Gesetzestext
Ist der Einspruch zulässig, so wird der Prozess, soweit der Einspruch reicht, in die Lage zurückversetzt, in der er sich vor Eintritt der Versäumnis befand.
A. Normzweck.
Rn 1
Der zulässige Einspruch bewirkt, dass die strengen Folgen der Versäumung des Termins und das VU nur eine provisorische Bedeutung haben. Das Gericht hat den Rechtsstreit mündlich zu verhandeln, wobei der säumig gewesenen Partei wegen jeder ersten Versäumung ex lege Nachsicht gewährt wird (Mot zur CPO, 230 f = Hahn/Mugdan, Materialien, 294). Die Zurückversetzung des Prozesses hat die Bedeutung, dass die Verhandlung so weiterzuführen ist, als ob kein VU in der Mitte läge (Mot zur CPO, 235 f = Hahn/Mugdan, Materialien, 298; vgl zu den gebührenrechtlichen Folgen BGH NJW 18, 1322 [BGH 16.11.2017 - V ZB 152/16]).
B. Rechtsfolgen für Entscheidungen und Handlungen des Gerichts.
Rn 2
Das VU selbst wird durch den Einspruch nicht beseitigt, aber in seinen sachlichen Wirkungen suspendiert (BGH NJW 06, 2124, 2125 [BGH 30.03.2006 - III ZB 123/05]). Die vorläufige Vollstreckbarkeit des Titels nach § 708 Nr 2 besteht fort. Der Eintritt der Rechtskraft wird jedoch gehemmt (§ 705 S 2) und die Bindungswirkung des Gerichts an das VU (§ 318) für das weitere Verfahren aufgehoben.
Rn 3
Die Wirkung des § 332 (§ 332 Rn 1) entfällt ebenfalls; die Verhandlung wird auf der Grundlage der bisherigen Prozesshandlungen und Entscheidungen fortgesetzt. Alle gerichtlichen Entscheidungen und Anordnungen in Bezug auf den Rechtsstreit werden wieder wirksam (allgM); Vollstreckungsschutzmaßnahmen wirken fort (Hamm NJW-RR 86, 1508, 1509); richterliche Fristsetzungen bleiben in Kraft (Hamm NJW-RR 95, 1038, 1039 [OLG Hamm 27.12.1994 - 7 U 61/94]; betr Zahlung eines Vorschusses).
C. Wirkungen für die Prozesshandlungen der Parteien.
I. Für die säumige Partei.
Rn 4
Der Zurückversetzung des Prozesses soll es der säumigen Partei ermöglichen, den Rechtsstreit so fortsetzen, wie wenn sie nicht säumig gewesen wäre (RGZ 167, 293, 295; BGHZ 4, 328, 340; NJW 93, 861, 862). Für die säumige Partei entstehen keine nachteiligen Folgen daraus, dass der Gegner in dem versäumten Termin verhandelt hat. Der säumige Kl kann deshalb mit dem Einspruch noch seine Klage zurücknehmen; § 269 I findet zu Lasten des Säumigen keine Anwendung (BGHZ 4, 328, 339; Saarbr MDR 00, 722). Entsprechendes muss auch im Revisionsverfahren gelten, so dass der säumige Revisionskläger trotz der Vorschrift des § 565 S 2 mit dem Einspruch seine Revision noch zurücknehmen kann. Im Berufungsverfahren stellt sich das Problem nicht, da nach § 516 I die Berufung auch noch nach der Verhandlung bis zur Verkündung eines Urteils zurückgenommen werden kann (BTDrs 14/4722, 84; BGH NJW 06, 2124 [BGH 30.03.2006 - III ZB 123/05]). Der säumige Bekl kann im Einspruchstermin den Anspruch noch ›sofort‹ anerkennen (§ 93), wenn er keine Veranlassung zur Klage gegeben hatte (Köln VersR 92, 635). Nach der Rspr des BGH hat der säumige Beklagte auch die Möglichkeit, die Schiedseinrede nach § 1032 Abs 1 erstmalig mit dem Einspruch zu erheben, da dieser den Rechtszustand bei Terminsbeginn wiederherstelle (BGH NJW-RR 21, 376 [BGH 26.11.2020 - I ZR 245/19] Rz 18; aA Zö/Herget Rz 2).
Rn 5
Durch die Rückwirkung wird dem Säumigen Nachsicht für das Nichterscheinen oder Nichtverhandeln im Termin, jedoch nicht für vorangegangene Versäumnisse gewährt. Die Präklusionswirkungen wegen der Versäumung einer richterlich gesetzten Frist werden durch § 342 nicht beseitigt. Dies gilt unabhängig davon, ob die Frist vor dem versäumten Termin bereits verstrichen war (dazu § 340 Rn 13) oder eine richterliche Frist, die auf Grund des Einspruchs weiterlief, versäumt wurde (Hamm NJW-RR 95, 1038, 1039 [OLG Hamm 27.12.1994 - 7 U 61/94]).
II. Für die erschienene Partei.
Rn 6
Nach hM wirkt § 342 auch zu Gunsten der erschienenen Partei, was damit begründet wird, dass der Prozess an den Beginn des versäumten Termins zurückversetzt wird. Dadurch werden auch für die erschienene Partei die für sie nachteiligen Folgen des Verhandelns in dem vom Gegner versäumten Termin beseitigt (Bremen NJW 62, 1822 [OLG Bremen 12.04.1962 - 2 U 114/61]; Hamm Beschl v 7.1.13 – 32 SA 125/12, juris Rz 7; Musielak/Voit/Stadler Rz 2; HK-ZPO/Kießling § 342 Rz 4; ThoPu/Seiler Rz 4; Anders/Gehle/Anders ZPO Rz 7 f mit Bsp). Der erschienene Bekl kann im Einspruchstermin wirksam das Verfahren betreffende Rügen erheben, die durch seine Einlassung zur Sache nach §§ 39 S 1 und § 295 I geheilt wären und er kann jetzt noch mit sofortiger Wirkung anerkennen (§ 93), obwohl er ein die Klage abweisendes VU beantragt hat. Der BGH folgt in der Begründung der hM (BGHZ 4, 328, 340; NJW 80, 2313, 2314; NJW 93, 861, 862; NJW-RR 97, 1532), hat bisher aber nur zugunsten der säumigen Partei entscheiden, dass der Einspruch die Folgen des Verhandelns beseitigt (vgl auch BGH NJW-RR 21, 376 [BGH 26.11.2020 - I ZR 245/19] Rz 18 zu der erstmaligen Erhebung der Schiedseinrede gem § 1032 Abs 1 durch den säumigen Beklagten in dem Einspruchsschriftsatz).
Rn 7
Hier wird die gegenteilige Auffassung vertreten. Ein Teil der Lit begründet dies damit, dass nach § 220 II die Säumnis erst am Schluss des versäumten Termins eintrat und § 342...