Prof. Dr. Barbara Völzmann-Stickelbrock
Rn 49
In der Literatur wird die Ansicht vertreten, über die gesetzlich geregelten Ausnahmefälle hinaus müsse ein Dritter unter bestimmten Voraussetzungen, etwa wenn ihm dies zumutbar sei, die rechtskräftige Entscheidung über ein vorgreifliches Rechtsverhältnis gegen sich gelten lassen (Blomeyer §§ 91 II, 93; Schwab ZZP 77 [1964], 124 ff). Einer solchen Ausweitung des Begriffs der materiellen Abhängigkeit ist der BGH bislang nicht gefolgt. Keine Rechtskrafterstreckung findet daher in folgenden Fällen statt:
Rn 50
Das zu Lasten des Hauptschuldners ergangene Urt muss sich der Bürge grds nicht entgegenhalten lassen (BGHZ 107, 92, 95 = NJW 89, 1276). Umgekehrt wirkt auch ein Urt des Gläubigers gegen den Bürgen nicht für und gegen den Hauptschuldner (BGHZ 76, 222, 230 = NJW 80, 1460). Ein im Prozess zwischen Schuldner und Bürgen ergangenes Urt wirkt nicht für und gegen den Gläubiger (BGH NJW 71, 701 [BGH 03.02.1971 - VIII ZR 94/69]).
Rn 51
Die Rechtskraft von Entscheidungen gegen die Gesellschafter erstreckt sich nicht auf die Gesellschaft (MüKoZPO/Gottwald § 325 Rz 78). Bspw ist die auf Auszahlung in Anspruch genommene Gesellschaft nicht an eine die Gewinnbeteiligung feststellende Entscheidung gebunden, welches einer der Gesellschafter gegen den anderen erwirkt hat (Huber JuS 72, 621, 627). Ebenso hat ein zwischen den Gesellschaftern ergangenes Urt über die Gesellschafterstellung einer Partei keine Rechtskraftwirkung ggü der GmbH (Ddorf DB 93, 2474). Der im Falle der Ausfallhaftung nach einer Kaduzierung gem §§ 21, 24 GmbHG auf Zahlung in Anspruch genommene Gesellschafter kann die Rechtmäßigkeit der Kaduzierung ohne Rücksicht auf ein im Verhältnis zwischen seinem Mitgesellschafter und der Gesellschaft bzw dem Insolvenzverwalter ergangenes Urt in Frage stellen (BGH NJW-RR 05, 338, 339 [BGH 08.11.2004 - II ZR 362/02]).
Rn 52
Die Rechtskraft eines Urteils, das einen Anspruch auf Vertragserfüllung gegen den Vollstreckungsschuldner beinhaltet, nicht auf den Vollstreckungsgläubiger, der die Forderung aus ungerechtfertigter Bereicherung wegen Nichtigkeit des Vertrags pfänden lässt (BGH NJW 96, 395, 396).
Rn 53
Hat der Leasinggeber sich unter Abtretung seiner Gewährleistungsansprüche gegen den Lieferanten ggü dem Leasingnehmer frei gezeichnet, so ist er an ein zwischen Lieferant und Leasingnehmer ergehendes Urt über die Mängelansprüche nicht aufgrund einer Rechtskrafterstreckung, sondern aufgrund der erfolgten Abtretung gebunden (BGHZ 114, 57, 62 = NJW 91, 1746).