Prof. Dr. Barbara Völzmann-Stickelbrock
1. Inhalt.
Rn 42
Die Präklusionsregelung des § 323 II entspricht § 767 II. Sie ist durch die Neufassung iRd FGG-RG nur zum Zwecke der Präzisierung und Klarstellung sprachlich modifiziert, nicht aber inhaltlich verändert worden (BTDrs 16/6308, 257). Die Gründe, auf welche die Abänderungsklage gestützt wird, dürfen erst nach Schluss der letzten mündlichen Tatsachenverhandlung über den Sachantrag entstanden sein (BGH NJW 00, 3789; NJW 10, 1595, 1597 [BGH 27.01.2010 - XII ZR 100/08]; Köln NJW-RR 96, 1349, 1350 [OLG Köln 30.03.1995 - 10 UF 204/95]). Bei Rücknahme der Berufung wird der Schluss der mündlichen Verhandlung in der ersten Instanz wieder zum nach § 323 II maßgeblichen Zeitpunkt (BGHZ 96, 205, 211 = NJW 86, 383; NJW 12, 923, 924; aA Zweibr FamRZ 89, 304). Bei einem Versäumnisurteil sind nur nach Ablauf der Einspruchsfrist eingetretene Tatsachen nicht präkludiert (Rn 31). Bei mehreren aufeinander folgenden Abänderungsklagen ist auf den Schluss der letzten mündlichen Verhandlung des letzten Verfahrens abzustellen (BGH NJW 98, 161 [BGH 01.10.1997 - XII ZR 49/96]). Veränderungen, die bereits im Erstprozess vorhersehbar waren, jedoch im ersten Verfahren nicht berücksichtigt wurden, werden tw nicht als Abänderungsgründe zugelassen (BGH FamRZ 01, 905, 906; Köln FamRZ 80, 398; KG FamRZ 90, 1122). Auch wenn es sinnvoll ist, sicher vorhersehbare Veränderungen, wie das baldige Erreichen der nächsten Altersstufe des Unterhaltsberechtigten oder den Eintritt des Rentenalters des Verpflichteten bereits in der Erstentscheidung mit zu berücksichtigen, ist für die Präklusion von Abänderungsgründen aber nicht darauf abzustellen, ob die Abänderungstatsache im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung des Vorprozesses vorhersehbar war, sondern darauf, ob sie bereits objektiv eingetreten war (Bambg FamRZ 90, 187; Hamm FamRZ 03, 460; Karlsr FamRZ 04, 1052; R/Schw/Gottwald § 157 Rz 23; St/J/Althammer § 323 Rz 46).
2. Grenzen.
Rn 43
Die Bestimmung des § 323 II errichtet nach hM eine zeitliche Schranke nur für den Abänderungskläger (BGHZ 98, 353, 360 = NJW 87, 1201; BGH NJW 92, 364, 366). Hieran soll sich ausweislich der Gesetzesbegründung, in der von einer Tatsachenpräklusion für den Antragsteller die Rede ist (BTDrs 16/6208, 257), auch durch das FGG-RG nichts ändern. Der Bekl kann zur Verteidigung des Ersturteils gegen das Abänderungsbegehren des Kl auch solche Tatsachen in den Prozess einführen, die bereits während des Erstprozesses vorgelegen haben, dort aber nicht vorgetragen wurden und infolgedessen unberücksichtigt geblieben sind (BGH FamRZ 01, 1364, 1365). Dies wird in der Literatur zu Recht kritisiert, da hierdurch die Waffengleichheit der Parteien verletzt wird. (MüKoZPO/Gottwald § 323 Rz 79).
Rn 44
Jedenfalls für ein mögliches zweites Abänderungsverfahren schränkt der BGH die Möglichkeit des Bekl, sich auf die tw Geltendmachung von Abänderungsgründen zu beschränken, sachgerecht ein. Versäumt er es, in einem ersten, auf Unterhaltserhöhung gerichteten Abänderungsprozess die bereits bestehenden, für eine Herabsetzung sprechenden Gründe geltend zu machen, kann er auf diese Gründe keine neue Abänderungsklage stützen. Auf diese Weise wird vermieden, dass es zu gesonderten Abänderungsverfahren für Erhöhungs- und Herabsetzungsverlangen und damit zu einer unzweckmäßigen Verdoppelung von Prozessen über den gleichen Lebenssachverhalt mit der damit verbundenen Gefahr einander widersprechender gerichtlicher Entscheidungen kommt. Die Präklusionswirkung des § 323 II gewährleistet damit, dass Gegenstand einer zulässig eingeleiteten Abänderungsklage stets der volle Unterhalt ist und nicht nur die Frage, ob aufgrund veränderter Verhältnisse eine Erhöhung oder Herabsetzung in Betracht kommt. Um den Einfluss veränderter Umstände auf den titulierten Unterhaltsanspruch in einem einheitlichen Verfahren nach allen Seiten zu klären, wurde eine Partei, die ihrerseits eine Änderung anstrebt, als verpflichtet angesehen, in einem vom Gegner eingeleiteten Klageverfahren ihre Änderungsgründe nicht nur als Einwendung geltend zu machen, sondern bei einem weitergehenden Abänderungsbedarf eine selbstständige Abänderungswiderklage zu erheben (BGHZ 136, 374, 378 = NJW 98, 161). Die Rspr hält an dieser Ausweitung der Präklusionswirkung des § 323 II ausdrücklich nicht mehr fest (BGHZ 218, 213 = BGH NJW 18, 2753 Rz 17). Ein Abänderungsantrag des Prozessgegners kann mithin zulässigerweise auch auf Tatsachen gestützt werden, die schon im vorausgegangenen Verfahren hätten berücksichtigt werden können, soweit die begehrte Unterhaltsänderung nicht Gegenstand des Vorverfahrens war. Dies steht im Einklang mit den Grenzen materieller Rechtskraft und ist daher zu begrüßen.
3. Härtefälle.
Rn 45
Die im Gesetzesentwurf in § 323 II und der Parallelvorschrift des § 238 II FamFG für Verfahren in Familiensachen und in Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit vorgesehene Härteklausel, wonach auch Alttatsachen ausnahmsweise zur Begründung des Abänderungsantrags herangezogen werden können, wenn deren Nicht...