh die Instanz abschließen; andernfalls ist sie nicht rügefähig (Abs 1 S 2, s aber Rn 3 und Rn 6). Zu den Endentscheidungen gehören Endurteile iSd § 300, aber auch Teilurteile und die den Endurteilen gleichgestellten Zwischenurteile sowie die (an sich) selbstständig anfechtbaren Zwischenurteile gegen Dritte (zB §§ 280 II 1, 304 II, 71 II, 387 III), nicht aber Zwischenurteile iSd § 303 (näher zur Abgrenzung § 303 Rn 4), und zwar auch dann nicht, wenn sie nicht in die Überprüfung der Endentscheidung einbezogen werden (§§ 512, 557 II). Soweit Zwischenurteile allerdings noch anfechtbar sind oder trotz Anfechtbarkeit unanfechtbar geworden sind, greift der Vorrang des Rechtsmittels, sodass die Gehörsrüge schon deshalb unzulässig ist (Rn 3). Verfahrensleitende Beschlüsse sind von § 321a nicht erfasst, wohl aber grds instanzbeendende Beschlüsse wie zB Kostenentscheidung nach übereinstimmender Erledigung (§ 91a I 1) oder Klagerücknahme (§ 269 IV); ebenso Verwerfungs- und Zurückweisungsbeschlüsse bei Rechtsmitteln (§§ 522, 552, 552a); PKH-Entscheidungen und Beschlüsse im Arrest- oder einstweiligen Verfügungsverfahren (§ 922 I, 936). Das Richterablehnungsverfahren vor dem BAG stellt ein selbstständiges Zwischenverfahren dar, das durch die Zurückweisung des Ablehnungsgesuchs endet, sodass die Rüge statthaft ist (BVerfG NZA 08, 1201, 1203). Nicht zu den Endentscheidungen gehören Entscheidungen über die Ablehnung eines Richters (§ 46) oder Sachverständigen (§ 406 V). Das BVerfG will Abs 1 S 2 verfassungskonform dahin auslegen, dass Zwischenentscheidungen nur dann nicht Gegenstand der Rüge sein können, wenn sie im fachgerichtlichen Verfahren noch überprüfbar sind (BVerfG NJW 09, 833 [BVerfG 12.01.2009 - 1 BvR 3113/08] Rz 7 ff; zur Wiedereinsetzung s Rn 3).
II. Unanfechtbarkeit der Entscheidung.
Rn 3
Gegen die Entscheidung darf ein Rechtsmittel oder Rechtsbehelf nicht gegeben sein. Damit sind sowohl diejenigen Fälle erfasst, in denen die Entscheidung ihrer Art nach generell nicht anfechtbar ist, als auch solche, in denen im Einzelfall kein Rechtsmittel oder Rechtsbehelf in Betracht kommt (zB mangels Zulassung oder wegen zu geringem Beschwerdewert). Zu den von Beginn an nicht anfechtbaren Entscheidungen gehören letztinstanzliche Entscheidungen wie Revisionsurteile und Beschlüsse des BGH zu Rechtsbeschwerden und über die Ablehnung einer Nichtzulassungsbeschwerde (§ 544 V 2), Berufungsurteile in Arrest- und Verfügungsverfahren (§ 542 II); Befangenheitsgesuche (LG Mannheim BeckRS 19, 6662); bestimmte Beschlüsse im Enteignungs- und Umlegungsverfahren (§ 542 II), gegen die weder Berufung noch Rechtsbeschwerde statthaft ist (§ 574 I 2; dazu BGH 2.2.22 – XII ZB 304/21 Rz 5); sowie Beschlüsse nach § 522 II (näher § 522 Rn 48) und Wiedereinsetzungsbeschlüsse wegen § 238 III (BGH NJW-RR 09, 642, 643 [BGH 20.01.2009 - Xa ZB 34/08] Rz 6). Erfasst sind daneben Entscheidungen, die im Einzelfall, insb wegen der fehlenden Zulassung eines Rechtsmittels unanfechtbar sind, so Berufungsurteile ohne Revisionszulassung und früher bei Unterschreiten der Wertgrenzen des 26 Nr 8, 9 EGZPO aF; sowie erstinstanzliche Urteile, die mangels Erreichen der Berufungsbeschwer von 600 EUR (§ 511 II Nr 1) (nicht maßgeblich: die Summe des Berufungsantrags) nicht berufungsfähig sind, sofern das Gericht die Berufung nicht zugelassen hat. Ist gegen ein Berufungsurteil die Nichtzulassungsbeschwerde zulässig, so ist dies ein Rechtsbehelf iSd Abs 1 (BGHZ 161, 343, 346; BVerfG NJW 07, 3418, 3419; 159, 135, 139 f; vgl BGHZ 154, 289, 291 ff), da auf diese Weise die Aufhebung der Entscheidung erreicht werden kann (§ 544 VII). Zur willkürlichen Nichtzulassung unten Rn 7. Ein Beweisbeschluss über die Erstellung eines Gutachtens zur Klärung der Prozessfähigkeit einer Prozesspartei, der ohne deren vorherige persönliche Anhörung zu dieser Frage erlassen wurde, verletzt den Anspruch dieser Partei auf rechtliches Gehör und kann von ihr ungeachtet der in §§ 321a I 2, 355 II enthaltenen Regelungen mit der sofortigen Beschwerde angefochten werden (BGH NJW-RR 09, 1233 Rz 9). Bei Zweifeln am Überschreiten des Beschwerdewerts kann es die Wahl des sichersten Wegs gebieten, sowohl Berufung als auch Anhörungsrüge einzulegen (BGH NJW 12, 2523, 2524 [BGH 08.05.2012 - VI ZB 1/11; VI ZB 2/11] Rz 9 f).
Str ist, ob die Gehörsrüge statthaft ist, wenn ursprünglich ein Rechtsmittel zulässig, die durch die Entscheidung beschwerte Partei jedoch die Rechtsmittelfrist versäumt hat (dafür Zö/Feskorn Rz 5; ThoPu/Reichold Rz 2; dagegen St/J/Althammer Rz 21). Das Wortlautargument, auch ein nicht mehr zulässiges Rechtsmittel sei ›nicht gegeben‹ (Zö/Feskorn Rz ...