Rn 5
Über die punktuelle Alleinentscheidungsbefugnis nach § 349 II hinaus gewährt § 349 III dem Vorsitzenden eine Alleinentscheidungsbefugnis über den gesamten Rechtsstreit, wenn sämtliche Prozessparteien ihr Einverständnis mit einer solchen Entscheidung erklären. Eine Verpflichtung des Vorsitzenden, von dieser Alleinentscheidungsbefugnis Gebrauch zu machen, besteht – ebenso wie bei Entscheidungen nach § 349 II – nicht (so auch MüKoZPO/Stackmann § 349 Rz 30; Musielak/Voit/Wittschier § 349 Rz 19). Das Einverständnis stellt eine bedingungsfeindliche und grds unwiderrufliche Prozesshandlung dar (vgl auch BeckOK ZPO/Fischer § 349 Rz 25 und MüKoZPO/Stackmann § 349 Rz 27). Es kann auch konkludent erklärt werden. Hierfür soll bereits das Stellen von Anträgen nach mündlicher Erörterung der Sach- und Rechtslage vor dem Vorsitzenden genügen (so BVerfG Beschl v 5.6.98 – 2 BvL 2–97 = NJW 99, 1095, 1096 [BVerfG 05.06.1998 - 2 BvL 2/97]; ebenso Köln Beschl v 9.7.15 – 19 U 32/15, juris Rz 4; aA Ddorf Urt v 30.5.17 – I-4 U 41/16 = r+s 18, 126 und Zö/Greger § 349 Rz 18). Die Parteien können das Einverständnis in entsprechender Anwendung des § 128 II 1 nur widerrufen, wenn sich die Prozesslage wesentlich verändert hat (vgl BGH Urt v 19.10.1988 – IVb ZR 10/88 = BGHZ 105, 270, 273 ff; ebenso Zö/Greger § 349 Rz 18; Musielak/Voit/Wittschier § 349 Rz 19; aA MüKoZPO/Stackmann § 349 Rz 27; s zu den Voraussetzungen auch § 128 Rn 19). Unter diesen Voraussetzungen des § 128 II kann insb eine Änderung des Streitgegenstandes, zB durch Klageänderung oder Widerklage, zum Widerruf des Einverständnisses berechtigen. Nach aA soll durch Auslegung des Einverständnisses festgestellt werden, ob dieses sich auch auf eine nachträgliche Änderung des Streitgegenstandes bezieht (ThoPu/Seiler § 349 Rz 18 mwN). Allerdings werden selten Anhaltspunkte erkennbar sein, auf die eine solche Auslegung gestützt werden kann, und es ist wenig praktikabel, wenn das Gericht prüfen muss, ob das einmal erteilte Einverständnis weiter Bestand hat, ohne dass eine Partei erklärt hat, sie sei mit einer Entscheidung durch den Vorsitzenden an Stelle der Kammer nicht mehr einverstanden. Das Einverständnis umfasst die gesamte Instanz bis zur abschließenden Entscheidung. Für das Verfahren nach Aufhebung und Zurückverweisung dieser nach § 349 III durch den Vorsitzenden getroffenen Entscheidung ist jedoch ein neues Einverständnis einzuholen (ebenso St/J/Bartels § 349 Rz 34; Zö/Greger § 349 Rz 18). Überschreitet der Vorsitzende seine Kompetenzen und entscheidet den Rechtsstreit ohne Beteiligung der Kammer allein, obgleich die Voraussetzungen des § 349 III nicht vorliegen, so stellt dies einen – nach § 295 zu rügenden – Verfahrensfehler nach § 547 Nr 1 dar (vgl Ddorf Beschl v 30.5.17 – I-4 U 41/16 = r + s 18, 126). Dieser Verfahrensfehler führt jedoch nur dann zur Aufhebung und Zurückverweisung der Sache, wenn die weiteren Voraussetzungen des § 538 II S 1 zu bejahen sind oder die verfahrensfehlerhafte Entscheidung des Vorsitzenden zugleich einen Verstoß gegen Art 101 I 2 GG darstellt (vgl BGH Beschl v 17.3.08 – II ZR 313/06 = NJW 08, 1672; s.a. Hamm Beschl v 17.10.06 – 4 U 101/06, juris Rz 23; München Beschl v 18.10.10 – 7 U 3343/10, juris Rz 6 f; zum Maßstab eines Verstoßes gegen Art 101 I 2 GG s § 348 Rn 10 mwN).