I. Proberichter im ersten Jahr.
Rn 3
Ist für die Bearbeitung eines Verfahrens nach dem internen Geschäftsverteilungsplanein Proberichter (§ 12 DRiG) zuständig, der bei Eingang der Sache (so auch Zö/Greger § 348 Rz 6a; aA Stackmann JuS 08, 129, 132, der auf den Zeitpunkt der ersten mündlichen Verhandlung abstellt) noch nicht über einen Zeitraum von einem Jahr mit Rechtsstreitigkeiten des Bürgerlichen Rechts befasst ist, ergibt sich aus § 348 I S 2 Nr 1 eine originäre Zuständigkeit der Kammer. Allerdings kann die Kammer den Rechtsstreit gem § 348a I auf den Proberichter übertragen (BGH Beschl v 11.2.03 – VIII ZB 56/02 = NJW 03, 1875, 1876. Maßgeblich für die Berechnung dieses Jahreszeitraums ist allein die Zeitdauer der Befassung mit bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten nach dem Geschäftsverteilungsplan. Urlaubs- und Krankheitszeiten sind nicht abzuziehen. Mehrere kürzere Zeiträume der Tätigkeit im Zivilrecht werden zusammengerechnet. Anzurechnen sind auch Zeiten als Familien- oder Arbeitsrichter sowie Zeiten, in denen der Richter nur tw mit Zivilsachen befasst oder teilzeitbeschäftigt war. Eine solche, formale Berechnungsweise erscheint zur Gewährleistung einer rechtssicheren Bestimmung des gesetzlichen Richters auch im Hinblick auf Art 101 I 2 GG sachgerecht und geboten. Demgegenüber würde das Abstellen auf subjektive Kriterien – etwa den individuellen Erfahrungsstand des jeweiligen Proberichters nach dem Jahreszeitraum – zu einer für außenstehende Dritte kaum vorhersehbaren Zuständigkeitsbestimmung führen (ähnlich Celle Beschl v 15.1.04 – 4 AR 4/04, juris Rz 9; MüKoZPO/Stackmann § 348 Rz 35 und Zö/Greger § 348 Rz 6a; demgegenüber bei Zweifelsfällen eine ›vernünftige Abwägung‹ befürwortend Anders/Gehle/Göertz ZPO § 348 Rz 15)). Abs 1 S 2 Nr 1 findet im Beschwerdeverfahren (§ 568) keine entsprechende Anwendung (BGH Beschl v 11.2.03 – VIII ZB 56/02 = NJW 03, 1875, 1876).
Rn 4
Bei einem Dezernatswechsel gilt es, mehrere Konstellationen zu unterscheiden: Übernimmt ein Richter mit mehr als einem Jahr geschäftsplanmäßiger Befassung mit bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten das Dezernat eines Proberichters im ersten Jahr, so entspricht es ganz überwiegender Auffassung, dass die nach § 348 I 2 Nr 1 begründete Zuständigkeit der Kammer auch nach Eintritt des erfahreneren Richters bestehen bleibt (vgl Saenger/Kießling § 348 Rz 5; Musielak/Voit/Wittschier § 348 Rz 5a; aA ThoPu/Reichhold § 348 Rz 2). Eine Übertragung des Rechtsstreits auf den Einzelrichter ist nach Maßgabe der Voraussetzungen des § 348a I jedoch ohne Weiteres zulässig.
Rn 4a
In Streit steht demgegenüber der umgekehrte Fall der Ersetzung eines Planrichters bzw Proberichters mit mehr als einem Jahr geschäftsplanmäßiger Befassung mit bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten durch einen Proberichter im ersten Jahr. Für neu eingehende Verfahren entspricht es dem klaren Gesetzeswortlaut des § 348 I 2 Nr 1, dass diese Verfahren in die originäre Zuständigkeit der Kammer fallen. Probleme bereitet demgegenüber die Frage nach der Zuständigkeit für die bereits im Dezernat befindlichen Verfahren, die dem Dezernatsvorgänger in originärer oder obligatorischer Einzelrichterzuständigkeit zugewiesen waren. Die überwiegende Auffassung geht unter Verweis auf die Ausbildungsfunktion der Kammer in dieser Konstellation davon aus, dass die Verfahren aus dem Dezernat des Proberichters im ersten Jahr ipso iure in die Zuständigkeit der Kammer übergehen (ausf Ddorf Beschl v 17.3.16 – 18 W 81/15, juris Rz 11 ff; ebenso MüKoZPO/Stackmann § 348 Rz 29; Musielak/Voit/Wittschier § 348 Rz 5a.; Zö/Greger § 348 Rz 6a). Demgegenüber sprechen nach hier vertretener Auffassung die besseren Argumente dafür, § 348 I 2 Nr 1 allein auf die Zuständigkeitsverteilung neu eingehender Verfahren nach Dezernatsübernahme zu beziehen und die in dem betreffenden Dezernat einmal begründete originäre oder obligatorische Einzelrichterzuständigkeit auch nach Eintritt eines Proberichters im ersten Jahr beizubehalten (ebenso Streyl/Wietz NJW 17, 353, 354 ff mit überzeugender Analyse der Gesetzesmaterialien; ähnlich bereits Kranz DRiZ 03, 374 f). Für diese Sichtweise spricht insb die Systematik der §§ 348, 348a. Weist ein Rechtsstreit weder grds Bedeutung noch besondere Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art auf, so ist der Rechtsstreit nach § 348a I ohne Ermessen der Kammer zwingend auf den Einzelrichter zu übertragen. Dieser obligatorische Einzelrichter kann auch ein Proberichter im ersten Jahr sein (vgl § 348a Rn 4). Umgekehrt hat die Kammer nach § 348a II auch das Verfahren eines langjährigen und originär zuständigen Planrichters zwingend zu übernehmen, wenn die Voraussetzungen des § 348a II Nr 1 vorliegen. Nach dieser gesetzlichen Systematik müsste der vormals zuständige Einzelrichter bereits vor seinem Ausscheiden und dem Eintritt des Proberichters im ersten Jahr geprüft haben, ob der Fall aufgrund besonderer Schwierigkeiten oder grds Bedeutung durch die Kammer zu übernehmen ist und dies – in Anwendung seiner mehr als einjährigen Erfahrung – verne...