1. Allg Prozessvoraussetzungen.
Rn 4
Die für die Klage geltenden Regelungen finden auf die Widerklage auch ohne besondere Erwähnung Anwendung (BGHZ 149, 222, 226). Die wirksame Erhebung der Widerklage (zur Besonderheit bei der Entstehung eines Widerklageverhältnisses durch Prozessverbindung s Rn 26) hängt deshalb wie jede Klage von dem Vorliegen der allg Prozessvoraussetzungen ab (allgM; s nur BGH WM 21, 1058; allg s § 253). Nachfolgend werden nur die Prozessvoraussetzungen erörtert, die bei Widerklagen besondere Probleme aufwerfen. Zur internationalen Zuständigkeit s näher Rn 36.
a) Erhebung der Widerklage.
Rn 5
Die Erhebung der Widerklage erfolgt durch Einreichen einer Widerklageschrift oder durch Geltendmachung des Anspruchs in der mündlichen Verhandlung (vgl § 261 II; Köln OLGR 04, 137; Zö/Schultzky Rz 12; Zö/Greger § 261 Rz 6). In beiden Fällen muss die Widerklage den Erfordernissen des § 253 II Nr 2 entsprechen (vgl BAG AP Nr 1 zu § 261; Zö/Greger Rz 6). Eine Säumnis des Widerbekl wirkt sich auf die Geltendmachung der Widerklage in der mündlichen Verhandlung nicht aus (RGZ 28, 407, 409; Zö/Schultzky Rz 12). Der Gebrauch des Wortes ›Widerklage‹ ist zur wirksamen Erhebung nicht erforderlich, aus praktischen Erwägungen aber geboten (vgl Zö/Schultzky Rz 12). Bei einer handelsrechtlichen Widerklage zur Zivilkammer muss die Widerklageschrift bereits den Antrag nach § 96 I GVG enthalten, wenn eine Verweisung nach § 98 I GVG beabsichtigt ist (Zö/Schultzky Rz 12; Gaul JZ 84, 57, 60, 63; zur Zuständigkeit in diesen Fällen s Rn 9). Die zeitlichen Schranken für die wirksame Erhebung der Widerklage ergeben sich aus der (beschränkten) Bindung an die Hauptklage (s dazu Rn 10, 35). Zum Eintritt der Rechtshängigkeit der Widerklage s § 261 Rn 8. Zur Besonderheit bei der Entstehung eines Widerklageverhältnisses durch Prozessverbindung s Rn 26.
b) Rechtsweg.
Rn 6
Für die Widerklage muss der Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten (§ 13 GVG) eröffnet sein (vgl nur Musielak/Voit/Heinrich Rz 5; St/J/Roth Rz 10). Für die Widerklage bzgl rechtswegfremder Forderungen gilt die Regelung des § 17 II GVG nicht. Denn § 17 II GVG setzt einen einheitlichen prozessualen Anspruch voraus (s nur BGH VersR 91, 324; BAGE 98, 384; Zö/Lückemann § 17 Rz 6 mwN; vgl auch BGHZ 153, 173, 176; BAG 3.6.96 – 5 AS 34/95; 18.11.96 – 5 AS 8/96), der zwischen Klage und Widerklage gerade nicht bestehen darf (s dazu Rn 12). Zum gerichtlichen Vorgehen in diesen Fällen s Rn 29.
c) Sachliche Zuständigkeit.
Rn 7
Das Gericht muss für die Entscheidung über die Widerklage sachlich zuständig sein (allgM; s nur München 10.6.08 – 31 AR 53/08; Zö/Schultzky Rz 16; Musielak/Voit/Heinrich Rz 5). Dabei ist § 5 Hs 2 zu beachten, der den Zuständigkeitsstreitwert bei Widerklagen regelt (s dazu näher § 5 Rn 24 ff, dort auch zum Gebührenstreitwert). Für die Fälle des Auseinanderfallens der sachlichen Zuständigkeit für die Ansprüche aus der Klage und Widerklage s Rn 30 f.
d) Örtliche Zuständigkeit (§ 33 I).
Rn 8
Die Frage der örtlichen Zuständigkeit des Gerichts für die Entscheidung über die Widerklage richtet sich nach Auffassung der Rspr allein nach § 33 I (mit den Einschränkungen des § 33 II; dazu Rn 15). Die örtliche Zuständigkeit ist danach vom Vorliegen einer zulässigen, dh insb konnexen Widerklage abhängig. Liegen die Voraussetzungen einer zulässigen Widerklage vor, so ist der Gerichtsstand des § 33 I begründet; ein Rückgriff auf andere Gerichtsstände ist nicht möglich. Zu den Konsequenzen bei nichtkonnexen Widerklagen und Widerklagen mit ausschließlicher örtlicher Zuständigkeit s Rn 32; zur örtlichen Zuständigkeit bei Drittwiderklagen s Rn 18 ff. Nach der Lit kann sich die örtliche Zuständigkeit für die Widerklage neben § 33 auch aus den sonstigen allg und besonderen Gerichtsständen ergeben, was insb bei nichtkonnexen Widerklagen bedeutsam ist (vgl nur ThoPu/Hüßtege Rz 19; Zö/Schultzky Rz 1, 18; ebenso Zweibr NJW-RR 00, 590 [OLG Zweibrücken 30.04.1999 - 2 AR 18/99]).
e) Zuständigkeit der Kammern für Handelssachen (KfH).
Rn 9
Unabhängig von der dogmatischen Einordnung des Verhältnisses zwischen Zivilkammer und KfH (vgl dazu nur § 93 Rn 1 ff mwN) ist die Zuständigkeit der Kammer für Handelssachen (§§ 93 ff GVG) auch iRd Erhebung einer Widerklage zu beachten. Die KfH ist grds nur dann zur Entscheidung über die Widerklage befugt, wenn sowohl Klage als auch Widerklage in ihre Zuständigkeit fallen und die Klage bei der KfH ursprünglich rechtshängig geworden ist (vgl Zö/Schultzky Rz 19; Zö/Lückemann § 95 GVG Rz 2 sowie die Regelungen der §§ 97, 98, 99 GVG). Für die Zuständigkeitsspaltung und deren Folgen s näher Rn 33.
f) Schiedseinrede.
Rn 9a
Die vom Kl erhobene Einrede einer Schiedsvereinbarung nach § 1032 I kann zur Unzulässigkeit der Widerklage führen. Allerdings kann der Einrede im Einzelfall § 242 BGB entgegenstehen. Allein der sachliche Zusammenhang zwischen der Widerklage und der von der Schiedsvereinbarung nicht erfassten Klage genügt hierfür nicht. Ein widersprüchliches Verhalten iSd § 242 BGB liegt aber vor, wenn im Schiedsverfahren und im ordentlichen Gerichtsverfahren unterschiedliche Standpunkte zur Schiedsvereinbarung und deren Reichweite eingenommen werden (BGH WM 21, 1058).