Prof. Dr. Barbara Völzmann-Stickelbrock
Rn 4
Eine Abänderungsklage ist möglich bei Verurteilung zu wiederkehrenden Leistungen nach § 258, die wenigstens tw in der Zukunft fällig werden. Hauptanwendungsfall des § 323 ist die Abänderung von Unterhaltsleistungen (Graba FF 14, 274). Aber auch Schmerzensgeldrenten (BGHZ 18, 149, 167 = NJW 55, 1675; NJW 07, 2475) und Verzugszinsen (BGHZ 100, 211, 213 = NJW 87, 3266, 3267) können bei einer wesentlichen Veränderung der Verhältnisse nach Maßgabe des § 323 angepasst werden. Die Art des Urteils spielt nach hM keine Rolle, erforderlich ist lediglich, dass es sich um ein jedenfalls tw stattgebendes Leistungsurteil handelt.
a) Abänderung des Anerkenntnisurteils.
Rn 5
Die Abänderung ist folglich nicht nur bei einem kontradiktorischen Urt nach § 323 I, sondern auch bei einem Anerkenntnisurteil möglich. Dies versteht sich nicht von selbst, da ein solches Urt nicht aufgrund von Behauptungen des Kl, sondern allein aufgrund des Anerkenntnisses des Bekl und ohne Rücksicht auf die materiell-rechtliche Begründetheit des Anspruchs ergeht. Auch die materielle Rechtskraft eines Anerkenntnisurteils führt aber grds zur Bindungswirkung und erlaubt deshalb weder eine freie, von der bisherigen Höhe unabhängige Neufestsetzung des Unterhalts noch eine abweichende Beurteilung derjenigen Verhältnisse, die bereits im vorausgegangenen Rechtsstreit eine Bewertung erfahren haben (Hamm FamRZ 98, 222; Karlsr FamRZ 95, 637, 638; Köln NJW-RR 87, 834; anders aber Bambg FamRZ 86, 702, 703; HK-ZPO/Saenger § 323 Rz 45).
Rn 6
Die Rechtslage ist ähnl zu beurteilen wie bei einem Versäumnisurteil, bei dem die Bindungswirkung nicht zweifelhaft ist. Allerdings liegen diesem die vom Kl vorgetragenen Tatsachen zugrunde. Da das Anerkenntnisurteil nicht auf einer passiven Säumnis des Unterhaltsschuldners, sondern auf dessen aktivem Mitwirken beruht, besteht kein Anlass, diesen hinsichtlich der Abänderbarkeit bei einem Anerkenntnisurteil besser zu stellen als bei einem Versäumnisurteil. Anderenfalls könnte er bei absehbar ungünstigem Prozessverlauf den Klageanspruch anerkennen und sich dadurch die freie Abänderbarkeit offenhalten (BGHZ 173, 210 = NJW 07, 2921, 2922). Auch den Unterhaltsgläubiger, der durch das Anerkenntnisurteil genau das erhalten hat, was er beantragt hatte, bindet dieses ebenso stark wie ein voll stattgebendes streitiges Urt (Gottwald FamRZ 05, 1495; Born NJW 07, 2924). Um den Unterhaltsgläubiger nicht zu benachteiligen, könnten nicht die subjektiven Beweggründe des Unterhaltsschuldners für das Anerkenntnis, sondern nur die dem Anerkenntnisurteil zu Grunde liegenden tatsächlichen Umstände dafür maßgebend sein, ob sich nachträglich eine Veränderung ergeben hat (BGHZ 173, 210 = NJW 07, 2921, 2923). Ist eine Anpassung des Anerkenntnisurteils an zwischenzeitlich geänderte Verhältnisse nicht möglich, da sich die Berechnung nicht nachvollziehen lässt, ist der geschuldete Unterhalt nach den gesetzlichen Vorschriften neu zu berechnen (BGHZ 173, 210 = NJW 07, 2921, 2923). Nach aA soll in diesem Fall keine Bindung bestehen (HK-ZPO/Saenger § 323 Rz 45).
b) Abänderung klageabweisender Urteile.
Rn 7
Bei einer Änderungsklage gegen ein klageabweisendes Urt ist zu differenzieren. Wurde eine Unterhaltsklage wegen fehlender Bedürftigkeit des Kl oder mangels Leistungsfähigkeit des Bekl abgewiesen, so ist nach hM nach Eintritt der vormals fehlenden Anspruchsvoraussetzungen keine Änderungsklage, sondern eine erneute Leistungsklage zu erheben (BGHZ 82, 246 = NJW 82, 578; NJW 05, 142; München NJW 09, 3246; MüKoZPO/Gottwald § 323 Rz 29). Die Gegenauffassung tritt im Hinblick auf die Schwierigkeiten, die bei Teilabweisungen und bei Verurteilungen über einen freiwillig geleisteten Betrag hinaus entstehen können, für eine generelle Anwendung des § 323 auch bei klageabweisenden Unterhaltsurteilen ein (Wax LMK 05, 27). Das überzeugt nicht, da dem klageabweisenden Ersturteil keine gerichtliche Prognose zugrunde liegt und ihm damit auch keine in die Zukunft reichende Rechtskraft zukommt, die nur nach Maßgabe des § 323 durchbrochen werden dürfte.
Rn 8
Anwendbar ist § 323 jedoch bei einem klageabweisenden Urt, wenn dieses bereits in einem früheren Abänderungsverfahren nach § 323 ergangen ist und daher iRe Abänderungsklage schon einmal bei der Überprüfung der ursprünglichen Prognose die künftige Entwicklung der Verhältnisse vorausschauend berücksichtigt wurde (BGH NJW 08, 1525 [BGH 20.02.2008 - XII ZR 101/05] mit Anm Born; NJW 12, 923, 924 mit Anm Born). Dies betrifft den Fall, dass ein Unterhaltsgläubiger, der seinen Unterhalt erfolgreich eingeklagt hatte, dessen Unterhaltsrente jedoch später – etwa wegen Wegfalls der Bedürftigkeit – im Wege der Abänderung aberkannt worden ist, in der Folge erneut Unterhalt verlangt (BGH FamRZ 05, 101, 102). Gleiches gilt im Falle eines Urteils, durch das der Unterhaltsanspruch für eine bestimmte Zeit zugesprochen und – etwa wegen der Annahme künftigen Wegfalls der Bedürftigkeit – ab einem in der Zukunft liegenden Zeitpunkt aberkannt worden ist. Denn die Streichung einer Unterhaltsrente beruht in diesen Fällen auf ei...