Rn 1

Seit dem ZPO-Reformgesetz ist das Kollegialprinzip für das Verfahren vor dem LG in 1. Instanz aufgegeben. In der Erwartung, hierdurch die Zahl der Erledigungen ohne (relevante) Qualitätseinbußen zu erhöhen, ist die grds Zuständigkeit des Einzelrichters begründet worden (Abs 1 S 1). Dieser ist in den Fällen seiner Zuständigkeit gesetzlicher Richter und mit allen Befugnissen des Prozessgerichts ausgestattet. Durch die Ausnahmen in Abs 1 S 2 sowie die Übernahmevorlagen nach Abs 3 und § 348a II soll gewährleistet werden, dass besonders schwierige Verfahren durch die Kammer entschieden werden. Nach der Gesetzesbegründung sollen dies ca 30 % der Verfahren sein (BTDrs 14/4722, 63) – ein Wert, der in der Praxis vieler Kammern weit unterschritten wird. Dadurch wird nicht nur die Qualität, sondern auch die Einheitlichkeit der Entscheidungen einer Kammer (vgl hierzu BGHZ [GrSZ] 37, 210, 213) gefährdet. Mit G v 28.4.17 (BGBl I 969) hat der Gesetzgeber den Aspekt der Qualitätssicherung wieder stärker betont und ab dem 1.1.18 für bestimmte Materien (lit. b, c, e und h) die Einrichtung von Spezialspruchkörpern angeordnet (§§ 72a, 119a GVG nF); insoweit ist der originäre Einzelrichter ausgeschlossen (Abs 1 S 2 Nr. 2 nF). Mit G v 12.12.19 (BGBl I 2633) ist ab dem 1.1.21 die Spezialisierung in Zivilsachen ausgebaut worden, indem in § 72a I GVG nF (§ 119a GVG nF für die OLG) der Katalog der obligatorischen Spezialspruchkörper erweitert wurde (neu ab 1.1.21: Pressesache, Erbsachen, insolvenzrechtliche Streitigkeiten und Beschwerden sowie Anfechtungssachen nach dem AnfG, vgl BTDrs 19/13828, 22f). § 40a EGGVG nF sieht ab dem 1.1.21 insofern eine gestufte Übergangsregelung für vor dem 1.1.18 (Abs 1) und für zwischen dem 1.1.18 und dem 31.12.20 (Abs 2) anhängig gewordene Verfahren vor.

Anwendungsbereich: § 348 gilt nicht in Baulandsachen (§ 220 I 3 BauGB), im Musterverfahren nach dem KapMuG (§ 11 I 2 [nF] KapMuG) und im Verfahren der Musterfeststellungsklage nach §§ 606 ff (§ 610 V 2). Sonderregelungen enthalten § 349 (Kammer für Handelssachen), § 526 (Berufungsverfahren) und § 568 (Beschwerdeverfahren).

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