Gesetzestext
1Beim Ausbleiben einer Partei im Termin zur mündlichen Verhandlung kann der Gegner statt eines Versäumnisurteils eine Entscheidung nach Lage der Akten beantragen; dem Antrag ist zu entsprechen, wenn der Sachverhalt für eine derartige Entscheidung hinreichend geklärt erscheint. 2§ 251a Abs. 2 gilt entsprechend.
A. Normzweck.
Rn 1
Die Vorschrift ist mit der Novelle von 1924 (VO v 13. Februar 1924, RGBl. I 135), deren Ziel die Bekämpfung der Prozessverschleppung war (Volkmar JW 1924, 345, 345), in Ergänzung zu § 251a II eingefügt worden. Die erschienene Partei kann gegen den säumigen Gegner unter bestimmten Voraussetzungen ein die Instanz beendendes, nicht mehr mit dem Einspruch anfechtbares Urt erreichen.
B. Voraussetzungen für eine Entscheidung nach Lage der Akten.
I. Voraussetzungen für ein Versäumnisurteil.
Rn 2
Eine Entscheidung nach § 331a kann nur dann ergehen, wenn auch ein Versäumnisurteil erlassen werden könnte (BGH NJW-RR 90, 342 [BGH 19.12.1989 - VI ZR 32/89]; Schlesw NJW 69, 936 [OLG Schleswig 20.12.1968 - 5 U 164/68]). Dazu wird auf die Kommentierung zu § 330 (§ 330 Rn 3–13) und § 331 (§ 331 Rn 2–14) verwiesen.
Rn 3
Nach dem FamFG sind Entscheidungen nach Lage der Akten nur in den Familienstreitsachen (§ 112 FamFG) zulässig. In Ehesachen sind instanzbeendende Entscheidungen nach Lage der Akten durch § 130 II FamFG ausgeschlossen (BTDrs 16/6308, 228). Zur früheren Rechtslage nach § 612 IV und § 632 IV aF vgl MüKoZPO/Bernreuther 3. Aufl § 612 Rz 8 u § 632 Rz 9; Zö/Philippi 27. Aufl § 612 Rz 4 und § 632 Rz 6.
Rn 4
Voraussetzung für eine Entscheidung nach § 331a ist der Prozessantrag der erschienenen Partei (RGZ 159, 357, 360; Schlesw FamRZ 91, 95, 96), der jedoch bereits in dem (ersten) Termin gestellt werden kann, in dem die Sache vertagt wird (BGH NJW 64, 658, 659 [BGH 08.01.1964 - VIII ZR 123/62]). Zulässig ist es, die Entscheidung nach § 331a primär oder hilfsweise statt eines Versäumnisurteils zu beantragen, wenn die in erster Linie begehrte Entscheidung nicht ergehen darf. Unstatthaft ist es dagegen ein Eventualverhältnis der Anträge für den Fall, dass der Hauptantrag ist der Sache unbegründet ist (allgM).
II. Frühere streitige Verhandlung (S 2).
Rn 5
Für ein Urt nach Aktenlage gegen die säumige Partei ist § 251a II 1 anzuwenden. Dieses darf nur ergehen, wenn in der Instanz eine streitige mündliche Verhandlung stattgefunden hat. Eine Güteverhandlung nach § 278 II genügt nicht, eine solche nach § 54 ArbGG nur bei Antragstellung (LAG Hamm Urt v 4.3.11 – 18 Sa 907/10, juris; sehr str, wie hier Musielak/Voit/Stadler Rz 4 mwN; aA LAG BaWü Urt v 5.3.20 – 17 Sa 11/19, juris Rz 55 ff). Jede Partei soll mindestens einmal in der Instanz von dem Gericht gehört worden sein, bevor in der Sache wegen unentschuldigten Ausbleibens ein Urt nach Aktenlage ergehen kann (RG JW 30, 141, 142; Püschel ZZP 51, 83, 85). Der nicht erschienenen Partei muss in dem früheren Termin die Möglichkeit eingeräumt gewesen sein, ihren Standpunkt vorzutragen und den Prozessstoff zu erörtern (Frankf Urt v 8.5.13 – 2 U 231/12, juris Rz 14). Die frühere Verhandlung kann vor einem anders besetzen Spruchkörper oder vor dem Einzelrichter stattgefunden haben (Jena ZZP 51, 83, 84). Auch nach Aufhebung und Zurückverweisung eines Urteils gem § 538 II, § 563 I 1 muss nicht neu mdl verhandelt worden sein, da das Verfahren vor und nach der Zurückverweisung eine Einheit bildet (BAG NJW 15, 365, 366; LAG Nürnberg Urt v 11.1.19 – 4 Sa 131/16, juris Rz 150). Verhandlungen im Urkundenprozess oder über den Anspruchsgrund sind dagegen keine geeignete Grundlage für Entscheidungen im Nachverfahren oder über die Höhe des Anspruchs (RGZ 149, 158, 160). Im Fall der Verwerfung eines Rechtsmittels bedarf es im Hinblick auf §§ 522 Abs 1, 552 iVm 128 Abs 4 keiner mündlichen Verhandlung (vgl LAG Schleswig-Holstein Urt v 10.3.22 – 5 Sa 267/21, juris; Musielak/Voit/Stadler Rz. 4).
Rn 6
Grundlage der Entscheidung ist die Aktenlage, wie sie sich aus dem gesamten schriftsätzlichen Vorbringen der Parteien und dem Ergebnis einer Beweisaufnahme (vgl BGH NJW 02, 301, 302 [BGH 25.10.2001 - III ZR 43/01]) bei Antragstellung ergibt. Geänderte Sachanträge und neues Vorbringen stehen einer Entscheidung nicht entgegen; es sei denn, dass das Gericht auch nach § 138 III, IV nicht entscheiden kann, ob es sich um streitiges oder unstreitiges Vorbringen handelt, oder wenn die Anträge oder das tatsächliche Vorbringen der im Termin säumigen Partei nach § 335 I Nr 3 verspätet mitgeteilt worden sind (Volkmar JW 24, 345, 348). § 335 I Nr 3 ist nicht anzuwenden, wenn die säumige Partei sich zu dem Prozessstoff bereits erklärt hat (vgl RG JW 30, 141, 142; Ddorf NJW-RR 94, 892, 893).
III. Entscheidungsreife.
Rn 7
Die Geständnisfiktion des § 331 I gilt nicht. Vortrag und Beweisangeboten der säumigen Partei muss nachgegangen werden (vgl Hamm NJW-RR 95, 1151 [OLG Hamm 27.04.1994 - 12 U 127/93]). Der Sachverhalt muss für die Entscheidung hinreichend geklärt sein. Dazu ist der gesamte Akteninhalt, einschließlich des Ergebnisses aller früheren Beweisaufnahmen, zu verwerten. Das gilt auch, wenn die Partei, gegen die die Entscheidung beantragt wird, bei der Beweisaufnahme und in dem na...