Rn 16

Aus der Prüfungsreihenfolge des Gerichts ergeben sich die möglichen Entscheidungsinhalte. Die Regelung ist an die § 341 ff (Einspruch gegen das VU) angelehnt.

Zunächst ist die Zulässigkeit der Rüge nach Maßgabe von Statthaftigkeit, Form und Frist zu prüfen (Abs 4 S 1). Ist sie unzulässig, so ist die Rüge als unzulässig zu verwerfen (Abs 4 S 2), also zB wenn die angegriffene Entscheidung nicht unanfechtbar war.

In einem zweiten Schritt ist sodann zu ermitteln, ob die Rüge begründet, dh der Gehörsverstoß in der geltend gemachten Weise vorliegt und tatsächlich entscheidungserheblich war. Der Rügeführer muss zwar (schon für die Zulässigkeit der Rüge) substanziiert darlegen; iRd Begründetheitsprüfung ist das Gericht jedoch zur

Amtsaufklärung verpflichtet (Zö/Feskorn Rz 15b). Das Gericht darf also nicht mit Hinweis auf die Beweislast aussprechen, der Rügeführer sei für die behaupteten Verstöße beweisfällig geblieben. Für die Entscheidungserheblichkeit genügt auch im Begründetheitsstadium die nicht auszuschließende Möglichkeit einer Beeinflussung der Entscheidung (Rn 10). Soweit das Gericht dies verneint, hat es die Rüge durch unanfechtbaren Beschl zurückzuweisen (Abs 4 S 3). Der Beschl ›soll‹ kurz begründet werden (Abs 5 S 5). Die Begründung muss der Normalfall sein (so auch Anders/Gehle/Hunke ZPO Rz 47; Rensen MDR 05, 181, 184; St/J/Althammer Rz 50). Mit einer sekundären Anhörungsrüge (Rn 8), die sich gegen die Nichtbescheidung bestimmter Verfahrensrügen im Beschl über die Nichtzulassungsbeschwerde richtet, kann eine Begründungsergänzung zu dem Beschl über die Ablehnung der Beschwerde nicht erreicht werden (BGH NJW-RR 06, 63, 64 [BGH 28.07.2005 - III ZR 443/04]); die Gehörsrüge ist ohne die Geltendmachung neuer und eigenständiger Gehörsverletzungen schon nicht zulässig (BGH WRP 08, 956 [BGH 13.12.2007 - I ZR 47/06]; Rn 8).

Ist die Rüge begründet, so hilft ihr das Gericht ab, indem es das Verfahren fortsetzt (Abs 5 S 1). Das geschieht nur, ›soweit‹ dies durch die Rüge geboten ist (zum Unterhaltsstreit vgl Kobl BeckRS 10, 15757). Es bedarf keiner förmlichen Entscheidung über die Fortsetzung des Verfahrens (in diese Richtung U. Schmidt MDR 02, 915, 917), sondern es kann zB unmittelbar ein Beweistermin angesetzt werden. Umgekehrt schadet ein Abhilfebeschluss aber auch nicht. Das Verfahren wird entsprechend § 342 in die Lage vor dem Schluss der mündlichen Verhandlung zurückversetzt, allerdings nur hinsichtlich des von der Rüge betroffenen Streitgegenstands oder eines Teils davon (›soweit … geboten‹). Rügt nur ein Streitgenosse, berührt dies die Prozessverhältnisse der anderen nicht. Die Rückversetzung ermöglicht dem Gegner der beschwerten Partei nicht, zu solchen Teilen des Streitgegenstands (neu) vorzutragen, die mit dem gerügten Verstoß in keinem Zusammenhang stehen, wobei sich das Gericht aber neuen Erkenntnissen (zB einem zwischenzeitlichen Wechsel der höchstrichterlichen Rspr oder dem Auftauchen eines zuvor benannten Zeugen) nicht verschließen muss. Hat das Gericht aber durch Abhilfebeschluss abgeholfen, ist es – auch nach Richterwechsel – an diese Entscheidung entsprechend § 318 gebunden und kann sich in der Endentscheidung dazu nicht in Widerspruch setzen (VGH RP MDR 07, 544 [BGH 28.09.2006 - I ZB 35/06]; Petry MDR 07, 497, 498). Das Rechtsmittelgewicht ist aber nicht gebunden und es hat die Entscheidung des unteren Gerichts, auf Grund einer Anhörungsrüge das Verfahren fortzuführen, darauf zu überprüfen, ob die Anhörungsrüge statthaft, zulässig und begründet war (BGH NJW 16, 3035 [BGH 14.04.2016 - IX ZR 197/15] Rz 10 ff). Nicht gebunden ist das Revisionsgericht, wenn das Berufungsgericht auf Rüge ohne festgestellte Gehörsverletzung die Revision zulässt (BGH NJW 11, 1516 [BGH 04.03.2011 - V ZR 123/10]; NJW-RR 12, 306, 307 [BGH 01.12.2011 - IX ZR 70/10] Rz 7), dh die Zulassung ist unwirksam.

Die abschließende Entscheidung ergeht in der durch die Verfahrensart vorgeschriebenen Form. Sie unterliegt nicht einem Verbot der reformatio in peius, kann sich also auch zu Lasten der rügeführenden Partei verschlechtern (BGH NJW-RR 12, 977, 978 [BGH 20.06.2012 - VIII ZR 268/11] Rz 14; Frankf NJW 04, 165, 168 [OLG Frankfurt am Main 05.10.2003 - 16 U 116/03]). Ihr Inhalt ist entsprechend § 343 zu wählen (Abs 5 S 3).

Tenorierung: Soll es beim ursprünglichen Tenor bleiben, so ist das Urt ›aufrechtzuerhalten‹. Die ›weiteren Kosten‹ trägt der Unterlegene (zu den Kosten des Rügeverfahrens selbst unten Rn 20 f); die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt den allgemeinen Regeln. Hat die rügeführende Partei Erfolg, so wird zB der Beklagte ›unter Aufhebung des Urteils vom … verurteilt, …‹. Führt die Rüge zu einem von der ursprünglichen Entscheidung nur tw abweichenden Ergebnis, so wird die Entscheidung ›abgeändert‹ bzw ›teilweise‹ aufgehoben oder aufrechterhalten. Es ist darauf zu achten, die Entscheidung nicht als Ganzes aufzuheben und neu zu fassen, da die zunächst umfänglich siegreiche Partei dadurch ggf ihren Vollstreckungsrang verlöre...

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