Prof. Dr. Barbara Völzmann-Stickelbrock
Rn 12
Mangels ausdrücklicher Regeln zur internationalen Zuständigkeit in allen sonstigen Fällen ergibt sich diese aus einer entsprechenden Anwendung der innerstaatlichen Regeln zur örtlichen Zuständigkeit aufs Ausland (BGHZ 44, 46, 47 = NJW 65, 1665 [BGH 14.06.1965 - GSZ 1/65]; 120, 334, 337 = NJW 93, 1073 [BGH 03.12.1992 - IX ZR 229/91]), denn wenn der Gesetzgeber ein bestimmtes inländisches Gericht für so sachnah hält, dass er ihm die örtliche Zuständigkeit gibt, ist anzunehmen, dass der zuständigkeitsbegründende Aspekt auch für die internationale Zuständigkeit sachgerecht ist. Für die Gerichtsstände der §§ 32a, 32b ist dieser Schluss jedoch ausdrücklich ausgeschlossen. Für die Bestimmung der internationalen Zuständigkeit sind damit die Gerichtsstandsregeln der §§ 12 ff entsprechend heranzuziehen. Auch die Regelungen zur örtlichen Zuständigkeit in Spezialgesetzen sind zu beachten, etwa § 14 UWG oder § 82 ArbGG. Vorschriften des EU-Rechts oder aus Staatsverträgen bleiben jedoch auf ihren räumlichen Anwendungsbereich beschränkt und können daher nicht entsprechend zur Begründung der Anerkennungszuständigkeit im Verhältnis zu weiteren Staaten herangezogen werden.
a) Einzelfälle.
Rn 13
Die internationale Zuständigkeit kann bspw durch den allgemeinen Gerichtsstand des Bekl (§§ 12, 13, 16–18), den Erfüllungsort (§ 29) und den Tat- oder Erfolgsort eines Delikts (§ 32) begründet sein, sofern kein ausschließlicher oder sonst zwingender anderer Gerichtsstand besteht. Ein aus deutscher Sicht zwingender Gerichtsstand in einem Drittstaat ist unschädlich, wenn dieser Staat die Zuständigkeit im Urteilsstaat anerkennt (MüKoZPO/Gottwald § 328 Rz 91). Auch der Gerichtsstand des Vermögens (§ 23) wird anerkannt, selbst wenn der Kl aus dem Vermögen nicht vollständige Befriedigung erlangen kann (RGZ 4, 408, 409; BGHZ 115, 90, 93 = NJW 91, 3092; Frankf ZIP 12, 293; krit Geimer NJW 91, 3072), doch muss das fragliche Vermögen im Urteilsstaat mehr als nur die Verfahrens- und Vollstreckungskosten decken (BGHReport 05, 1611 [BGH 22.09.2005 - IX ZR 1/05]).
b) Gerichtsstandsvereinbarung, rügelose Einlassung.
Rn 14
Soweit eine Abweichung durch Gerichtsstandsvereinbarung grds möglich ist, richtet sich die Zulässigkeit und Wirksamkeit nach § 38 (BGH MDR 05, 1126, 1127). Ob durch rügeloses Verhandeln (§ 39) die Anerkennungszuständigkeit begründet wird, hängt davon ab, ob eine Rüge nur mit Blick auf die Anerkennung oder auch für das Erstverfahren relevant gewesen wäre. Hätte sich das ausl Gericht auf eine entsprechende Rüge hin für unzuständig erklärt, wird mit dem rügelosen Verhandeln auch die Anerkennungszuständigkeit begründet (BGHZ 59, 23, 23 = NJW 72, 1622; NJW 93, 1270, 1272). Ist das Gericht nach seiner Vorstellung ohnehin zuständig, hätte also eine Zuständigkeitsrüge im Erstverfahren keine Erfolgsaussicht gehabt, sodass sie daher allenfalls mit Blick auf eine Anerkennung im Ausland hätte erhoben werden können, wird damit eine Anerkennungszuständigkeit nicht begründet (BGHZ 120, 334, 340 = NJW 93, 1073).
c) Widerklage.
Rn 15
Die internationale Zuständigkeit kann sich grds auch aus § 33 ergeben (BGHZ 52, 30, 33 = MDR 69, 571), nicht aber im Verhältnis zu einer Partei, die bislang nicht am Verfahren beteiligt war (BGH NJW 81, 2642, 2648 [BGH 20.05.1981 - VIII ZR 270/80]). In entsprechender Anwendung dieser Vorschrift ist das Erstgericht aus deutscher Sicht auch international zuständig für die Entscheidung darüber, ob der Anspruch durch die Aufrechnung mit einer konnexen Forderung erloschen ist (BGH NJW 93, 2753, 2754 [BGH 12.05.1993 - VIII ZR 110/92]), also mit einer Forderung, die im Zusammenhang mit der Klageforderung steht, wofür etwa genügt, wenn beide Forderungen aus derselben Geschäftsbeziehung stammen. Ob für inkonnexe Forderungen die internationale Zuständigkeit der Gerichte im Urteilsstaat selbstständig begründet sein muss, ist bislang nicht höchstrichterlich entschieden (offengelassen: BGHZ 149, 120, 126 ff = NJW 02, 2182). Dafür spricht die aus § 17 II 1 GVG folgende Grundentscheidung für einen Vorrang der Prozessökonomie ggü der Entscheidung durch das sachnächste Gericht (BGHZ 153, 173, 178 = NJW 03, 828). Das ausl Gericht ist in Anwendung dieses Grundsatzes aus deutscher Sicht auch für die Entscheidung über die Verteidigungsmittel wie die Aufrechnung zuständig (vgl § 145 Rn 10 ff). Ähnlich ist der EuGH auch für Art 6 Nr 3 EuGVÜ (entsprechend Art 6 Nr 3 EuGVVO) zu verstehen (EuGHE 95, I-2053 Rz 13/18 – Danværn/Otterbeck).