Prof. Dr. Barbara Völzmann-Stickelbrock
aa) Unzulässigkeit der Aufrechnung.
Rn 71
Wird der Klage stattgegeben, so ergeht keine der Rechtskraft fähige Entscheidung über das Bestehen der Gegenforderung, wenn die Aufrechnung aus materiell-rechtlichen Gründen, etwa wegen eines Aufrechnungsausschlusses (BGH NJW 97, 743 [BGH 05.12.1996 - IX ZR 67/96], NJW 01, 3616), unzulässig ist. Gleiches gilt, wenn die Aufrechnung aus prozessualen Gründen, zB wegen Verspätung (BGHZ 16, 124, 140 = NJW 55, 497; 125, 351, 354 = NJW 94, 2769, 2770) oder wegen fehlender Bestimmtheit der Gegenforderung (BGH NJW 94, 1538; BauR 18, 145 Rn 12) als unzulässig zurückgewiesen wird. Davon zu unterscheiden ist aber der Fall, dass der Vortrag zur Gegenforderung als unsubstantiiert angesehen wird, denn in diesem Fall wird eine Entscheidung über die Begründetheit der Gegenforderung getroffen (OLGR Stuttg 01, 267). Die Frage der Zulässigkeit der Aufrechnung darf grds nicht offengelassen werden (BAG NJW 19, 1477 [BAG 20.11.2018 - 9 AZR 349/18] Rz 17); auch nicht mit der Erwägung, diese sei jedenfalls unbegründet. In diesem Fall liegt keine rechtskraftfähige Entscheidung über die Gegenforderung vor. Der Bekl ist nur in Höhe der Klageforderung beschwert (BGH NJW 88, 3210).
bb) Nichtbestehen der Gegenforderung.
Rn 72
Gibt das Gericht der Klage statt, weil es die Klageforderung bejaht und die Gegenforderung als zulässig, aber unbegründet ansieht, so wird damit rechtskräftig über das Bestehen der Klageforderung und nach § 322 II über das Nichtbestehen der Gegenforderung des Bekl in Höhe der Klageforderung entschieden. Der Bekl ist in diesem Fall in Höhe der Klageforderung und in Höhe des Betrages der Gegenforderung beschwert, über die das Gericht rechtskräftig entschieden hat. Bei erfolgloser Geltendmachung mehrerer Gegenforderungen erhöht sich mithin die Beschwer des Bekl jeweils in Höhe des Betrags, in der diese der Klageforderung gegenüberstehen (BGH NJW-RR 00, 285). Für den Umfang der Rechtskraft ist im konkreten Fall der Grund des Nichtdurchgreifens der Aufrechnung beachtlich. Wird nur die Fälligkeit der Gegenforderung (Ddorf IBR 19, 481 Rz 149), die Gegenseitigkeit (BGH NJW-RR 23, 569 [BGH 14.12.2022 - IV ZB 1/22] Rz 12) oder die Gleichartigkeit verneint, betrifft die Rechtskraft der Entscheidung nur diese Aspekte und hindert den Bekl nicht daran, die Forderung in einem anderen Prozess erneut einzuklagen (Wieczorek/Schütze/Büscher § 322 Rz 264). Ebenso kann die Gegenforderung erneut geltend gemacht werden, wenn diese unter Verstoß gegen den Beweiserhebungsgrundsatz dadurch aberkannt wurde, dass die Höhe der Hauptforderung offengelassen wurde (Stuttg NJW 19, 2547 [BGH 22.05.2019 - III ZR 16/18] Rz 57).