I. Begriff und Rechtsnatur.
Rn 3
Eine gesetzliche Definition der Widerklage existiert nicht. Die ZPO setzt ihre grds Zulässigkeit voraus (BGHZ 149, 222, 226). Vor dem Hintergrund der Entwicklung der Rspr zur Drittwiderklage (Rn 18 ff) kann heute folgende Begriffsbestimmung zugrunde gelegt werden: Widerklage ist die während der Rechtshängigkeit einer Streitsache von dem Bekl (Widerkläger) gegen den Kl (Widerbekl) und/oder gegen einen Dritten (Drittwiderbekl) beim Gericht der Hauptklage erhobene Klage (so richtig Zö/Schultzky Rz 9; aA ThoPu/Hüßtege Rz 8; zur Besonderheit bei der Entstehung eines Widerklageverhältnisses durch Prozessverbindung s Rn 26). Die Widerklage ist eine echte Klage; der Widerkläger erlangt nach zulässiger Erhebung der Widerklage die gleiche Rechtsstellung wie bei einer selbstständig erhobenen Klage (allgM; vgl BGHZ 40, 185, 189; Zö/Schultzky Rz 10; ThoPu/Hüßtege Rz 8; s näher Rn 35). Durch die Erhebung einer Widerklage werden zwei selbstständige Prozesse kraft eines Parteiaktes zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung miteinander verbunden (vgl BGH NJW 18, 3016 [BGH 03.07.2018 - II ZB 28/16]; St/J/Roth Rz 1). Deshalb sind Widerklagen auch keine Angriffs- oder Verteidigungsmittel iSd §§ 282, 296, 530, 531 (allgM; vgl BGH NJW 81, 1217 [BGH 12.02.1981 - VII ZR 112/80]; NJW 95, 1223 f [BGH 15.12.1994 - VII ZR 13/94]; Zö/Schultzky Rz 10; Musielak/Voit/Heinrich Rz 11; zu den rechtlichen Folgen bei der Behandlung durch das Gericht s Rn 35).
II. Zulässigkeit.
1. Allg Prozessvoraussetzungen.
Rn 4
Die für die Klage geltenden Regelungen finden auf die Widerklage auch ohne besondere Erwähnung Anwendung (BGHZ 149, 222, 226). Die wirksame Erhebung der Widerklage (zur Besonderheit bei der Entstehung eines Widerklageverhältnisses durch Prozessverbindung s Rn 26) hängt deshalb wie jede Klage von dem Vorliegen der allg Prozessvoraussetzungen ab (allgM; s nur BGH WM 21, 1058; allg s § 253). Nachfolgend werden nur die Prozessvoraussetzungen erörtert, die bei Widerklagen besondere Probleme aufwerfen. Zur internationalen Zuständigkeit s näher Rn 36.
a) Erhebung der Widerklage.
Rn 5
Die Erhebung der Widerklage erfolgt durch Einreichen einer Widerklageschrift oder durch Geltendmachung des Anspruchs in der mündlichen Verhandlung (vgl § 261 II; Köln OLGR 04, 137; Zö/Schultzky Rz 12; Zö/Greger § 261 Rz 6). In beiden Fällen muss die Widerklage den Erfordernissen des § 253 II Nr 2 entsprechen (vgl BAG AP Nr 1 zu § 261; Zö/Greger Rz 6). Eine Säumnis des Widerbekl wirkt sich auf die Geltendmachung der Widerklage in der mündlichen Verhandlung nicht aus (RGZ 28, 407, 409; Zö/Schultzky Rz 12). Der Gebrauch des Wortes ›Widerklage‹ ist zur wirksamen Erhebung nicht erforderlich, aus praktischen Erwägungen aber geboten (vgl Zö/Schultzky Rz 12). Bei einer handelsrechtlichen Widerklage zur Zivilkammer muss die Widerklageschrift bereits den Antrag nach § 96 I GVG enthalten, wenn eine Verweisung nach § 98 I GVG beabsichtigt ist (Zö/Schultzky Rz 12; Gaul JZ 84, 57, 60, 63; zur Zuständigkeit in diesen Fällen s Rn 9). Die zeitlichen Schranken für die wirksame Erhebung der Widerklage ergeben sich aus der (beschränkten) Bindung an die Hauptklage (s dazu Rn 10, 35). Zum Eintritt der Rechtshängigkeit der Widerklage s § 261 Rn 8. Zur Besonderheit bei der Entstehung eines Widerklageverhältnisses durch Prozessverbindung s Rn 26.
b) Rechtsweg.
Rn 6
Für die Widerklage muss der Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten (§ 13 GVG) eröffnet sein (vgl nur Musielak/Voit/Heinrich Rz 5; St/J/Roth Rz 10). Für die Widerklage bzgl rechtswegfremder Forderungen gilt die Regelung des § 17 II GVG nicht. Denn § 17 II GVG setzt einen einheitlichen prozessualen Anspruch voraus (s nur BGH VersR 91, 324; BAGE 98, 384; Zö/Lückemann § 17 Rz 6 mwN; vgl auch BGHZ 153, 173, 176; BAG 3.6.96 – 5 AS 34/95; 18.11.96 – 5 AS 8/96), der zwischen Klage und Widerklage gerade nicht bestehen darf (s dazu Rn 12). Zum gerichtlichen Vorgehen in diesen Fällen s Rn 29.
c) Sachliche Zuständigkeit.
Rn 7
Das Gericht muss für die Entscheidung über die Widerklage sachlich zuständig sein (allgM; s nur München 10.6.08 – 31 AR 53/08; Zö/Schultzky Rz 16; Musielak/Voit/Heinrich Rz 5). Dabei ist § 5 Hs 2 zu beachten, der den Zuständigkeitsstreitwert bei Widerklagen regelt (s dazu näher § 5 Rn 24 ff, dort auch zum Gebührenstreitwert). Für die Fälle des Auseinanderfallens der sachlichen Zuständigkeit für die Ansprüche aus der Klage und Widerklage s Rn 30 f.
d) Örtliche Zuständigkeit (§ 33 I).
Rn 8
Die Frage der örtlichen Zuständigkeit des Gerichts für die Entscheidung über die Widerklage richtet sich nach Auffassung der Rspr allein nach § 33 I (mit den Einschränkungen des § 33 II; dazu Rn 15). Die örtliche Zuständigkeit ist danach vom Vorliegen einer zulässigen, dh insb konnexen Widerklage abhängig. Liegen die Voraussetzungen einer zulässigen Widerklage vor, so ist der Gerichtsstand des § 33 I begründet; ein Rückgriff auf andere Gerichtsstände ist nicht möglich. Zu den Konsequenzen bei nichtkonnexen Widerklagen und Widerklagen mit ausschließlicher örtlicher Zuständigkeit s Rn 32; zur örtlichen Zuständigkeit bei Drittwiderklagen s Rn 18 ff. Nach der Lit kann sich die örtliche Z...