Gesetzestext
(1) 1In der Kammer für Handelssachen hat der Vorsitzende die Sache so weit zu fördern, dass sie in einer mündlichen Verhandlung vor der Kammer erledigt werden kann. 2Beweise darf er nur insoweit erheben, als anzunehmen ist, dass es für die Beweiserhebung auf die besondere Sachkunde der ehrenamtlichen Richter nicht ankommt und die Kammer das Beweisergebnis auch ohne unmittelbaren Eindruck von dem Verlauf der Beweisaufnahme sachgemäß zu würdigen vermag.
(2) Der Vorsitzende entscheidet
1. |
über die Verweisung des Rechtsstreits; |
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über Rügen, die die Zulässigkeit der Klage betreffen, soweit über sie abgesondert verhandelt wird; |
3. |
über die Aussetzung des Verfahrens; |
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bei Zurücknahme der Klage, Verzicht auf den geltend gemachten Anspruch oder Anerkenntnis des Anspruchs; |
5. |
bei Säumnis einer Partei oder beider Parteien; |
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über die Kosten des Rechtsstreits nach § 91a; |
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im Verfahren über die Bewilligung der Prozesskostenhilfe; |
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in Wechsel- und Scheckprozessen; |
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über die Art einer angeordneten Sicherheitsleistung; |
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über die einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung; |
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über den Wert des Streitgegenstandes; |
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über Kosten, Gebühren und Auslagen. |
(3) Im Einverständnis der Parteien kann der Vorsitzende auch im Übrigen an Stelle der Kammer entscheiden.
(4) Die §§ 348 und 348a sind nicht anzuwenden.
A. Normzweck.
Rn 1
In der Kammer für Handelssachen, die mit einem Mitglied des Landgerichts als Vorsitzenden und zwei ehrenamtlichen Richtern, sog Handelsrichtern, besetzt ist (§ 105 I GVG), hat der Vorsitzende (als einziger mitwirkender Berufsrichter) naturgemäß eine besondere Stellung. Vorrangige Aufgabe der Handelsrichter ist es, ihre besondere Sachkunde für die Würdigung des Sachverhalts in das Verfahren einzubringen. Demgegenüber weist das Gesetz dem Vorsitzenden als Berufsrichter die alleinige Entscheidungsgewalt über die rechtlich geprägten Aufgaben der Verfahrensvorbereitung (Abs 1) und der Entscheidungen über bestimmte prozessrechtliche Fragen (Abs 2) zu. Der Vorsitzende soll das Verfahren – auch zur Entlastung der Handelsrichter – so weit vorbereiten, dass es in einem Haupttermin vor der Kammer erledigt werden kann. § 349 gibt ihm die hierfür erforderlichen Kompetenzen. Besteht das allseitige Einverständnis der Prozessparteien, so hat der Vorsitzende nach § 349 III sogar die alleinige Entscheidungsbefugnis über den Rechtsstreit. Für die Tätigkeit eines Handelsrichters als Einzelrichter ist nur als beauftragter Richter (§§ 361, 375, 402) Raum, wenn es für die Beweiserhebung auf seine besondere Sachkunde ankommt. Die auf die Besetzung einer Kammer mit drei hauptamtlichen Richtern zugeschnittenen §§ 348, 348a sind gem § 349 IV auf das Verfahren vor der Kammer für Handelssachen nicht anzuwenden (instruktiv zur Stellung des Vorsitzenden nach § 349 auch BGH Beschl v 20.10.03 – II ZB 27/02 = BGHZ 156, 320, 324 ff).
B. Vorbereitung des Haupttermins (Abs 1).
Rn 2
Der Vorsitzende hat nach § 349 I die Aufgabe, den Termin zur mündlichen Verhandlung vor der Kammer so vorzubereiten, dass die Kammer nach einer zusammenfassenden Verhandlung die Sache abschließend entscheiden kann. Der Vorsitzende erlässt alle prozessleitenden Verfügungen, insb entscheidet er über die Terminsbestimmung (§ 216), die in §§ 276, 277 vorgesehenen Fristen und die in § 273 genannten Maßnahmen. Der Vorsitzende kann eine Güteverhandlung (§ 278) durchführen, was allerdings nur dann sinnvoll erscheint, wenn dies in einem gesonderten Termin geschieht oder der Vorsitzende gem Abs 3 zur Entscheidung insgesamt befugt ist. Der Vorsitzende entscheidet auch über die Bewilligung einer öffentlichen Zustellung gem § 186 (s § 186 Rn 1). Zur Vorbereitung des Haupttermins kann der Vorsitzende bereits Beweise erheben, was die Beweisanordnung einschließt (§§ 358a, 359, vgl auch BTDrs 7/2769, S 13). In diesem Fall hat er alle Kompetenzen des Prozessgerichts (zB gem §§ 360, 362, 366, 375, 387, 391) inne. Der Vorsitzende hat im Falle einer solchen Beweisaufnahme jedoch den Grundsatz der Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme (§ 355) zu beachten. Erfordert die sachgemäße Würdigung der Beweise einen unmittelbaren Eindruck von der Beweisaufnahme (etwa, weil es auf die Glaubwürdigkeit von Zeugen ankommt) oder bedarf es für die Beweiserhebung der besonderen Sachkunde der Handelsrichter, muss die Beweisaufnahme vor der Kammer erfolgen. Dies kann insb bei Zeugenvernehmungen, Sachverständigenanhörungen und Inaugenscheinnahmen der Fall sein. Ein Verstoß gegen § 355 stellt einen Verfahrensfehler iSd §§ 546, 513 I dar, der jedoch dem Rügeerfordernis des § 295 unterliegt (vgl bereits BGH Urt v 16.10.63 – IV ZR 17/63 = BGHZ 40, 179, 181 ff und NJW 64, 108 f für den Fall einer Beweiserhebung den Einzelrichter trotz Kammerzuständigkeit). Hat der Vorsitzende alleine Beweis erhoben, gilt § 285 II. Persönliche Eindrücke, die der Vorsitzende bei der Beweisaufnahme gewonnen hat, können bei der Beweiswürdigung nur verwertet werden, wenn sie protokolliert sind. Beantragt eine Partei nach § 398 eine erneute Beweisaufnahme vor der Kammer, entschei...