Prof. Dr. Barbara Völzmann-Stickelbrock
I. Regelungsgehalt.
Rn 1
Die Regelung des § 323a ersetzt die bisherige Verweisung in § 323 IV aF auf die Absätze I–III. Das ist grds zu begrüßen, da die Verweisung als überholt anzusehen war. Bei Schaffung des § 323 IV aF im Jahre 1919 war das materiell-rechtliche Institut des Fortfalls der Geschäftsgrundlage noch nicht entwickelt, so dass die einzige Abänderungsmöglichkeit, die das Gesetz für Urteile vorsah, auf gerichtliche Vergleiche und außergerichtliche vollstreckbare Urkunden erstreckt wurde. Nach Entwicklung des Rechtsinstituts des Wegfalls der Geschäftsgrundlage und erst recht nach dessen Normierung in § 313 BGB führte die beabsichtigte Erweiterung der Abänderungsmöglichkeit durch die zeitlichen Schranken des § 323 II und III zu einer Einschränkung, die sonst bei anderen Titeln nicht bestanden hätte. Aus diesem Grund wurden § 323 II und III auf andere Titel als Urteile nach der bisherigen Rechtslage nicht angewendet (BGHZ 85, 64, 73 = NJW 83, 228; NJW 10, 2349; NJW 12, 2514, 2515; NJW 13, 2358 Rz 15). Da die inhaltlichen Voraussetzungen der Abänderung sonstiger Titel zudem dem materiellen Recht zu entnehmen sind (BGHZ 128, 323 = NJW 95, 1346), hatte die Verweisung auf § 323 I – bis auf die Bezeichnung der Klage als Änderungsklage – praktisch keine Bedeutung mehr. Für die in § 323 IV aF noch mit angeführten Titel nach § 794 I Nr 2a richtet sich das Verfahren ab 1.9.09 nach den Vorschriften des FamFG (§§ 238 ff FamFG). Anzuwenden ist das bis zum 31.9.09 geltende Verfahrensrecht, wenn das Abänderungsverfahren bis zu diesem Zeitpunkt eingeleitet wurde, wobei ein Antrag auf Prozesskostenhilfe ausreicht (BGH NJW 13, 2358, 2359 [BGH 29.05.2013 - XII ZB 374/11]).
II. Anwendungsbereich.
1. Prozessvergleich und vollstreckbare Urkunde.
Rn 2
Die Regelung bezieht sich unmittelbar nur auf den Prozessvergleich und auf vollstreckbare Urkunden, sofern diese eine Verpflichtung zur Zahlung einer künftig fällig werdenden wiederkehrenden Leistung enthalten.
a) Prozessvergleich.
Rn 3
Haben die Parteien durch Vergleich nach § 794 I Ziff 1 geregelt, dass für die Zukunft kein Unterhaltsanspruch bestehen soll, ist die Rspr zur Zulässigkeit der Abänderungsklage bei klageabweisenden Urteilen nicht übertragbar, denn beim Vergleich ist das Nichtbestehen des Anspruchs nicht rechtskräftig festgestellt. § 323a I erfasst mithin nicht die Fälle, in denen für die Zukunft keine Leistungspflicht festgelegt worden ist. Eine analoge Anwendung über den Wortlaut des § 323a I hinaus kommt nicht in Betracht (BGHZ 172, 22 = NJW 07, 2249, 2251; NJW 13, 1530, 1532 zu § 323 IV aF).
b) Vollstreckbare Urkunde.
Rn 4
Zu den Urkunden iSv § 323a I gehören neben notariellen Urkunden nach § 794 I Ziff 5 auch Jugendamtsurkunden nach §§ 59, 60 SGB III in vor dem 1.9.09 eingeleiteten Verfahren, da es sich hierbei um im Rahmen amtlicher Befugnisse errichtete vollstreckbare Urkunden handelt (BGH NJW 85, 64 [BGH 27.06.1984 - IVb ZR 21/83]; NJW-RR 07, 779 [BGH 14.02.2007 - XII ZB 171/06]; NJW 11, 1874 [BGH 04.05.2011 - XII ZR 70/09]). Die Abänderung setzt nach dem Wortlaut des § 323a nicht voraus, dass die Verpflichtung zur Zahlung künftig fällig werdender wiederkehrender Leistungen auf einer Vereinbarung der Parteien beruht. Auch einseitige Verpflichtungserklärungen werden hiervon erfasst (BGH NJW 84, 997; Ddorf FamRZ 06, 1212; hierzu auch Rn 15). Bei nach dem 1.9.09 ergangenen Entscheidungen ist zu differenzieren. Bei der Abänderung eines Unterhaltstitels greift vorrangig die Sonderregelung des § 239 FamFG ein, wenn diesem ein gesetzlich geregelter Unterhaltsanspruch zugrunde liegt (Musielak/Voit/Barth § 323a Rz 1c). Werden Unterhaltsansprüche in einer Vereinbarung nach § 794 I Ziff 1 niederlegt, greift § 323a (siehe Rn 3).
2. Sonstige Titel.
Rn 5
Wegen des in § 323 zum Ausdruck kommenden allg Rechtsgedankens der clausula rebus sic stantibus, der auch dem § 313 BGB zugrunde liegt, ist die Norm nach hM grds weit auszulegen (BGHZ 34, 115 = NJW 61, 871; 98, 357 = NJW 87, 1201). Daran dürfte sich auch durch die Aufteilung in zwei separate Vorschriften nichts ändern. Auf andere, nicht in § 323a genannte Schuldtitel, ist die Regelung daher entsprechend anzuwenden, soweit diese bürgerlich-rechtliche Ansprüche auf künftig fällig werdende wiederkehrende Leistungen zum Gegenstand haben. Da die Abänderung eines Titels über § 323a aber grds einen prozessualen Sonderfall darstellt, ist im Einzelfall genau zu prüfen, ob es tatsächlich um die Korrektur eines Prognosefehlers aus Billigkeitserwägungen geht. Sinngemäß anzuwenden ist § 323a danach auf:
a) Anwaltsvergleiche.
Rn 6
Sie sind nach § 323a abänderbar, sofern sie für vollstreckbar erklärt worden sind, §§ 796a–c (Anders/Gehle/Anders ZPO § 323a Rz 5).
b) Gerichtlich bestätigte Einigung nach § 46 ZPO-DDR.
Rn 7
Diese ist abänderbar nach § 323a, denn sofern die Voraussetzungen für die Verbindlichkeit gem §§ 46 I und II und 83 IV DDR-ZPO gegeben waren, steht die Einigung einem vollstreckbaren Prozessvergleich iSd § 794 I Nr 1 gleich (BGH NJW 95, 1345, 1346 [BGH 25.01.1995 - XII ZR 247/93]).
c) Schuldenbereinigungspläne.
Rn 8
Sie sind nach § 323a abänderbar, da § 308 I 2 InsO auf § 794 I Nr 1 verweist.
d) Schiedssprüche mit vereinbartem Wortlaut.
Rn 9
Für vollstreckbar erklärte Schiedsvergleiche nach § 1044a aF sind nach § 323a abänderb...