Prof. Dr. Barbara Völzmann-Stickelbrock
1. Grundlagen.
Rn 17
Grds sind auch Entscheidungen anerkennungsfähig, die ohne Mitwirkung des Bekl ergangen sind. Auch Versäumnisurteilen wird im deutschen Recht die Anerkennung nicht verwehrt. Der Bekl musste jedoch wenigstens von dem Verfahren wissen, um sich hierzu äußern zu können. Zweck der nach § 328 I Nr 2 erforderlichen Ladung ist es daher, die Gewährung rechtlichen Gehörs sicher zu stellen. Dementsprechend ist eine Anerkennung ausgeschlossen, wenn dem Bekl das verfahrenseinleitende Dokument nicht ordnungsgemäß oder nicht rechtzeitig zugestellt worden und er sich nicht auf das Verfahren eingelassen hat (Stuttg FamRZ 17, 1518; zust Roth IPrax 18, 606). Bereits dem Wortlaut nach ist das Anerkenntnishindernis des § 328 I Nr 2 nur zu beachten, wenn sich der Bekl hierauf beruft. Beruft sich der Bekl im Zweitverfahren zunächst nicht darauf, kann die Rüge entsprechend §§ 295, 532 präkludiert sein.
2. Einlassung des Beklagten.
Rn 18
Die Einlassung des Bekl auf das Verfahren vor dem ausl Gericht reicht grds aus, um die Anerkennungsfähigkeit der Entscheidung zu begründen, da im Falle einer Einlassung davon auszugehen ist, dass der Bekl offenkundig die Möglichkeit hatte, sich zu verteidigen. Für eine Einlassung genügt jede Prozesshandlung, mit der sich der Bekl gegen die Klage verteidigt, etwa auch das Bestreiten der Zulässigkeit, wie die Unzuständigkeitsrüge (BGHZ 73, 378, 381 = NJW 79, 1105; Hamm NJW-RR 95, 189, 190). Unschädlich ist jedoch die Rüge einer verspäteten Zustellung, denn dass er keine ausreichende Zeit zur Verteidigung hatte, muss der Bekl auch schon gefahrlos im Erstverfahren geltend machen können. Handlungen eines gesetzlichen oder rechtsgeschäftlichen Vertreters genügen, sofern sie innerhalb ihrer Vertretungsmacht handeln, nicht aber eines Vertreters (Prokurator), den das Gericht ohne die Mitwirkung des Bekl bestellt hat (Hamm NJW-RR 96, 773, 774). Dessen Kenntnis muss sich der Bekl regelmäßig nicht zurechnen lassen (Hamm NJW-RR 96, 774 [OLG Hamm 27.07.1995 - 4 UF 221/95]).
3. Verfahrenseinleitendes Dokument.
Rn 19
Das verfahrenseinleitende Dokument ist das Schriftstück, das nach dem Verfahrensrecht des entscheidenden Gerichts den Bekl von dem Verfahren in Kenntnis setzt. Hierbei kann es sich um die Klage- oder Antragsschrift handeln. Kein verfahrenseinleitendes Dokument stellt hingegen eine Schutzschrift dar. Der Bekl muss aus dem Schriftstück ersehen, um welche Angelegenheit es sich handelt. Inhalt und Umfang des Anspruchs müssen daher in Grundzügen erkennbar sein, ein genauer Antrag ist jedoch nicht erforderlich (BGHZ 141, 286, 295 = NJW 99, 3198). Die Anklageschrift in einem Strafverfahren genügt daher auch für das damit verbundene Adhäsionsverfahren über die zivilrechtlichen Ansprüche, wenn sich aus der Anklageschrift ergibt, dass auch die zivilrechtlichen Ansprüche Gegenstand des Verfahrens sein werden (Zö/Geimer § 328 Rz 175). Da § 328 I Nr 2 nur sicherstellen soll, dass der Bekl von dem Verfahren weiß, ist es an ihm, Vorkehrungen dafür zu treffen, dass er vor der Entscheidung gehört wird (BGHZ 118, 312, 321 = NJW 92, 3096; NJW 97, 2051, 2052). Eine unzureichende Beteiligung während des Verfahrens oder auch Änderungen und Erweiterungen innerhalb des Verfahrens fallen daher nicht unter § 328 I Nr 2 (BGH WM 86, 1370, 1371). Sie können bei Verstößen gegen den Anspruch auf rechtliches Gehör aber iRv § 328 I Nr 4 relevant sein.
4. Ordnungsgemäße Zustellung.
Rn 20
Der EuGH hat für die Anerkennungsregel des Art 27 Nr 2 EuGVÜ entschieden, dass ein Verstoß gegen die Zustellungsregeln des Art IV I des Protokolls zum EuGVÜ auch die Anerkennung hindert (EuGHE 90, I-2725, Rz 18 – Lancray/Peters und Sickert; 06, I-1579, Rz 38 – Verdoliva). Im Sinne einer einheitlichen Anerkennungspraxis hat der BGH diese strenge Haltung jedenfalls für einen Verstoß gegen zwischenstaatliches Zustellungsrecht, namentlich für die Übersetzung ins Deutsche nach Art 5 HZÜ iVm § 3 AGHZÜ, auf § 328 übertragen (BGHZ 120, 305, 312 = NJW 93, 398). Entsprechendes muss gelten, wenn das Erstgericht kein zwischenstaatliches, sondern das autonome Zustellungsrecht missachtet hat (Stuttg RIW 79, 130; Karlsr OLGR 07, 529, 530). Die Heilung richtet sich nach dem Recht des Urteilsstaats einschließlich der anwendbaren Staatsverträge. Sieht ein vorrangig zu beachtender Staatsvertrag keine Heilung vor, ist der Rückgriff auf das autonome Recht versperrt (BGHZ 120, 305, 313 = NJW 93, 398; ähnl BGHZ 141, 286 = NJW 99, 3198; BGH NJW 19, 2940; aA Geimer IZPR Rz 2916 f; Jayme IPrax 97, 195; Linke RIW 86, 412 ff; differenzierend Musielak/Voit/Stadler § 328 Rz 15). Da es im HZÜ als auch in der EuZustVO an Vorschriften über die Heilung fehlt, sind Verstöße gegen diese selbst unheilbar. Davon zu unterscheiden ist die Frage der Heilung von Mängeln, welche die Ausführung der Zustellung im nationalen Recht betreffen. Aufgrund der Verweisung von Art 5 lit. a HZÜ auf das Recht des Zustellungsstaates und seine Heilungsvorschriften sind Mängel nur heilbar, soweit das nationale Recht dies vorsieht (zutr Rauscher NJW 11, 3581, 3584; Stadler IPrax 02, 282, 283). Der BGH l...