Prof. Dr. Barbara Völzmann-Stickelbrock
1. Grundlagen.
Rn 32
Voraussetzung für die Begründetheit einer Abänderungsklage ist eine wesentliche Veränderung der für die Ausgangsentscheidung maßgebenden Verhältnisse in tatsächlicher oder rechtlicher Hinsicht im Hinblick auf den Anspruchsgrund, die Bestimmung der Höhe der Leistungen oder die Dauer der Entrichtung. Die Beweislast für das Vorliegen der für ihn günstigen wesentlichen Veränderung trägt der Kl (BGH NJW 87, 1201; Brandbg FamRZ 05, 815). Soweit er sich zur Begründung seiner Klage auf Tatsachen wie die Verbesserung der Einkommensverhältnisse des Verpflichteten stützt, die diesem genauer bekannt sind als dem Kl, trifft den Bekl aber eine sekundäre Behauptungslast. Er hat durch substantiiertes Bestreiten des Anspruchs zur Aufklärung beizutragen (Musielak/Voit/Borth § 323 Rz 37). Für die rechtshindernde Tatsache der fehlenden Leistungsfähigkeit trifft den Verpflichteten die Beweislast (Naumbg FamRZ 03, 1022, 1023). Auf eine abweichende Beurteilung der im Erstprozess maßgeblichen, unveränderten Verhältnisse kann die Abänderungsklage nach hM nicht gestützt werden (BGH VersR 81, 281; Hamm NJW 84, 315 [OLG Hamm 06.06.1983 - 8 UF 67/83]; MüKoZPO/Gottwald § 323 Rz 70; aA Würthwein ZZP 112 [1999], 469).
2. Änderung der tatsächlichen Verhältnisse.
Rn 33
Die geänderten Verhältnisse können zum einen in einer Veränderung der finanziellen Leistungsfähigkeit der Verpflichteten bestehen, zB bei längerer Arbeitslosigkeit (KG NJW 85, 869 [KG Berlin 07.09.1984 - 17 WF 4675/84]); bei Eintritt von Erwerbsunfähigkeit aufgrund Krankheit (BGH FamRZ 84, 353 [BGH 26.01.1983 - IVb ZR 347/81]), bei Bezug oder Wegfall einer Rente (BGH NJW-RR 89, 322; NJW 90, 709), bei einem gestiegenen Selbstbehalt aufgrund Änderung der Unterhaltsleitlinien oder Umzug in die alten Bundesländer (BGHZ 173, 210 = NJW 07, 2921). Eine Änderung kann sich aber zum anderen auch in einem veränderten Bedarf des Berechtigten manifestieren, zB durch erhöhten Unterhaltsbedarf aufgrund des Erreichens einer höheren Altersstufe (BGHZ 162, 234, 237 = NJW 05, 1279), Änderung der Lebenshaltungskosten (Hambg FamRZ 83, 211; BGH NJW 07, 2475) oder das Hinzukommen oder den Wegfall von Unterhaltsberechtigten (BGH NJW 12, 923, 925; Hamm FamRZ 92, 321; Nürnbg FamRZ 96, 1090). Die Änderung der Werte einer Unterhaltstabelle stellt dabei für sich gesehen keine Änderung der tatsächlichen Verhältnisse dar. Da sie aber darauf beruht, dass sich die wirtschaftlichen Verhältnisse sowohl auf Seiten des Bedürftigen als auch auf Seiten des Verpflichteten infolge Änderung der Lebenshaltungskosten und der Einkommensverhältnisse seit der letzten Festsetzung dieser Sätze gewandelt haben, ist das auf die Änderung der Bedarfssätze gestützte Abänderungsverlangen einer Partei als Behauptung zu sehen, dass sich die Einkommen und/oder die Lebenshaltungskosten seit der vorausgegangenen Fassung in diesem Umfang geändert haben (BGH FamRZ 95, 221, 222).
Rn 34
Weiterhin können auch Billigkeitsgründe, wie etwa Einwendungen, die zu einem Wegfall oder einer Herabsetzung des Anspruchs nach § 1579 BGB führen (BGH NJW-RR 90, 1410; NJW 97, 1851 [BGH 12.03.1997 - XII ZR 153/95]), eine Klage nach § 323 begründen. Auch eine Änderung des Zinsniveaus bei Urteilen auf Zahlung von über den gesetzlichen Zinssatz hinausgehenden Zinsen kann zur Begründung der Klage nach § 323 herangezogen werden (BGHZ 100, 211, 213 = NJW 87, 3266, 3267). Schließlich können auch Prognosefehler die Klage nach § 323 begründen, wenn eine vorhergesehene Änderung der tatsächlichen Verhältnisse gerade nicht wie angenommen eingetreten ist, etwa die erwartete Arbeitsstelle nicht gefunden werden konnte (Hamm FamRZ 95, 1217; Kobl FamRZ 02, 471, 472).
3. Änderung der rechtlichen Verhältnisse.
Rn 35
Eine Veränderung der maßgeblichen Verhältnisse kann sich weiterhin aus einer Änderung der rechtlichen Verhältnisse ergeben (BGHZ 153, 372, 383 = NJW 03, 1518; NJW 09, 3303, 3305; NJW 10, 3582; NJW 12, 1807). Diese kann bestehen in einer Änderung der Gesetzeslage, wie bspw der Begrenzung des nachehelichen Unterhalts nach §§ 1569, 1578b BGB durch das UÄndG 2007, der ihr gleichkommenden verfassungskonformen Auslegung einer Norm durch das BVerfG (BVerfG NJW 90, 3020 [BGH 12.07.1990 - XII ZR 85/89]) oder einer Änderung der höchstrichterlichen Rspr, wonach zB im Falle der Aufnahme einer nachehelichen Erwerbstätigkeit durch den Unterhaltsberechtigten das dadurch erzielte Einkommen bei der Berechnung seines nachehelichen Unterhalts nicht im Wege der Anrechnungs-, sondern im Wege der Differenzmethode zu berücksichtigten ist (BGHZ 148, 105 = NJW 01, 2254). Die Gesetzesänderung muss aber für den konkreten Einzelfall erheblich sein. Daran fehlt es zB bei einem nach Veröffentlichung der Entscheidung BGH NJW 06, 2401 [BGH 12.04.2006 - XII ZR 240/03] festgelegten Aufstockungsunterhalt, da das Inkrafttreten des § 1578b BGB für diese Fälle keine materielle Rechtsänderung herbeiführt (BGHZ 183, 197 = NJW 10, 365; NJW 10, 1595; NJW 12, 923, 925; NJW 12, 2514; NJW 13, 866, 867; aA Stuttg NJW-RR 09, 727; Celle FamRZ 09, 2105; Graba FuR 08, 100, 103) und auch § 36 Nr 1...