Prof. Dr. Barbara Völzmann-Stickelbrock
1. Gesetzliche Grenze.
Rn 49
Die Abänderung des Urteils ist grds nur für die Zeit ab Rechtshängigkeit der Klage möglich. Die neue Formulierung des § 323 III soll klarstellen, dass der Abänderungsantrag hinsichtlich des vor dem maßgeblichen Zeitpunkt liegenden Teils unzulässig ist und dass die bloße Einreichung des Abänderungsantrags bei Gericht nicht reicht, sondern grds die Zustellung des Antrags an den Gegner maßgeblich ist (BTDrs 16/6308, 258). Das Abstellen auf den Tag der Klagezustellung entspricht bisheriger höchstrichterlicher Rspr (BGH NJW 90, 709, 710; NJW 04, 1712, 1714; aA Stuttg FamRZ 80, 393, 394; Hamm FamRZ 87, 1302, 1304). Eine Rückwirkung auf den Zeitpunkt der Klageeinreichung entspr § 167 findet nicht statt (Hamm FamRZ 86, 386; Köln FamRZ 87, 616, 618; Maurer FamRZ 88, 445, 448).
a) Vorhergehendes PKH-Verfahren.
Rn 50
Auch bei einem vorangehenden Prozesskostenhilfeverfahren stellt der BGH allein auf die nachfolgende Klageerhebung ab. Eine Vorverlegung des Zeitpunktes wird nicht für notwendig erachtet, da die arme Partei nach § 14 Nr 3 GKG die Möglichkeit habe, die Abänderungsklage ohne Zahlung eines Gerichtskostenvorschusses noch vor der Entscheidung über das Prozesskostenhilfegesuch zustellen zu lassen und ihr daher keine Nachteile entstünden (BGH NJW 82, 1050, 1051; NJW 84, 1458 [BGH 11.01.1984 - IVb ZR 10/82]; Oldbg NJW-RR 03, 1090 [OLG Oldenburg 04.03.2003 - 12 U 36/02]; Musielak/Voit/Borth § 323 Rz 34; St/J/Althammer § 323 Rz 66). Zudem sei die Beauftragung eines Rechtsanwalts mit entsprechender Vorschusspflicht in isolierten Verfahren vor dem Familiengericht nicht zwingend (Karlsr FamRZ 80, 1149 [OLG Karlsruhe 22.05.1980 - 16 UF 241/79]; Hamm FamRZ 80, 1126, 1127). Auch wenn ein Anwaltszwang nicht besteht, verletzt es aber die prozessuale Chancengleichheit, wenn die auf Prozesskostenhilfe angewiesene Partei für die Anfertigung der Klageschrift auf die Rechtsantragsstelle verwiesen wird (MüKoZPO/Gottwald § 323 Rz 88; Wieczorek/Schütze/Büscher § 323 Rz 110). Als maßgeblicher Zeitpunkt für die Urteilsabänderung sollte daher auf die Zustellung des Prozesskostenhilfegesuchs an den Antragsgegner abgestellt werden (so schon Kobl FamRZ 79, 294; Frankf FamRZ 79, 963; Maurer FamRZ 88, 445, 448; iE auch Zö/G.Vollkommer § 323 Rz 45). Ob sich in dieser Frage durch die Neuformulierung des § 323 III eine Änderung ergeben soll, ist schwer zu beurteilen, da die Gesetzesbegründung im Zusammenhang mit der Klageeinreichung betont, dass auch die Einreichung eines entsprechenden Prozesskostenhilfegesuchs nicht genügt. Hieraus könnte man schließen, dass aber die Zustellung des Antrags an den Gegner ausreicht. Angesichts der Bezugnahme auf die Rspr des BGH (NJW 82, 1050 [BGH 20.01.1982 - IVb ZR 651/80]), erscheint aber fraglich, ob der Gesetzgeber sich hierdurch in diese Richtung äußern wollte.
b) Unzulässige oder unschlüssige Abänderungsklage.
Rn 51
Bei einer zunächst unzulässigen oder unschlüssigen Abänderungsklage soll für die Abänderung nach hM der Zeitpunkt maßgebend sein, in dem der Mangel behoben wird (Frankf FamRZ 85, 303, 304; Hambg FamRZ 85, 93, 94; Musielak/Voit/Borth § 323 Rz 35; MüKoZPO/Gottwald § 323 Rz 87). Ein solches Verständnis, das den Abänderungszeitpunkt noch weiter nach hinten verschiebt, als es die restriktive Zeitgrenze des § 323 III ohnehin vorsieht, ist weder durch den Wortlaut, der keine zulässige oder begründete Klage verlangt, noch durch den Sinn und Zweck des § 323 III, das Vertrauen des Verpflichteten in den Bestand der Entscheidung zu schützen, geboten. Sofern die Klage wirksam erhoben ist, kann daher auch bei späterer Behebung eines Zulässigkeitsmangels oder Substantiierung des bis dahin unschlüssigen Klagevorbringens während des Prozesses die Abänderung ab dem Zeitpunkt der Klageerhebung ausgesprochen werden (Wieczorek/Schütze/Büscher § 323 Rz 109).
2. Härtefälle.
Rn 52
Die zeitliche Begrenzung der Abänderungsmöglichkeit trägt dem Vertrauen des Verpflichteten Rechnung, nicht mit Forderungen über den titulierten Anspruch hinaus für die Vergangenheit konfrontiert zu werden (BGH NJW 98, 2433, 2434 [BGH 22.04.1998 - XII ZR 221/96]). Sie ist jedoch bedenklich, wenn der Kl aus nicht von ihm zu vertretenden Gründen an einer früheren Klageerhebung gehindert war (krit Meister FamRZ 80, 864, 869; Gottwald FamRZ 92, 1374, 1375 f; Braun NJW 95, 936). Insbesondere bei Verstoß gegen die Aufklärungs- und Informationspflicht sollte § 323 III daher teleologisch reduziert und die Abänderung rückwirkend für den Zeitpunkt zugelassen werden, in dem der Kl bei pflichtgemäßer Information hätte Klage erheben können (MüKoZPO/Gottwald § 323 Rz 91). Nach hM ist der durch die Verletzung der Aufklärungs- und Informationspflichten entstehenden Unbilligkeit dagegen nur durch die Anwendung des § 826 BGB zu begegnen (BGH NJW 86, 2047; Oldbg FamRZ 96, 804; Wieczorek/Schütze/Büscher § 323 Rz 111). Rechtspolitisch bedenklich ist die Vorschrift schließlich auch deswegen, weil sie den Kl zu einer frühzeitigen Klage zwingt, da er für den Zeitraum des Bemühens um eine gütliche Einigung keine Abänderung verlangen kann, obgleich das Vertrauen...