Rn 20

Präjudiziell ist bspw: die rechtskräftige Feststellung des Eigentums an einer Sache für einen nachfolgenden Anspruch auf Herausgabe der Sache; das Urt auf Herausgabe einer Sache für den Anspruch auf Vergütung der nach Rechtshängigkeit gezogenen Nutzungen (BGH NJW 81, 1517 [BGH 13.03.1981 - V ZR 115/80]); die Feststellung des Erbrechts für das Erbscheinsverfahren (München NJW 16, 2512 [OLG München 08.03.2016 - 31 Wx 386/15]; Frankf ZEV 16, 275 [OLG Bremen 10.03.2016 - 5 W 40/15]; Adam ZEV 16, 233, 234); ein im ersten Prozess ausgesprochener Vorbehalt der beschränkten Erbenhaftung nach § 780 I (BGH NJW 21, 701 [BGH 21.10.2020 - VIII ZR 261/18] Rz 36); die Feststellung des Bestehens eines Mietverhältnisses für die nachfolgende Leistungsklage auf Mietzins (BGH NJW 04, 294 [BGH 24.09.2003 - XII ZR 70/02]) und die Abweisung eines Schadensersatzanspruchs für eine andere Forderung, die das Bestehen des abgewiesenen Schadensersatzanspruchs voraussetzt (BGH NJW 04, 3204 [BVerwG 21.04.2004 - BVerwG 6 C 20/03]). Ebenso schließt die rechtskräftige Abweisung einer Kündigungsschutzklage gegen eine zu einem früheren Zeitpunkt wirkende Kündigung im Verhältnis der Parteien zueinander eine Klage gegen eine danach zugegangene Kündigung aus (BAG NZA 11, 804 [BAG 27.01.2011 - 2 AZR 826/09]). Ein rechtskräftiges Urt, welches einem vertraglichen Unterlassungsanspruch stattgibt, ist nach hM präjudiziell für den Schadensersatzanspruch bei Zuwiderhandlungen, der als Sanktion auf die Unterlassungspflichtverletzung folgt (BGHZ 42, 340 = NJW 65, 688). Präjudizielle Wirkung kommt auch dem zur Zug-um-Zug-Leistung verurteilenden Urt insoweit zu, als es den unbeschränkten Leistungsanspruch verneint (BGHZ 117, 1, 4 = NJW 92, 1172). Bindungswirkung entfaltet nach höchstrichterlicher Rspr auch die Rechtskraft der in der Hauptsache ergangenen Entscheidung für die Beurteilung der Erfolgsaussicht im Rahmen des Prozesskostenhilfegesuchs (BGH NJW 12, 1964, 1965 [BGH 07.03.2012 - XII ZB 391/10]). Zwar entsprechen sich die Streitgegenstände des PKH-Verfahrens und des Hauptsacheverfahrens nicht und es handelt sich bei dem PKH-Verfahren auch nicht um einen zweiten Prozess. Im Hinblick auf die Zwecke der materiellen Rechtskraft (s Rn 3), insbesondere die Vermeidung abweichender Entscheidungen zur gleichen Streitfrage, ist die Vorgreiflichkeit aber zu bejahen.

 

Rn 21

Nicht präjudiziell ist dagegen: das rechtskräftige Räumungsurteil gegen den Inhaber eines dinglichen Wohnungsrechts für die Frage des Bestehens dieses Rechts (BGH NJW-RR 99, 376 [BGH 13.11.1998 - V ZR 29/98]); die Verurteilung zur Herausgabe einer Sache für den Anspruch auf Herausgabe der vor Rechtshängigkeit gezogenen Nutzungen (BGH NJW 83, 164); die rechtskräftige Abweisung einer auf eine vertragliche Schuldübernahme gestützten Klage für eine auf einen gesetzlichen Schuldübergang gestützten neuen Klage (BGH NJW 81, 2306 [BGH 22.05.1981 - V ZR 111/80]); die Verurteilung zur Auskunftserteilung oder Rechnungslegung iRe Stufenklage für den Zahlungsanspruch (BGH MDR 70, 577); die rechtkräftige Verurteilung zur Zahlung rückständiger Miete für die Feststellung des Verzugs mit der Miete zum Kündigungszeitpunkt (BGH NZM 19, 401 [BGH 10.04.2019 - VIII ZR 39/18] Rz 19) oder die Feststellungen zur berechtigten Mietminderung aus dem Zahlungsprozess für den Kündigungsprozess wegen Zahlungsverzugs (BGH NJW 19, 2308 [BGH 10.04.2019 - VIII ZR 12/18] Rz 30). Nicht präjudiziell ist entgegen früherer Auffassung in der Rspr und verbreiteter Ansicht der Literatur auch die rechtskräftige Entscheidung über den Grundbuchberichtigungsanspruch für das Bestehen oder Nichtbestehen des dinglichen Rechts (so aber RGZ 158, 43; BGH WM 78, 194, 195; St/J/Althammer § 322 Rz 209; MükoZPO/Gottwald § 322 Rn 103). Die dingliche Rechtslage ist für die Entscheidung über den Anspruch aus § 894 BGB richtigerweise nur Vorfrage, die nicht in Rechtskraft erwächst (BGH WM 00, 320, 321; WM 02, 705, 706; NJW-RR 08, 1397 Rz 19; NJW 19, 71 Rz 20; ebenso Zö/G.Vollkommer Vor § 322 Rz 36; Musielak/Voit/Musielak § 322 Rz 24; ThoPu/Reichold § 322 Rz 10; aA Fervers S 65 ff). Denn ihr Ziel ist nicht die Feststellung des dinglichen Rechts, sondern die Verschaffung der Buchposition, ebenso wie Ziel einer Klage nach § 985 nicht die Feststellung der präjudiziellen Vorfrage des Eigentums, sondern die Herausgabe des Besitzes ist (BGH NJW-RR 02, 516, 517 [BGH 30.10.2001 - VI ZR 127/00]). Keine Präjudizialität besteht nach hM auch im Verhältnis von gesetzlichem Unterlassungsanspruch und Schadensersatzanspruch. Da das Urt hinsichtlich des Grundes der Leistungspflicht nicht in Rechtskraft erwächst, ist weder die Bejahung oder Verneinung des Schadensersatzanspruchs präjudiziell für das Bestehen oder Nichtbestehen des Unterlassungsanspruchs, noch umgekehrt die Verurteilung im Unterlassungsprozess präjudiziell für den Schadensersatzanspruch bei Zuwiderhandlungen (BGHZ 150, 377, 383 = NJW-RR 02, 1617 – Faxkarte; R/S/G § 154 Rz 10; MükoZPO/Gottwald § 322 Rz 58...

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