Prof. Dr. Barbara Völzmann-Stickelbrock
1. Prozessvergleich und vollstreckbare Urkunde.
Rn 2
Die Regelung bezieht sich unmittelbar nur auf den Prozessvergleich und auf vollstreckbare Urkunden, sofern diese eine Verpflichtung zur Zahlung einer künftig fällig werdenden wiederkehrenden Leistung enthalten.
a) Prozessvergleich.
Rn 3
Haben die Parteien durch Vergleich nach § 794 I Ziff 1 geregelt, dass für die Zukunft kein Unterhaltsanspruch bestehen soll, ist die Rspr zur Zulässigkeit der Abänderungsklage bei klageabweisenden Urteilen nicht übertragbar, denn beim Vergleich ist das Nichtbestehen des Anspruchs nicht rechtskräftig festgestellt. § 323a I erfasst mithin nicht die Fälle, in denen für die Zukunft keine Leistungspflicht festgelegt worden ist. Eine analoge Anwendung über den Wortlaut des § 323a I hinaus kommt nicht in Betracht (BGHZ 172, 22 = NJW 07, 2249, 2251; NJW 13, 1530, 1532 zu § 323 IV aF).
b) Vollstreckbare Urkunde.
Rn 4
Zu den Urkunden iSv § 323a I gehören neben notariellen Urkunden nach § 794 I Ziff 5 auch Jugendamtsurkunden nach §§ 59, 60 SGB III in vor dem 1.9.09 eingeleiteten Verfahren, da es sich hierbei um im Rahmen amtlicher Befugnisse errichtete vollstreckbare Urkunden handelt (BGH NJW 85, 64 [BGH 27.06.1984 - IVb ZR 21/83]; NJW-RR 07, 779 [BGH 14.02.2007 - XII ZB 171/06]; NJW 11, 1874 [BGH 04.05.2011 - XII ZR 70/09]). Die Abänderung setzt nach dem Wortlaut des § 323a nicht voraus, dass die Verpflichtung zur Zahlung künftig fällig werdender wiederkehrender Leistungen auf einer Vereinbarung der Parteien beruht. Auch einseitige Verpflichtungserklärungen werden hiervon erfasst (BGH NJW 84, 997; Ddorf FamRZ 06, 1212; hierzu auch Rn 15). Bei nach dem 1.9.09 ergangenen Entscheidungen ist zu differenzieren. Bei der Abänderung eines Unterhaltstitels greift vorrangig die Sonderregelung des § 239 FamFG ein, wenn diesem ein gesetzlich geregelter Unterhaltsanspruch zugrunde liegt (Musielak/Voit/Barth § 323a Rz 1c). Werden Unterhaltsansprüche in einer Vereinbarung nach § 794 I Ziff 1 niederlegt, greift § 323a (siehe Rn 3).
2. Sonstige Titel.
Rn 5
Wegen des in § 323 zum Ausdruck kommenden allg Rechtsgedankens der clausula rebus sic stantibus, der auch dem § 313 BGB zugrunde liegt, ist die Norm nach hM grds weit auszulegen (BGHZ 34, 115 = NJW 61, 871; 98, 357 = NJW 87, 1201). Daran dürfte sich auch durch die Aufteilung in zwei separate Vorschriften nichts ändern. Auf andere, nicht in § 323a genannte Schuldtitel, ist die Regelung daher entsprechend anzuwenden, soweit diese bürgerlich-rechtliche Ansprüche auf künftig fällig werdende wiederkehrende Leistungen zum Gegenstand haben. Da die Abänderung eines Titels über § 323a aber grds einen prozessualen Sonderfall darstellt, ist im Einzelfall genau zu prüfen, ob es tatsächlich um die Korrektur eines Prognosefehlers aus Billigkeitserwägungen geht. Sinngemäß anzuwenden ist § 323a danach auf:
a) Anwaltsvergleiche.
Rn 6
Sie sind nach § 323a abänderbar, sofern sie für vollstreckbar erklärt worden sind, §§ 796a–c (Anders/Gehle/Anders ZPO § 323a Rz 5).
b) Gerichtlich bestätigte Einigung nach § 46 ZPO-DDR.
Rn 7
Diese ist abänderbar nach § 323a, denn sofern die Voraussetzungen für die Verbindlichkeit gem §§ 46 I und II und 83 IV DDR-ZPO gegeben waren, steht die Einigung einem vollstreckbaren Prozessvergleich iSd § 794 I Nr 1 gleich (BGH NJW 95, 1345, 1346 [BGH 25.01.1995 - XII ZR 247/93]).
c) Schuldenbereinigungspläne.
Rn 8
Sie sind nach § 323a abänderbar, da § 308 I 2 InsO auf § 794 I Nr 1 verweist.
d) Schiedssprüche mit vereinbartem Wortlaut.
Rn 9
Für vollstreckbar erklärte Schiedsvergleiche nach § 1044a aF sind nach § 323a abänderbar; nicht aber Schiedssprüche mit vereinbartem Wortlaut nach §§ 1053 I 2, 1060 I. Wegen der Gleichstellung mit dem Urt durch § 1055 gilt für sie vielmehr § 323 (Musielak/Voit/Musielak § 323a Rz 1; St/J/Althammer § 323a Rz 3; Anders/Gehle/Anders ZPO § 323a Rz 5).
3. Vereinbarte Abänderung.
Rn 10
Es erscheint grds unbedenklich, wenn die Parteien auch bei privatschriftlichen Vereinbarungen, etwa außergerichtlichen Vergleichen, die Abänderbarkeit nach § 323a vereinbaren. Praktische Auswirkungen kommen dem jedoch nicht zu, da hier erst recht keine zeitlichen Schranken gelten und eine Abänderungsmöglichkeit auch ohne entsprechende Vereinbarung iRd § 313 BGB besteht.
4. Ausschluss der Abänderbarkeit.
Rn 11
Ein zwischen den Parteien vereinbarter Ausschluss der Abänderbarkeit findet seine Grenze dort, wo dieser einem unzulässigen Unterhaltsverzicht für die Zukunft gleichkäme (Hamm FamRZ 01, 1023). Ansonsten ist ein Ausschluss zum Nachteil des Unterhaltsschuldners grds möglich (Saarbr FuR 04, 245), es sei denn, der eigene Unterhalt des Verpflichteten ist nicht mehr gesichert (Zweibr FamRZ 82, 302 [OLG Zweibrücken 24.09.1981 - 6 UF 7/81]). Ein Verzicht auf die Abänderbarkeit ist aber nicht schon darin zu sehen, dass im Vergleich keine Grundlagen der Unterhaltsvereinbarung niedergelegt wurden (BGH NJW 10, 440; zust Bosch FF 10, 124; Hoppenz FamRZ 10, 276). Sind sich die Parteien einig, dass mit dem Vergleich eine restlose und endgültige Regelung getroffen und damit eine spätere Abänderung wegen nicht vorhersehbarer Veränderungen der maßgeblichen Verhältnisse ausdrücklich ausgeschlossen werden soll, sollten sie dies ausdrücklich niederlegen und nicht lediglich die Anwendung des § 323a ausschließen (Viefhues/Steiniger Z...