Prof. Dr. Barbara Völzmann-Stickelbrock
Gesetzestext
Ist bei einer nach den §§ 843 bis 845 oder §§ 1569 bis 1586b des Bürgerlichen Gesetzbuchs erfolgten Verurteilung zur Entrichtung einer Geldrente nicht auf Sicherheitsleistung erkannt, so kann der Berechtigte gleichwohl Sicherheitsleistung verlangen, wenn sich die Vermögensverhältnisse des Verpflichteten erheblich verschlechtert haben; unter der gleichen Voraussetzung kann er eine Erhöhung der in dem Urteil bestimmten Sicherheit verlangen.
A. Normzweck.
I. Regelungsgehalt.
Rn 1
Die Vorschrift dient der Sicherung des Gläubigers einer Geldrente für den Fall, dass durch eine erhebliche Verschlechterung der Vermögensverhältnisse des Schuldners die künftige Vollstreckung der Rentenforderung gefährdet ist. Sie ermöglicht durch eine ggü § 323 vorrangige Nachforderungsklage die Anordnung bzw Erhöhung einer Sicherheitsleistung. Materiell-rechtliche Grundlagen für die Anordnung einer in das Ermessen des Gerichts gestellten Sicherheitsleistung im Vorprozess sind § 843 II 2 und § 1585a I BGB.
II. Anwendungsbereich.
Rn 2
Anwendbar ist § 324 bei der Verurteilung zur Zahlung einer deliktischen Schadensrente wegen Tötung, Verletzung oder Freiheitsentziehung nach §§ 843–845 BGB und bei der Geldrente wegen Unterhaltsforderungen im Scheidungsfall nach § 1569 ff BGB. Darüber hinaus gilt § 324 auch für andere Renten soweit in den jeweiligen Vorschriften auf § 843 BGB verwiesen wird, wie zB § 618 III BGB, § 62 III HGB, § 14 II UmweltHG, § 9 II ProdHG. Ähnliche Regelungen enthalten die § 8 III HaftPflG, § 13 III StVG, § 38 III LuftVG, § 30 III AtomG. Nach § 38 III 2 LuftVG kann Sicherheitsleistung auch bei Prozessvergleichen und notariellen Urkunden nachgefordert werden. Über diesen spezialgesetzlich geregelten Fall hinaus lehnt ein Teil der Lit die Anwendung des § 324 auf andere Vollstreckungstitel ab, sofern dies nicht darin ausdrücklich vorbehalten ist (St/J/Althammer § 324 Rz 3). Da die Gefahr für den Gläubiger, der § 324 begegnen will, bei diesen Titeln aber gleichermaßen besteht, spricht vieles für eine analoge Anwendung (so auch Wieczorek/Schütze/Büscher § 324 Rz 3; MüKoZPO/Gottwald § 324 Rz 4). Dies gilt umso mehr, als nach allgA § 324 über seinen Wortlaut hinaus auch für die Klage des Schuldners auf Wegfall oder Ermäßigung der Sicherheitsleistung im Fall der erheblichen Verbesserung der Vermögensverhältnisse nach seinem Sinn und Zweck entsprechend anzuwenden ist.
B. Voraussetzungen.
I. Urteil.
Rn 3
Die nachträgliche Anordnung einer Sicherheitsleistung setzt zunächst den Erlass eines Urteils auf Zahlung einer Geldrente nach den in Rn 2 genannten Vorschriften voraus. Dieses muss noch nicht rechtskräftig sein, dh der Gläubiger kann wie bei § 323 wählen, ob er ein Rechtsmittel einlegt oder Klage erhebt.
II. Erhebliche Vermögensverschlechterung.
Rn 4
Weiterhin muss nach dem Schluss der letzten mündlichen Verhandlung im Vorprozess eine erhebliche Verschlechterung der Vermögensverhältnisse des Schuldners eingetreten sein. Nicht ausreichend ist, wenn der Gläubiger hiervon erst später Kenntnis erlangt hat. Die Klage nach § 324 ist nicht gegeben bei Versuchen, Vermögenswerte dem Zugriff des Gläubigers zu entziehen, solange die Vermögenslage dabei unverändert bleibt (MüKoZPO/Gottwald § 324 Rz 5). Teile der Lit sprechen sich für diesen Fall nach dem Normzweck für eine analoge Anwendung des § 324 aus (Musielak/Voit/Musielak § 324 Rz 3; Wieczorek/Schütze/Büscher Rz 5; MüKoZPO/Gottwald § 324 Rz 5). Solchen Maßnahmen ist jedoch durch einen Antrag nach § 917 zu begegnen.
C. Verfahren und Entscheidung.
Rn 5
Die Nachforderungsklage ist ein selbstständiger Prozess, für den die Vollmacht des Vorprozesses nicht ausreicht. Die Behauptung der erheblichen Verschlechterung ist besondere Prozessvoraussetzung. Ihr Vorliegen ist iRd Begründetheit zu prüfen. Der Klageantrag ist darauf zu richten, dass hinsichtlich der zukünftig fällig werdenden Ansprüche Sicherheit zu leisten oder diese zu erhöhen ist bzw bei einem Antrag des Schuldners die Sicherheitsleistung ermäßigt bzw aufgehoben wird. Soweit das Gericht vom Urt des Vorprozesses in der Frage der Sicherheitsleistung abweicht, hebt es das frühere Urt auf. Wird die Sicherheitsleistung erstmalig angeordnet, ist das Urt Leistungsurteil. Bei einer Abänderung der bereits getroffenen Entscheidung über die Sicherheitsleistung wirkt es hingegen als Gestaltungsurteil für die Zukunft. Der Betrag der Sicherheitsleistung bemisst sich nur nach den nach Rechtskraft bzw vorläufiger Vollstreckbarkeit des Urteils fällig werdenden Raten. Für bereits fällige Raten, die beigetrieben werden können, besteht kein anzuerkennendes Bedürfnis nach einer Sicherheitsleistung mehr.