I. Anwendungsbereich.
Rn 3
Die Vorschriften über das Versäumnisurteil setzen die Obliegenheit der Parteien zur Mitwirkung im Verfahren durch Antragstellung und Beibringung von Tatsachen voraus. Sie sind unanwendbar in allen Verfahren, in denen der Untersuchungsgrundsatz gilt. Die §§ 330 ff galten daher in den Verfahren nach dem FGG – auch den sog echten Streitsachen – nicht (Bassenge/Roth Einl Rz 53; Jansen/v. König/v. Schuckmann, 3. Aufl, vor §§ 8–18 Rz 69). In den Streitigkeiten nach der ZPO sind die §§ 330 ff anwendbar, wenn auf Grund mündlicher Verhandlung (§ 128 I) und nicht im schriftlichen Verfahren (§ 128 II, III) entschieden wird. § 331 III macht hiervon eine Ausnahme, in dem er das Versäumnisurteil im schriftlichen Vorverfahren zulässt.
Rn 4
Unmittelbar einschlägig sind die §§ 330 ff für erstinstanzliche Verfahren nach der ZPO vor den Landgerichten und gem der Verweisung in § 495 vor den Amtsgerichten. Dies bezieht sich auch auf das Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes gem den §§ 916 ff, soweit mündlich verhandelt worden ist (vgl MüKoZPO/Drescher § 922 Rz 23). Für die Rechtsmittelinstanzen gelten besondere, an das Nichterscheinen oder Nichtverhandeln des Rechtsmittelklägers oder -beklagten anknüpfende Bestimmungen (§§ 539, 555, 565), wobei die Vorschriften für das erstinstanzliche Verfahren sinngemäß anzuwenden sind. Das das Rechtsmittel zurückweisende Versäumnisurteil ist jedoch entgegen der hM (dazu § 539 Rn 10; wie hier Stamm ZZP 09, 399, 417) nur ein auf die Zurückweisung des Rechtsmittels lautendes Prozessurteil, so dass sich die materielle Rechtskraft (§ 322 I) nach dem Inhalt des (rechtskräftig gewordenen) erstinstanzlichen Urteils bestimmt.
Rn 5
Für die Verfahren nach dem FamFG gelten die Vorschriften über das Versäumnisverfahren grds nicht. Sie sind jedoch auf Grund der allg Verweisung in § 113 I 2 FamFG auf die ZPO für die Ehesachen und die Familienstreitsachen (nach § 112 FamFG sind dies Unterhalts-, Güterrechts- und sonstige Familiensachen) entsprechend anzuwenden, nach § 51 II 3 FamFG jedoch nicht in Verfahren über einstw Anordnungen. In den Ehesachen ergeht eine Versäumnisentscheidung gegen den Antragsteller nach § 130 I FamFG nur mit der Rechtsfolge, dass der Antrag als zurückgenommen gilt (s iÜ § 331 Rn 2 und § 331a Rn 3); gegen den Antragsgegner ist eine Versäumnisentscheidung unzulässig (§ 130 II FamFG). In Baulandsachen kann nach § 227 III BauGB nur nach Lage der Akten, jedoch nicht durch Versäumnisurteil entschieden werden.
II. Vorliegen der allgemeinen Sachurteilsvoraussetzungen.
Rn 6
Da das Versäumnisurteil über den Anspruch entscheidet, hat das Gericht das Vorliegen der Sachurteilsvoraussetzungen vAw zu prüfen. Beantragt der Bekl den Erlass des Versäumnisurteils, muss er nach § 335 I Nr 1 diese Voraussetzungen dem Gericht nachweisen (MüKoZPO/Prütting Rz 24; Musielak/Voit/Stadler Rz 2; St/J/Bartels Rz 12; Wieczorek/Schütze/Büscher v § 330 Rz 72). Soweit Mängel der gerichtlichen Zuständigkeit nach § 39 oder der Klageschrift nach § 295 geheilt werden können, kann der Bekl die Fehler beheben, indem er das Versäumnisurteil beantragt. Str ist, ob der Bekl dann nach Einspruch des Klägers diese Mängel noch rügen kann (dazu § 342 Rn 6 f).
III. Säumnis des Klägers.
Rn 7
Voraussetzung eines Urteils nach §§ 330 ff ist die Säumnis des Klägers. Eine Partei ist säumig, wenn sie trotz ordnungsgemäßer Bestimmung eines Termins zur mündlichen Verhandlung vor dem erkennenden Gericht nach Aufruf der Sache am hierzu bestimmten Ort nicht erscheint, bei notwendiger Vertretung durch einen Rechtsanwalt nicht durch einen zugelassenen Rechtsanwalt vertreten ist oder (§ 333) nicht zur Sache verhandelt (BGHZ 141, 351, 354). Die Säumnis ist für jeden Streitgenossen gesondert zu beurteilen (§ 61 Rn 4); der erschienene und verhandelnde Streithelfer verhindert die Säumnis der unterstützten Partei (§ 67 Rn 3). Der Verhandlung muss ein Aufruf der Sache (§ 220 I) vorausgehen (BVerfGE 42, 364, 371 [BVerfG 05.10.1976 - 2 BvR 558/75]), der nicht nur im Sitzungssaal, sondern auch auf dem Gerichtsflur zu hören sein muss (KG MDR 74, 52; LG Hamburg NJW 77, 1459 [LG Hamburg 02.03.1977 - 17 S 363/76]) und frühestens zur angesetzten Terminszeit erfolgen darf. Der Aufruf soll die Partei in die Lage versetzen, den Termin wahrzunehmen. Säumnis liegt daher trotz fehlerhaften Aufrufs vor, wenn die ordnungsgemäß geladene Partei vom Beginn der bestimmten Terminszeit an bis zu einem späteren Schluss der Verhandlung nicht im Gericht anwesend gewesen ist (KG NJW 87, 1338, 1339).
Rn 7a
Möglich ist eine Säumnis auch bei einer Verhandlung im Wege der Bild- und Tonübertragung gem § 128a (vgl zu der geplanten Ausweitung des Einsatzes von Videokonferenztechnik Fuhrmann/Merks ZRP 23, 66). Säumig ist der Kläger, wenn er bzw sein Prozessbevollmächtigter weder im Gerichtssaal physisch erscheint und verhandelt noch eine Bild- und Tonübertragung zustande kommt (vgl Celle NJW-RR 22, 1653 [OLG Celle 15.09.2022 - 24 W 3/22] Rz 30; Windau NJW 20, 2753 Rz 25). Dass sich der Verfahrensbeteiligte nicht an dem von dem Gericht bestimmten ›anderen Ort‹ nach § ...