Prof. Dr. Barbara Völzmann-Stickelbrock
Rn 1
Durch das zum 1.9.09 in Kraft getretene FGG-RG (BGBl I, 2586) hat der Gesetzgeber die Regelungen über die Abänderung von Urteilen und anderen Titeln in Anlehnung an die für Unterhaltssachen geltenden Regelungen des FamFG neu strukturiert. Die Abänderbarkeit von Endentscheidungen in Unterhaltssachen (§ 323 V aF) fällt nunmehr nicht mehr in den Regelungsbereich der ZPO, sondern richtet sich nach den §§ 238 ff FamFG (hierzu Graba FF 18, 68). Die Vorschriften der §§ 323–323b müssen im Zusammenhang mit § 258 gesehen werden, der eine Verurteilung zu künftig fällig werdenden wiederkehrenden Leistungen vorsieht. Eine solche Verurteilung erfordert eine Prognoseentscheidung des Gerichts darüber, wie sich die Verhältnisse künftig entwickeln werden. Da diese in Rechtskraft erwächst, ist die Geltendmachung einer der Prognose zuwiderlaufenden Entwicklung kein neues Tatsachenvorbringen, sondern ein Angriff gegen die Richtigkeit des ersten Urteils. Die Abänderungsklage des § 323 ermöglicht die Durchbrechung der Rechtskraft eines Urteils aus Gründen der materiellen Gerechtigkeit, sog Billigkeitstheorie (BGHZ 103, 330, 337 = NJW 88, 1734, 1735; St/J/Althammer § 323 Rz 3). Nach aA soll keine Durchbrechung der Rechtskraft erfolgen, sondern das Abänderungsurteil im Einklang mit der Rechtskraft des fortbestehenden Titels stehen. Lediglich dessen Vollstreckbarkeit werde im Umfang der Abänderung beseitigt, sog Bestätigungstheorie (MüKoZPO/Gottwald § 323 Rz 9). Da nach allgA die Abänderungsklage bereits vor Rechtskraft des Ausgangstitels erhoben werden kann, ergeben sich in den praktischen Auswirkungen keine Unterschiede.
Rn 2
Da sich die wirtschaftlichen Verhältnisse der Parteien in unvorhergesehener Weise verändern können, wird für den Fall, dass die tatsächliche Entwicklung von der Prognoseentscheidung erheblich abweicht, eine Korrektur ermöglicht. Aus der Zielsetzung, unabsehbare Veränderungen der maßgebenden tatsächlichen Verhältnisse nachträglich zu berücksichtigen, ergeben sich zugleich die Grenzen für die Durchbrechung der bestehenden Rechtskraft. Die sich aus der Rechtskraft ergebende Bindungswirkung des Ersturteils darf auf Abänderungsklage nur insoweit beseitigt werden, als das Ersturteil auf Verhältnissen beruht, die sich nachträglich geändert haben (BGHZ 171, 206 = NJW 07, 1961, 1964; NJW 07, 1969, 1971).
I. Rechtsnatur.
Rn 3
Die Abänderungsklage ist eine prozessuale Gestaltungsklage, die sowohl dem Schuldner als auch dem Gläubiger zur Verfügung steht. Soweit mit ihr eine erneute Verurteilung erstrebt wird, ist sie zugleich auch Leistungsklage. Für einen zusätzlichen Feststellungsantrag fehlt das Rechtsschutzinteresse, da hierdurch eine iRd § 323 allein zulässige Abänderung des ursprünglichen Leistungsurteils nicht erreicht werden kann (BGH NJW 86, 3142, 3143). Soweit der Schuldner die Beseitigung der im Ersturteil ausgesprochenen Verpflichtung zur Entrichtung einer wiederkehrenden Leistung begehrt, ist die Klage als negative Feststellungsklage einzuordnen.
II. Anwendungsbereich.
1. Leistungsurteile.
Rn 4
Eine Abänderungsklage ist möglich bei Verurteilung zu wiederkehrenden Leistungen nach § 258, die wenigstens tw in der Zukunft fällig werden. Hauptanwendungsfall des § 323 ist die Abänderung von Unterhaltsleistungen (Graba FF 14, 274). Aber auch Schmerzensgeldrenten (BGHZ 18, 149, 167 = NJW 55, 1675; NJW 07, 2475) und Verzugszinsen (BGHZ 100, 211, 213 = NJW 87, 3266, 3267) können bei einer wesentlichen Veränderung der Verhältnisse nach Maßgabe des § 323 angepasst werden. Die Art des Urteils spielt nach hM keine Rolle, erforderlich ist lediglich, dass es sich um ein jedenfalls tw stattgebendes Leistungsurteil handelt.
a) Abänderung des Anerkenntnisurteils.
Rn 5
Die Abänderung ist folglich nicht nur bei einem kontradiktorischen Urt nach § 323 I, sondern auch bei einem Anerkenntnisurteil möglich. Dies versteht sich nicht von selbst, da ein solches Urt nicht aufgrund von Behauptungen des Kl, sondern allein aufgrund des Anerkenntnisses des Bekl und ohne Rücksicht auf die materiell-rechtliche Begründetheit des Anspruchs ergeht. Auch die materielle Rechtskraft eines Anerkenntnisurteils führt aber grds zur Bindungswirkung und erlaubt deshalb weder eine freie, von der bisherigen Höhe unabhängige Neufestsetzung des Unterhalts noch eine abweichende Beurteilung derjenigen Verhältnisse, die bereits im vorausgegangenen Rechtsstreit eine Bewertung erfahren haben (Hamm FamRZ 98, 222; Karlsr FamRZ 95, 637, 638; Köln NJW-RR 87, 834; anders aber Bambg FamRZ 86, 702, 703; HK-ZPO/Saenger § 323 Rz 45).
Rn 6
Die Rechtslage ist ähnl zu beurteilen wie bei einem Versäumnisurteil, bei dem die Bindungswirkung nicht zweifelhaft ist. Allerdings liegen diesem die vom Kl vorgetragenen Tatsachen zugrunde. Da das Anerkenntnisurteil nicht auf einer passiven Säumnis des Unterhaltsschuldners, sondern auf dessen aktivem Mitwirken beruht, besteht kein Anlass, diesen hinsichtlich der Abänderbarkeit bei einem Anerkenntnisurteil besser zu stellen als bei einem Versäumnisurteil. Anderenfalls könnte er bei absehbar ungünstigem Prozessverlauf den Klageanspruch ...